SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Andrew Wolf, Kami Mandell
erschienen bei Kosmos
Was soll ich sagen? Ich bin ein einfacher Mensch und reagiere entsprechend mit dem Herzen, wenn bestimmte Ankündigungen eintreffen. So auch, als die erste Meldung kam, dass Harry Potter: Kampf um Hogwarts eine Liaison mit konfrontativen Deckbuildern wie Star Realms eingegangen ist. Harry Potter: Verteidigung gegen die dunklen Künste sollte es heißen und heizte bei mir die Spirale der Vorfreude direkt an.
Nun ist es ja so, dass diese durch mich selbst aufgebauschte Erwartungshaltung nicht schon häufiger für eine extreme Fallhöhe gesorgt hat, die manch Spiel mit einer grandiosen Arschbombe bewältigte. Mit Schaudern erinnere ich mich immer wieder an Harry Potter: Ein Jahr in Hogwarts, welches mich heute noch in meinen Albträumen heimsucht. Schweißgebadet schrecke ich auf und hoffe, dass das Spiel in der Realität nie erschienen ist und alles nur Einbildung war.
Bevor wir uns nun näher mit Harry Potter: Verteidigung gegen die dunklen Künste beschäftigen, verrate ich euch gleich mal zwei Dinge. Das Spiel ist so toll, dass sich jemand gedacht haben musste, dass man da besser auch zwei richtig schlechte Designentscheidungen treffen sollte, um das zu relativieren. Welche das sind? Lasst euch überraschen.
(Dumbledore)
Harry Potter: Verteidigung gegen die dunklen Künste vereint alles, was einen klassischen Deckbuilder ausmacht. Die von uns gespielten Karten geben uns drei Ressourcen. Geld, mit dem wir auf einem zentralen Markt neue Karten kaufen dürfen. Blitze, die für Schäden beim Gegner sorgen. Herzen, die uns selbst heilen. So weit, so bekannt.
So richtig neu sind die Fluchkarten auch nicht, nur dass diese, wenn man sie denn auf der Hand hat, als Allererstes ausgespielt werden müssen, um uns den Tag zu vermiesen. Auch die Karten mit erweiterter Auswirkung, wenn wir (oder unsere Verbündeten) einem bestimmten Haus angehören, kennen wir zum Beispiel aus Star Realms.
Was jedoch neu ist, dass wir für jeden Treffer ein Feld auf dem Duell-Spielplan zurückversetzt werden. Kommen wir dabei auf das letzte (Betäubt), verlieren wir die aktuelle Runde. Wir erhalten dafür einen Marker, mischen all unsere Karten wieder zusammen und starten erneut. Wer seinen Gegner zuerst dreimal auf die Bretter geschickt hat, gewinnt das Spiel.
(Dumbledore)
Die Freude war groß, als das Spiel endlich bei mir ankam. Und so ließ ich auch erst einmal alles stehen und liegen, um direkt in die Schachtel zu schauen. Ein Vorgang, der in mir kurz darauf Entsetzen auslösen sollte.
Zuerst war noch alles gut. Es waren die bekannten Plättchen aus Kampf um Hogwarts dabei, die wieder einen guten Eindruck machten. Auch meine Lieblings-Metall-Marker haben ihren Weg in das Spiel gefunden. Aber als ich dann den ersten Kartenpack öffnete, war ich verwirrt. Was hielt ich hier in den Händen? War das eine Print’n’Play Version? Die Karten sind derart labbrig, dass ich mich zusammenreißen muss, um nicht gewisse schmutzige Wörter zu verwenden, um meine Meinung über die Machart zu beschreiben. Die Karten fühlen sich sogar schlechter an als die in Kampf um Hogwarts und das muss man erst einmal schaffen.
Wer kam denn auf die glorreiche Idee? Jedes billig Kartenspiel hat weit qualitativ hochwertigere Karten. Warum also gerade bei Harry Potter: Verteidigung gegen die dunklen Künste sparen? War es eine Vorgabe des original Verlags und Kosmos als Lizenznehmer dieser ausgeliefert? Kleiner Tipp von mir, wenn ihr die Kunden die Karten in Zukunft selbst ausdrucken und ausschneiden lasst, fühlen sie sich fast genauso an, wie diese und ihr spart euch noch weitere Materialkosten.
Nachdem die Karten ein derartiges Trauerspiel waren, war ich auf meine erste Partie gespannt. Inzwischen mehr auf die Haptik als den Ablauf. Ja, man kann die Karten mischen. Und ja, sie haben die Partien bisher besser überstanden, als ich zuerst vermutete. Aber sie fühlen sich immer noch nicht gut an.
Im Spiel selbst treffen wir auf nicht allzu viel, was wir bisher nicht kennen. Alles haben wir schon mal gesehen und wurde durch die Autoren gut zusammengeklaut. Und dementsprechend gut funktioniert es natürlich. Wir bauen schöne Kombos auf, die unseren Mitspieler wunderbar ins Schwitzen bringen. Das fühlt sich einfach immer noch gut an und sorgt im Duell für die nötige Spannung. Das begeistert mich einfach immer noch, auch wenn man thematisch sich damit anfreunden muss, dass sich auch mal ein Harry Potter mit Draco und Goyle verbündet. Das schmeckt vielleicht nicht jedem, aber mich stört es nicht sonderlich. Leider sorgt der große Markt häufig dafür, dass die wirklich guten Karten relativ einseitig gekauft werden können, was es zu einem immensen Kraftakt macht, dagegen zu bestehen oder nicht zu verzweifeln.
Was mir weiter im Magen liegt, sind die Fluchkarten. Während diese in anderen Deckbuildern vorwiegend dafür da sind, unser Deck zu verstopfen oder um Minuspunkte auf unser Konto zu spülen, haben alle von ihnen eine eigene Fähigkeit. Viele von ihnen jedoch so stark ausgeprägt, dass man einen kompletten Zug verliert. Ihr könntet das Blatt wenden und eueren Mitspieler betäuben? Pech gehabt, denn Herzen und Blitze gibt es diesen Zug nicht. Oder es kommen endlich die dringend benötigten Verbündeten? Wäre ja schön für dich, aber du spielst diese Runde keine. Und so weiter. Das ist für mich persönlich etwas zu hart und willkürlich, als dass ich mich auch bei meinem Gegner darüber freuen könnte.
Also, was ist Harry Potter: Verteidigung gegen die dunklen Künste? Ein Spiel, das bei den Besten abkupfert und das Ergebnis mit einem leichten neuen Anstrich versorgt. Ein Titel, der aufgrund des ausgetretenen Pfades natürlich gut funktioniert, wenn auch etwas frustiger, als es sein müsste. Gleichzeitig mit Karten aus dem Fegefeuer ausgestattet, die sich zwar bespielen lassen, bei denen man aber immer wieder auf die besseren Varianten im Regal schielt. Fans von Deckbuildern und Potter werden dennoch ihre Freude damit haben. Dennoch gibt es für mich persönlich gerade wegen der Karten-Qualität Abzüge in der B-Note.
Harry Potter: Verteidigung gegen die dunklen Künste von Andrew Wolf, Kami Mandell
Ein gut zusammengeklautes Spiel, das leider an den labbrigen Karten und den harten Flüchen leidet. Im Kern aber immer noch ein guter Deckbuilder.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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