SPIELSTIL Rezension

Chronicles of Crime: 1900

Lesezeit: 6 Minuten

Ein Spiel entwickelt von David Cicurel, Wojciech Grajkowski
erschienen bei Corax Games, Lucky Duck Games

- 14.Apr.2021

Diese Rezension ist natürlich Spoiler-Frei!

Belle Époque – die „schöne Epoche“ – so wird gemeinhin auch die Zeit um die Jahrhundertwende in Europa genannt. Natürlich nicht das Y2K-Problem und der Siegeszug des Internets – Nein; wir sprechen vom malerischen Paris um 1900! Das Moulin Rouge, der jüngst fertig gestellte Eiffelturm und die Weltausstellung – und wir werden diese Zeit besuchen und durch die Straßen der Weltstadt wandeln – Gibt es etwa eine neue Erweiterung von T.I.M.E. Stories? Nein, weit gefehlt: Wir begeben uns mit Corax Games Chronicles of Crime: 1900 auf die Jagd nach Geheimnissen und Stories in der Stadt an der Seine!

Diese und weitere wunderschön gezeichnete Orte werden wir in Paris besuchen

Wenn ich versuche, für die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, in der ich aufgewachsen bin, eine handliche Formel zu finden, so hoffe ich am prägnantesten zu sein, wenn ich sage: es war das goldene Zeitalter der Sicherheit. (…) Heute, da das grosse Gewitter sie längst zerschmettert hat, wissen wir endgültig, dass jene Welt der Sicherheit ein Traumschloss gewesen.

(Stefan Zweig (1881-1942))

In der neusten Erweiterung zu der erfolgreichen Krimi-Serie Chronicles of Crime, welche wie ihr Vorgänger schlicht eine Jahreszahl als Titel trägt, versetzen wir uns in das Paris um die Jahrhundertwende. Wir übernehmen die Rolle des Reporters und Journalisten Victor Favel, welcher immer wieder in Mordfälle hinein gezogen wird.

Dies mag nicht weiter verwunderlich erscheinen; ist sein Onkel doch Kriminalkommissar und wir, nun ja – spielen eben Chronicles of Crime. Auch andere Personen begegnen uns immer wieder: natürlich Jonas J. Jacquemard, unser Chef und Herausgeber der Pariser Zeitung Les Nouvelles de Paris – und unsere Kollegin Charlotte Hibou, welche sich als besonders rätselbegeistert erweist, was uns noch sehr zu Gute kommen wird, wie wir gleich erfahren werden.

Jeder unserer Fälle beginnt – und endet – in der Redaktion der Zeitung

Aber zuerst einmal ist Chronicles of Crime: 1900 ein klassischer Ableger der Familie. Wie immer besteht das Spiel auf der einen Seite aus Personen-, Orts- und Gegenstandskarten, auf denen QR-Codes abgedruckt sind – auf der anderen Seite gibt es eine App, mit der eben jene Karten gescannt werden, um mit ihnen zu interagieren. So kann man zu den Orten reisen; sich mit den Menschen vor Ort unterhalten – und sie zu anderen Personen oder auch Gegenständen, von denen man weiß, befragen. Wie auch schon beim Vorgänger 1400 wird hier (anders als bei den ersten drei Spielen) unterschieden, ob man von einem Gegenstand weiss, oder ihn auch besitzt.

Das besondere Schmankerl sind auch hier wieder die als virtuelle Realität gestalteten Tatorte, an denen man sich mittels einer VR Brille umsehen kann, um Beweise und Spuren zu entdecken. Nach wie vor können Mitspielende sich mit ihren eigenen Mobiltelefonen oder Tablets mit einklinken und gemeinsam nach Hinweisen suchen.

In der App sind bereits drei Fälle verfügbar – und weitere angekündigt (leider aktuell nur auf Englisch)

Die wirkliche Neuerung (CoC-Erfahrene wissen bereits: Jeder Teil hat seine Besonderheit) in diesem Szenario sind die Rätsel(karten). Ein Satz großformatiger Karten wird in den verschiedenen Fällen, die wir aufklären, nach und nach aufgedeckt und stellt uns vor Rätsel, welche es zu lösen gilt. Nur auf diese Weise kann es uns gelingen, die Fragen zum Abschluss des Falles – oder besser zum Redaktionsschluss der morgigen Ausgabe – alle korrekt zu beantworten und die maximale Punktzahl zu erzielen.

Das Problem der Zeitungsberichterstattung liegt daran, dass das Normale uninteressant ist.

(Saul Bellow)

Thomas meint:

Vorneweg: Ich bin ein Fan von der Serie Chronicles of Crime. Vor über einem Jahr wohnte ich durch Zufall auf einer Silvesterfeier im Freundeskreis einer Partie bei und sah zu, wie ein Fall gelöst wurde. Ich war fasziniert, bin direkt dabei sitzen geblieben und durfte zum Glück auch direkt miterleben, wie ein virtueller Raum erkundet wurde, dort Beweise gefunden wurden und mit diesen dann ein Mörder überführt werden konnten. Schon am nächsten Tag – na gut, am nächsten Werktag – habe ich mir sofort das Spiel gekauft, direkt zusammen mit den Erweiterungen Welcome to Redview und Noir. Und nicht nur das: Auch die 3D-Brille habe ich mir direkt dazu geholt (übrigens eine geniale Miniaturisierung von Google Cardboard, wenn ich das mal anmerken darf).

Als dann sozusagen „Season 2“ angekündigt wurde, mit den einzelnen Erweiterungen 1400, 1900 und 2400 – also einer Familiensaga über 1.000 Jahre, inklusive die Jahrhunderte überspannendem Fall/Kampagne – da wusste ich: Auch diese Teile werde ich wieder haben müssen! Und ich war schon gespannt auf die neuen Features, also Besonderheiten, der Szenarien.

Wie auch 1400 und 2400 ist 1900 spielbar, ohne ein Grundspiel zu besitzen

Mit dem mir vorliegenden 1900 haben wir nun also als Ergänzung zum Altbekannten die „Rätselkarten“ neu. Anstelle nur einfache Hinweiskarten und besondere Gegenstände zu bekommen, erhalten wir nun aus einem Deck großformatiger Karten Bestandteile eines (oder mehrerer) Rätsel. Diese Mechanik erzeugt Abwechslung und bringt frischen Wind in den Spielablauf – man versucht nicht länger, jede Person zu jedem Gegenstand zu befragen, um die richtige „Frage“ zu stellen: nun kann man auch abseits davon über den Fall grübeln. Ist man sich nicht sicher, ob man bereits alle Puzzlestücke beisammen hat, kann man auf eine Hilfestellung im Spiel zurückgreifen (wie genau, wird hier nicht verraten).

Aber letztendlich erinnern mich diese Rätselkarten doch vor Allem an Eines: An ein Exit-Spiel. Und damit rutsche ich gedanklich aus dem Mordfall, den ich gemeinsam mit meinen Mitspielenden aufklären möchte, hinaus und will nur die „Karten“ mit dem „Rätsel“ kombinieren. Zumal diese Rätsel dann auch gerne mal total banal und seicht daher kommen, wie die Rätselseite im Medi&Zini der Apotheke. Da fühle ich mich nicht mehr wie der Journalist, der sich zur Hintertür ins Moulin Rouge schleicht, oder im Sonnenuntergang den Eiffelturm nachdenklich betrachtet, während er über die Aussage eines skrupellosen Geschäftsmannes nachsinnt – da bin ich nur noch Tom, der diese drei Karten kombinieren muss, um den Weg durchs Labyrinth zu finden (aus der Luft gegriffenes Beispiel). Das finde ich schade, denn ich denke, man hätte diese Rätsel sehr viel stimmiger einbetten können – was bei manchen Rätselkarten auch der Fall ist, aber eben nicht bei allen, leider.

Ein schöner Rücken kann auch entzücken! – Willkommen in der Belle Époque

Eine Lanze breche ich nun noch für die Optik: Nicht nur sind die Schauplätze und Charaktere wieder einmal sehr schön gezeichnet und umgesetzt worden – sämtliche Kartenrückseiten sind mit zur Epoche passenden Mustern versehen worden, so dass diese Ausgabe tatsächlich ein wahrer Augenschmaus ist!

So bleibt mir zu sagen, dass 1900 wieder ein solides Chronicles of Crime geworden ist, bei dem sich die Autoren durchaus etwas Neues haben einfallen lassen – nur leider ist es bei der Umsetzung nicht ganz so toll geworden, als dass es mit meinem Top-CoC, Noir, mithalten könnte…

Dir hat die Rezension gefallen? Du denkst wir liegen völlig daneben? Lass uns wissen was du denkst.

Chronicles of Crime: 1900 von David Cicurel, Wojciech Grajkowski

Ein weiterer gelungener Teil der Chronicles of Crime Reihe, welcher zwar mit den Rätselkarten eine gute Idee präsentiert; jedoch an der Umsetzung als „glaubhaft“ scheitert. Da geht noch mehr!

Spielstil – Wertung

Thomas:

7/10
Das gefiel uns
  • Erneut spannende Fälle
  • Rätsel als zusätzliche „Hürde“
  • Optisch sehr schön gestaltet
Das nicht so
  • Rätsel unglaubwürdig/kindlich

Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.

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Thomas Büttner

Tom schätzt neben komplexen Euros auch thematisch satte Solitär-Meisterwerke - und natürlich feine App-Umsetzungen. Dabei wird er schon mal ungehalten, wenn die Steuerung umständlich ist oder das User Interface unintuitiv.

So erreicht ihr Thomas:

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