SPIELSTIL Rezension

Escape Tales – Children of Wyrmwood

Lesezeit: 7 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Bartosz Idzikowski, Jakub Caban
erschienen bei Grimspire

Stell dir vor, du wächst in einem kleinen Dorf auf, das von Wyrmwurzeln umgeben ist. Einem bösartigen Gewächs, das jeden in den Wahnsinn treibt, der es berührt. Die Wyrmwurzeln breiten sich immer weiter aus, so dass das Leben von Tag zu Tag gefährlicher wird. Als du eines Tages das düstere Geheimnis des Bürgermeisters erfährst, bist du plötzlich deines Lebens nicht mehr sicher und musst fliehen. Trotz der steten Gefahr durch die Wyrmwurzeln und dem drohenden Wahnsinn.

So beginnt Escape Tales – Children of Wyrmwood, in dem wir Gilbert helfen, sein Schicksal zu erfüllen. Wir haben uns durch dieses Mammut Escape Spiel gerätselt und können euch sagen, ob sich die Anschaffung lohnt.

Es gibt Gefahren, denen zu entfliehen nicht Feigheit ist, sondern höchster Mut, die Kraft, sich selbst zu besiegen.

(Berthold Auerbach)

Escape Tales – Children of Wyrmwood spielt sich wie die beiden Teile zuvor auch. Dennoch ist eine Vorkenntnis nicht nötig. Über die beiliegenden Storyhefte wird die Geschichte erzählt. In den einzelnen Textabschnitten wird zusätzlich angegeben, welche Karten man erhält. Hinter diesen befinden sich nützliche Gegenstände, Rätsel und Räume. Räume können wir über das Ausgeben von Aktionsscheiben erkunden. Heißt, wir markieren einen Teil des Raumes und lesen den zugehörigen Textabschnitt.

Für die Rätsel ist die extra dafür programmierte Homepage zuständig. Möchten wir eines lösen, klicken wir dort auf das zugehörige Symbol und haben dann die Möglichkeit, die Antwort direkt einzugeben. Als Hilfe steht uns ein Button zur Verfügung, mit dem wir abfragen können, wie viele Karten wir für die Lösung benötigen und ein weiterer, um einzelne Hinweise oder gar die Lösung zu erhalten.

Zusätzlich lassen sich über die Homepage Karten kombinieren. Dies nutzt das Spiel natürlich für Inventarrätsel – also um zum Beispiel mit einem Schlüssel eine Tür zu öffnen – oder damit wir erfahren, was unser Charakter über den Inhalt einer der Karte denkt. Neu in Escape Tales – Children of Wyrmwood ist, dass unser Charakter über gewisse Eigenschaften verfügt. Diese können über Karten verändert werden. Gewisse Ereignisse im Spiel fragen diese Werte ab und auch die einzelnen Enden beziehen sich darauf.

Unser Charakter entwickelt sich.

So rätselt man sich Stück für Stück durch das Spiel, bis man eines der Enden erreicht hat. Da man jederzeit speichern kann, ist es auch möglich, nochmals ein Stück zurückzugehen, um die vermissten Rätsel zu finden und andere Enden freizuschalten.

Wo du nicht der Gefahr kannst aus dem Wege gehn, da bleibt dir nichts, als mit Mut ihr entgegenzugehen.

(Friedrich Rückert)



Christian meint:

Nachdem wir von der Story von Escape Tales – Low Memory eher enttäuscht waren, hatten wir gehofft, dass Escape Tales – Children of Wyrmwood hier wieder eine Schippe drauflegt. Und so viel sei schon einmal verraten, die Geschichte funktioniert besser als im zweiten Ableger, dennoch ist Escape Tales – Awakening immer noch mein Favorit. Warum ist relativ schnell beantwortet. Ich mochte einfach das okkulte Setting und das antreibende Element der Geschichte. Man hatte stets das Gefühl, dass es wichtig ist, dass wir uns beeilen, um das Wachkoma der eigenen Tochter zu beenden.

Bei Escape Tales – Children of Wyrmwood ist auch zu Beginn dieser Druck zu spüren. Storytechnisch ist es wichtig, dass wir uns beeilen, doch leider fällt der Druck beinahe genauso schnell wieder in sich zusammen, wie er begonnen hat, nur um im späteren Spielverlauf komplett zu verschwinden. Genauso wie die zuerst suggerierte größte Gefahr im restlichen Spielverlauf keine Rolle mehr zu spielen scheint. Macht nichts, werden sich manche nun denken, schließlich haben wir im Spiel Entscheidungen mit Konsequenzen zu treffen und müssen dann eben auch mit diesen leben. Ehrlich gesagt klingt diese Aussage der Entwickler über das Spiel cooler, als es eigentlich ist. Denn es ist relativ egal, wie wir uns entscheiden. Zumindest die meiste Zeit.

Ja, manch Entscheidung sorgt dafür, dass wir einen eigenen Pfad betreten und andere dafür ignorieren. Häufiger jedoch werden einfach unsere Charakterwerte beeinflusst. Schade, dass man dieses Element nicht sinnvoller eingesetzt hat. Richtig auffällig wurde es an einer Stelle, an der wir uns entscheiden mussten eine Karte (nein, ich sage nicht was) mitzunehmen oder nicht. Uns wurde sogar noch eingetrichtert, dass es gefährlich sein könnte, diese Karte aufzunehmen. Wir haben uns dann dafür entschieden und das komplette restliche Abenteuer nichts mehr davon gehört. Schade, dass man eine derartige Story-Chance so ungenutzt im Boden versickern lässt. Da ist es dann auch weitaus weniger ärgerlich, wenn man eine Entscheidung zu treffen hat, aber einem nicht klar wird, warum man sich für eine Möglichkeit entscheiden sollte und dann eben blind tippt. Aber wenigstens führt alles ans Ziel. Es gibt keine Sackgassen oder Entscheidungen, die wir aus Choose-your-Own-Adventure Büchern kennen, die für einen sofortigen Tod sorgen.

Fehlen uns Aktionsscheiben können wir uns ausruhen oder verausgaben.

Dabei macht die Story von Escape Tales – Children of Wyrmwood so vieles richtig. Allen voran die unterschiedlichen Enden, die diesmal – entgegen dem Vorgänger – so richtig Spaß machen! Ich habe einige Zeit damit verbracht, nur verschiedene Endmöglichkeiten auszuprobieren, um zu erfahren, wie sich die Geschichte entwickeln kann. Das ist richtig gut geworden. Und selbst die negativen Enden machten beim Lesen Spaß. Genau so muss ein storygetriebenes Spiel dann auch sein! Nur von der „erwachsenen Geschichte“, die überall von den Dächern geschrien wird, habe ich eher wenig bemerkt. Aber genau hier muss ich nun aufpassen, dass ich nicht versehentlich zu viel verrate.

Nur so viel sei gesagt, die Geschichte ist eine Abwandlung eines berühmten Hollywoodklassikers, über den ein immens abstruses Fantasy-Setting gestülpt wurde, was dann im letzten Drittel des Spiels eher seltsam wirkt. Vor allem weil hier offensichtlich bewusst wird, dass die Geschichte nur ein Gerüst für das aneinanderreihen von Rätsel ist. Bis auf wenige Details ist die Geschichte dann auch nicht allzu düster. Zumindest dann, wenn man, wie ich, mit den Märchen der Gebrüder Grimm aufgewachsen ist (die allesamt über der Düsternis von Escape Tales – Children of Wyrmwood liegen). Aber eine Geschichte muss ja nicht schrecklich und brutal sein, um erwachsen zu sein. Es genügt auch eine gewisse Komplexität. Aber auch das ist nun nichts, was von Kindern um die 12 Jahren nicht begriffen werden könnte. Also lasst euch nicht allzu sehr von der „erwachsenen“ Geschichte mit wichtigen Entscheidungen beeindrucken. Wie gesagt, die Enden sind richtig klasse! Der Weg dahin besser, als in vielen anderen Escape Spielen, aber dennoch optimierungswürdig und manchmal zu szenenbasiert.

Kommen wir jedoch zum wichtigsten Punkt. Den Rätseln. Das Kernelement eines Escape Spiels, mit dem der Spaß steigt und fällt und den Hauptteil der Spielzeit ausmachen. Die Rätsel variieren von direkt zu durchschauen bis zu extrem verkopft. Je nachdem, wie viel Erfahrung man mit Escape Spielen hat, wird man die Logik dahinter schneller oder langsamer durchschauen. Dabei haben diese auch eine schöne Varianz, sodass genügend Abwechlsung vorhanden ist. Von all den Rätseln waren für mich nur 3 komplett unlösbar. Selbst mit Erklärung und der Lösung selbst habe ich nicht verstanden, wie diese funktionieren sollen oder nicht gesehen, was ich auf dem Bild hätte sehen sollen. Die Integration in die Welt funktioniert recht gut, wobei wir – wie in jeder Fantasy Welt – einfach davon ausgehen müssen, dass gewisse Mechanismen einfach auch nach vielen Jahren ohne Wartung funktionieren.

Manche der Inventarrätsel lockern das Spielgeschehen richtig gut auf. Jedoch sind die meisten eher offensichtlich plump, sodass man keine Probleme hat zu sehen, wo man was einsetzen muss oder eben nicht. Hier ist noch etwas Luft nach oben. Andererseits, wenn ich Inventarrätsel spielen möchte, greife ich eben zu einem Adventure Game oder Cantaloop.

Alles in allem macht Escape Tales – Children of Wyrmwood einen guten Job. Es ist herausfordernd, hat witzige Ideen, Easter Eggs und Scherze, die einen lauthals zum Lachen bringen. Die verschiedenen Enden weisen auf eine neue Qualität des Geschichtenerzählens in Escape Spielen hin, die die Story während des Abenteuers leider nicht ganz aufrecht erhält. Hauptsächlich dadurch, dass Entscheidungen eben doch nicht so wichtig sind, wie es suggeriert wird.

Dir hat die Rezension gefallen? Du denkst wir liegen völlig daneben? Lass uns wissen was du denkst.

Escape Tales – Children of Wyrmwood von Bartosz Idzikowski, Jakub Caban

Wer Escape Tales – Children of Wyrmwood vor allem wegen der Story und den Rollenspielelementen spielen möchte, wird enttäuscht sein. Ansonsten ist es ein grundsolides Escape Spiel mit coolen, unterschiedlichen Enden.

Spielstil – Wertung

Christian:

7/10
Das gefiel uns
  • Die unterschiedlichen Enden sind der größte Pluspunkt.
  • Viele gute Rätsel für Escape Fans.
  • Verwendung der App reisst nicht aus dem Spiel.
Das nicht so
  • Von der Story hätten wir mehr erwartet.
  • Manch Entscheidung soll wichtig sein, fällt aber einfach unter den Tisch.
  • Etwa in der Mitte etwas zäh.
Hier bekommt ihr „Escape Tales – Children of Wyrmwood“

Spiele-Offensive

Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.

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Christian Renkel

Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

So erreicht ihr Christian:

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