SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Chihiro Mori, Matthew Dunstan, Phil Walker-Harding
erschienen bei Kosmos
Ich könnte jetzt wieder einen kleinen Exkurs über meine Karriere im Bereich der Adventure Games geben. Die Zeit in den 80ern, die bei mir vorwiegend durch Sierra (Kings Quest, Police Quest und Leisure Suit Larry <kicher>) geprägt war. Die 90er, in denen es mir vor allem Lucasarts (und später Lucasfilm Games oder war es anders herum?) angetan hatte. Die 2000er, als die neuen Adventures für mich tot waren, ich aber die reinen Textadventures älteren Semesters für mich entdeckte. Und die letzten beiden Jahre, in denen ich auf der Switch das Genre für mich wiederentdeckt habe. Alles gekrönt von eigenen Erfahrungen und Erinnerungen.
Und nun? Nun sind es die analogen Adventure Games, die immer wieder auf meinem Tisch landen. Wobei ich mich an eine Ausgabe der ASM erinnere, in der bereits ein analoges Adventure abgedruckt war. Aber das ist eine andere Geschichte. Hier geht es ja um etwas anderes. Den neuesten Teil aus der Kosmos Reihe Adventure Games. Im Nebelreich entführt uns in eine Fantasy-Welt, in der wir die Rolle von sprechenden, vermenschlichten Tieren übernehmen, die mit einem großen Problem konfrontiert werden.
(Gottfried Keller)
Mit den Regeln ist alles beim Alten. Jeder Mitspielende steuert eine eigene Spielfigur über die ausliegenden Ortskarten. Am Zug darf eine Aktion ausgeführt werden. So kann man dann einen Fleck der Ortskarte näher untersuchen, mit Nichspieler-Charakteren interagieren oder Rätsel lösen.
Die Kosmos Erklärapp übernimmt dabei gerne die Funktion des Erzählers. Alles mit professionellen Sprechern vertont. Schaffen wir es, die Rätsel des Spiels zu lösen, entdecken wir immer weitere Orte, bis wir es dann im großen Finale schaffen die Geschichte zu lösen.
Dabei gibt es nicht nur die Hauptstory zu verfolgen. Die Charaktere haben jeweils ihren eigenen Subplot, den man näher untersuchen oder eben ignorieren kann.
(Friedrich Hebbel)
Was war das für ein schöner Einstieg in die Geschichte. In Kapitel 1 entspann sich eine wundervolle Welt mit sympathischen Charakteren, denen man nur zu gerne unter die Arme greifen möchte. Dabei schafft es vor allem die Charakterprogression – mit drei Werten, die gesteigert werden können – und die eigenen Geschichten, die man entdeckt, für gute Laune zu sorgen. Die Sprecher halfen uns dabei in die Welt einzutauchen und zeigten eine große Varianz an vertonten Möglichkeiten. Vielleicht lag es auch daran, dass wir nicht in der vermeintlichen Sackgasse landeten, die in sozialen Medien geisterte (nein, es existiert keine, nur eine unglückliche Formulierung, die man falsch verstehen kann). Aber oh nein, wie konnte ich mich nur so sehr irren?
Beschwingt durch das tolle erste Kapitel haben wir uns auf das zweite gefreut. Und die ersten Schritte bestärkten uns auch darin, dass wir es hier mit einem erneuten Adventure Game zu tun haben, das voll und ganz unsere Bedürfnisse befriedigt. Man bekam einzelne Storyfetzen, etwas mehr zu den Nebengeschichten und löste Stück für Stück Rätsel, die einen voranbrachten. Doch die Freude hielt nicht lange an. Denn das Kapitel wurde immer zäher und zäher. Die Geschichten teilweise unerträglich in die Länge gezogen und das Spielgeschehen so sehr entschleunigt, dass uns jegliche Spannung und die Vorfreude auf den weiteren Verlauf verging. Im Gegenteil! Lösten wir einen neuen Text aus, der über den Bildschirm hinaus ging (oder noch schlimmer am unteren Ende ein „WEITER“ zu sehen war), verdrehten wir bereits die Augen. Ja, die Geschichte ist teilweise witzig und süß, aber irgendwann ist auch wieder gut. Wenn ich ein Hörbuch konsumieren will, mache ich das. Aber ich möchte spielen! Außerdem muss ich anmerken, dass die angegebene Zeit auf der Schachtel bei weitem nicht dem entspricht, was wir brauchten. Alleine für das zweite Kapitel kamen wir auf über drei Stunden.
Als dann aber die Rätsel abstrakter wurden und an Escape Spiele erinnerten, war bei mir der Ofen aus. Wenn ich Adventure Games spiele, möchte ich Inventarrätsel, Gesprächsrätsel oder eben Rätsel, die mein Charakter genau so erleben und lösen kann. Aber ich möchte nicht aus der Geschichte geworfen werden, um als allwissendes Etwas Dinge zu sehen, die meinem Charakter verborgen bleiben. Oder Codes zu lösen, die einfach nicht in die Spielwelt hineinpassen. Mehr sage ich dazu nicht mehr – um nicht zu viel zu verraten -, aber für mich passt das einfach nicht zusammen.
Dann kam irgendwann die Erlösung und mit ihm Kapitel 3. Wir haben eine Ewigkeit gebraucht, um so weit zu kommen, aber das kann sich auch nur so angefühlt haben, weil die Lust immer mehr verging. So haben wir dann auch auf das Ende hingesehnt und direkt weiter gemacht. So schlimm kann es ja gar nicht mehr sein, dachten wir. Bis auf ein Detail war dieses Kapitel dann auch wieder ok. Um das zu erklären, muss ich ein paar Andeutungen machen. Für einen der Charaktere ist es wichtig, an einen bestimmten Ort zu gehen, um die eigene Geschichte voranzuführen. Aber gleichzeitig gilt der Ort selbst als eine Art eigenes Rätsel, das für uns nicht zu erkennen war, da wir diesen eben mit dem Charakter verbanden. Da sich dort aber ein wichtiger Gegenstand befindet, muss man dieses eben auch lösen. So eierten wir im Kreis herum, ohne einen Ansatz zu finden, wie man die Geschichte zu einem Abschluss bringen könnte. Bis wir eben aufgaben und in die Lösung schauten. Das war wieder ein Punkt, der eben ärgerlich war.
Alles in allem würde ich für mich persönlich behaupten, dass im Nebelreich das schwächste aller bisherigen Adventure Games ist. Trotz toller Sprecher kippt irgendwann die Stimmung. Die Story hat zwar witzige Einfälle, nervt dann aber. Die Rätsel warfen mich komplett aus der Immersion. Und auch sonst war ich einfach froh, als das Ganze vorbei war. Den Epilog habe ich dann nur noch im Schnelldurchlauf gelesen, weil mich das Wort ENDE dann doch mehr zu einem Jauchzen bewegen konnte als die Geschichte selbst. Schade, denn in dieser Welt steckte eigentlich so viel liebe zum Detail. Für die Zukunft wünsche ich mir wieder etwas weniger von allem, um das Spiel wieder so richtig genießen zu können.
Adventure Games – Im Nebelreich von Chihiro Mori, Matthew Dunstan, Phil Walker-Harding
Macht der Einstieg noch Lust auf mehr, bleibt einem der Brocken bald im Halse stecken. Zu viel Geschichte trifft auf nervige Rätsel, die auch einen Ausflug ins Escape Genre unternehmen. Ein Spiel, das mich mehr genervt, als abgeholt hat.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
Mehr Informationen zu Affiliate Links und Rezensionsexemplaren findet ihr in unserer Übersicht zur Transparenz und in den Bestimmungen zum Datenschutz.
Pingback: Gruselig! Flop 5 Die größten Brettspiel Enttäuschungen 2022