SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 8 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Bruno Cathala, Théo Rivière
erschienen bei MM-Spiele
Als Martin Mader vom neu gegründeten Verlag MM-Spiele bei mir anrief, um mit mir über Sea Salt & Paper zu sprechen, kam mir eine Erinnerung in den Sinn. Diese hat überhaupt nichts mit dem Kartenspiel, über das wir heute sprechen, zu tun. Dennoch möchte ich sie hier erzählen, einfach, weil ich sie im Nachhinein als recht skurril empfinde und sie nicht für mich behalten kann.
Es ist schon einige Jahre her, da hatte ich mein erstes Buch veröffentlicht. Die Allgäu Detektive und das mysteriöse Erbe. Ganz kurz könnte man dies als ??? im Allgäu beschreiben. Also drei Kinder, die in einer Todesanzeige ein Rätsel entdecken und damit eine Schatzsuche lostreten. Wie wir heute wissen, folgte noch ein zweiter Band (Die Allgäu Detektive und das verfluchte Anwesen – Affiliate Link), aber der große Durchbruch gelang mir damit nie. Bis heute warte ich noch darauf, dass der Bayerische Rundfunk bei mir anklopft und mir eine auf den Büchern basierende Serie vorschlägt. Aber das dürfte in etwa genauso realistisch sein wie ein Lottogewinn. Aber wenn ihr etwas Zeit übrig habt, könnt ihr gerne dort anklopfen und nachfragen, wann die Verfilmung erfolgt. Wer weiß, vielleicht braucht es nur genügend Menschen, die vorgeben, das zu wollen?
Nun hatte ich damals auch eine Seite für die Allgäu Detektive gebastelt. Dort zu finden waren Textauszüge, Verweise auf das Buch und natürlich viele Illustrationen. Alles in allem einfach die nötigen Informationen, um das Buch vorzustellen. Gleichzeitig gab es dann noch Kontaktinformationen. Eines Tages kam ich dann von der Arbeit heim und erfuhr, dass eine ortsansässige Firma aus Kempten angerufen hatte, um mit mir bezüglich der Allgäu Detektive zu sprechen. Natürlich war ich aufgeregt und fragte mich, was mich denn erwarten würde. Wollten sie mich für ein Event buchen? Mein Buch verschenken und ich sollte diese signieren? Sollten die drei eine Art Werbefigur werden?
Jung und dumm malte ich mir die tollsten Geschichten aus und sehnte den Anruf entgegen. Dieser erfolgte und wir kamen ins Gespräch. Es dauerte nicht lange, da dämmerte mir, dass wir es mit einem massiven Missverständnis zu tun hatten. Die Person an der anderen Leitung stellte sich als personalverantwortlich dar und wollte meine Detektei damit beauftragen, die eigenen Mitarbeitenden auszuspionieren. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, nur nicht damit. Somit war die Traumblase geplatzt. Dennoch war ich froh, dass ich nun wusste, in welchem Betrieb ich nie anfangen würde zu arbeiten. Im Nachgang frage ich mich jedoch, ob ich die Angestellten hätte informieren sollen.
Es ist interessant, welche Überraschungen das Leben einem ab und an bietet. Genauso wie mit Sea Salt & Paper, das sich nun in einer deutschen Version im Handel finden lässt. Hier möchte ich noch kurz auf eine Frage eingehen, die mir auf Facebook gestellt wurde. Warum braucht es von einem sprachneutralen Spiel überhaupt eine Lokalisation? Natürlich, weil die Regeln dennoch eine Hürde darstellen. Zumindest in dem Markt, in dem sich Sea Salt & Paper nun präsentiert und wahrgenommen werden möchte. Dem einfachen Familienspielsektor. Das meine ich überhaupt nicht wertend, sondern sehe dort einfach das große Potenzial.
(Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach)
Sea Salt & Paper basiert auf Gin Rummy. Also einem Kartenspiel für zwei, bei dem die Mitspielenden versuchen, ihr eigenes Blatt durch gleichwertige oder aufsteigende Karten zu optimieren. Nur, dass wir hier etwas anders sammeln und agieren.
Sind wir am Zug, müssen wir eine neue Karte aufnehmen. Dies geschieht entweder, indem wir blind vom Stapel zwei Karten ziehen und eine ablegen. Alternativ können wir auch die oberste Karte eines der zwei Ablagestapel nehmen. Der Vorteil in der ersten Methode ist natürlich, dass unsere Mitspielenden nicht wissen, was wir erhalten haben. Jedoch können wir über die zweite Variante gezielter sammeln.
Im Anschluss dürfen wir noch Pärchen auslegen. Diese gibt es in vier unterschiedlichen Varianten. Jede bringt für sich nicht nur einen Punkt für die Schlusswertung, sondern auch eine Sonderaktion. Folgende Möglichkeiten gibt es:
Gesammelt werden neben diesen Paaren noch Sets, die mehr wert werden, je mehr passende Karten wir auf der Hand haben. Dann gibt es noch Karten, deren Punkte sich aus der Anzahl anderer passender Karten ergeben (zum Beispiel drei Punkte je Anker). Zuletzt wären da noch die Meerjungfrauen, die uns Punkte je Karte unserer längsten Farbe einbringen. Sollten wir es zu irgendeinem Zeitpunkt sogar schaffen, alle vier Meerjungfrauen auf die Hand zu bekommen, gewinnen wir direkt.
Zum Abschluss des eigenen Zuges kann man noch eines tun. Das Ende verkünden. Zumindest, wenn man mindestens sieben Punkte gesammelt hat. Das Ende gibt es auf zwei Arten. Das normale, in dem alle Mitspielenden die aktuelle Punktzahl gutgeschrieben bekommen. Dann noch das spannende, in dem wir wetten, die meisten Punkte vorweisen zu können. Hier sind die anderen jedoch noch jeweils einmal dran. Hatten wir recht, erhalten wir Bonuspunkte. Lagen wir falsch, bekommen wir so gut wie nichts.
Eine Partie Sea Salt & Paper geht über mehrere Runden. Wurde eine nach Spieleranzahl festgelegte Punktzahl überschritten, ist alles vorbei. Es gewinnt, wer die meisten Punkte sammeln konnte.
(Friedrich Schiller)
Sea Salt & Paper kommt in einer kleinen, unscheinbaren Schachtel daher. Die Optik ist nichts für jeden, aber ich persönlich liebe die Origamibilder, die sich auf den Karten finden lassen. Wunderschön, was hier erschaffen wurde. Gleichfalls gibt es so viele unterschiedliche Varianten derselben Kartenart, dass man sich hier kaum sattsehen kann. Für mich ein ganz klarer Pluspunkt. Sea Salt & Paper sticht damit direkt aus den vielen anderen kleinen Kartenspielen heraus.
So hatte ich mich dann auch auf meine erste Partie gefreut, die jedoch sehr ziellos war. Gleichzeitig fragte ich mich, was das denn genau sein sollte. Ich hatte nie das Gefühl, irgendwas in den Griff bekommen zu können und war erst einmal nicht darauf aus, weiter spielen zu wollen. Aber wer mich kennt, weiß, dass das keine Option ist. Für eine Rezension wird gespielt. Immer und immer wieder, auch wenn es wehtut. Was soll ich sagen? Auf einmal hat es Klack gemacht. Der Schalter in meinem Hirn legte sich um. Ich entdeckte, wie das Spiel gespielt werden möchte. Es geht nicht nur darum, nett zu sammeln, sondern auch darauf zu achten, wie man den anderen in die Suppe spucken kann. Das war vorher schon klar, aber man merkt einfach dann doch, dass man etwas mehr beeinflussen kann, als man dachte.
Deine Mitspielenden meinen, eine Wette abgeben zu müssen? Kein Problem, du bist darauf vorbereitet und holst dir mit der Krabbenkombo die letzte nötige Karte, um groß zu punkten – schließlich hast du dir genau gemerkt, wo sich der zweite Anker versteckt. Gleichfalls ist es auch immer witzig, wenn man versucht, die anderen so zu manipulieren, dass sie genau das nehmen, was sie sollten, um damit die eigene erhoffte Karte zu schützen. Das macht aus jeder Partie ein kleines Hauen und Stechen und sorgt in einem eigentlich sehr simplen Spiel für die nötigen Emotionen, um es zu tragen.
Doch einen großen Fehler macht Sea Salt & Paper meines Erachtens. Es behauptet, für vier Spielende ausgelegt zu sein. Hier büßt das Spiel meiner Meinung nach jedoch seinen Kern komplett ein. Man ist hier dem Glück viel weiter ausgeliefert, kommt seltener zum Zug und bekommt dadurch auch weniger Möglichkeiten zu agieren. Hier fühlt es sich eher an, als würde man im Ozean treiben. Den Strömungen auf Gedeih und Verderb ausgesetzt. Vielleicht hätte man mit der Anzahl der Karten skalieren müssen, aber das würde dem Spiel die Kompaktheit nehmen. Am besten waren für mich die Partien zu zweit. Schnell gespielt, nicht unnötig in die Länge gezogen, sondern einfach direkt auf den Punkt.
Hier kann Sea Salt & Paper sein komplettes Potenzial entfalten. Man versucht in diesem Wettlauf gerade die berühmte Nasenlänge voraus zu sein. Zu schätzen, wann der perfekte Zeitpunkt für das Ende eingetreten ist. Ob man noch etwas pokern und weiter sammeln oder einfach beenden sollte, um es anderen nicht zu einfach zu machen. Dabei darf man eines jedoch nicht vergessen. Sea Salt & Paper ist simpel und das möchte es auch sein. Es ist ein Spiel für die Hosentasche, das man im Café genauso gut auspacken kann, wie im Freibad. Dabei ist es zwar einfach, aber nicht so entscheidungsarm wie ein LAMA.
Seid ihr auf der Suche nach einem kleinen, aber feinen Kartenspiel, solltet ihr euch Sea Salt & Paper unbedingt ansehen. Es mag nicht ganz perfekt sein, aber dennoch hat man seinen Spaß, wenn man sich denn darauf einlässt.
Sea Salt & Paper von Bruno Cathala, Théo Rivière
Ein kleines und wunderschönes Kartenspiel, dem es dann doch etwas an Inhalt fehlt, um in den Spieleolymp aufsteigen zu können. Dennoch sind die Partien schnell und emotional, ohne zu belanglos zu sein.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
Mehr Informationen zu Affiliate Links und Rezensionsexemplaren findet ihr in unserer Übersicht zur Transparenz und in den Bestimmungen zum Datenschutz.
Lol
Manche Regeln sind nicht uneindeutig.???
Christian Renkel
Danke für den Hinweis. Da liest man alles zigmal und übersieht immer noch was. 🤦♂️