SPIELSTIL Rezension

Lacrimosa

Lesezeit: 8 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Ferran Renalias, Gerard Ascensi
erschienen bei Devir, Kosmos

Goethe ist tot, Mozart ist tot und mir geht es auch ganz schlecht. Ich gebe zu, das ist kein allzu guter Witz, aber er geistert mir schon die ganze Zeit durch den Kopf. Außerdem gibt es immer noch schlechtere Methoden, um eine Rezension zu Lacrimosa zu beginnen. Schließlich hätte ich euch auch von einer schlimmen Phase meiner Jugend erzählen können, in der ich begeistert Lacrimosa gehört habe.

Nein, nicht das Werk von Mozart, sondern die Musik der Band, deren Name sich auf Mozarts Requiem bezieht. Gerade das Album Elodia habe ich früher hoch und runter gehört. Während ich diese Zeilen schreibe, habe ich direkt wieder Spotify angeworfen, um mir ein aktuelles Bild zu machen. Was soll ich sagen? Wir machen in unserer Jugend allerhand seltsame Dinge. Lacrimosa gehört zu den harmloseren, zumal die Musik wirklich gut ist. Aber der Weltenschmerz Gesang ist dann doch etwas viel.

Eine Aufnahme vom Lacrimosa Spielbrett inklusive der Schachtel im Hintergrund.Gehen wir aber lieber zurück zu Mozart oder noch besser, dem Brettspiel, über das wir hier heute reden wollen. Denn dieses geht durchaus thematisch ungewöhnliche Wege. Denn wir bauen keine Siedlungen, schippern keine Güter durch die Welt oder bekämpfen mit Superhelden ganze Gegnerscharen. Nein, wir sind Finanziers Mozarts, die nach seinem Tod dafür sorgen wollen, dass sein aktuelles Requiem abgeschlossen wird. Gleichzeitig versuchen wir der trauernden Witwe zu beweisen, dass wir der wichtigste Eckpfeiler im Leben ihres Gatten waren, um in dessen Biografie besonders gut dazustehen.

Das ist mal etwas anderes. Ein großartiges, thematisches Gerüst, das auch dafür sorgte, dass ich überhaupt erst auf das Spiel aufmerksam wurde. Und gleichzeitig das größte Problem, das Lacrimosa mit sich bringt.

 

Die Musik soll auch in der schauderhaftesten Lage niemals das Ohr beleidigen, sondern doch dabei vergnügen, folglich allezeit Musik bleiben.

(Wolfgang Amadeus Mozart)

Das Spielbrett von Lacrimosa ist dreigeteilt. Zum einen haben wir einen Kartenmarkt, auf dem Aktionskarten und Werke Mozarts auftauchen werden. Dann haben wir eine Karte voller europäischer Städte, die die Vergangenheit darstellen soll. In dieser können wir Mozart auf seinen Reisen bewegen. Am unteren Rand ist dann das Lacrimosa Requiem, für das wir mit zwei Komponisten beitragen können.

Das Requiem, welches in Lacrimosa vervollständigt werden muss. Zu sehen sind die Notenblätter samt Holztoken mit Noten. Darunter die Komponisten mit ihren Plättchen.

Lacrimosa: Die einzelnen Sätze müssen noch fertig komponiert werden. Hierfür müssen wir die Komponisten bezahlen. Am Ende gibt es für den Komponisten Punkte, der die Mehrheit eines Satzes gestaltet hat.

Wir haben alle zu Beginn dasselbe Kartendeck, mit dem wir unsere Aktionen und Erträge steuern werden. Am Zug wählen wir zwei der Karten aus. Eine stecken wir von oben in unser Tableau (die Aktion), die anderen von unten (der Ertrag er nächsten Runde). So gehen wir Stück für Stück voran, bis wir vier Aktionen gemacht haben, danach endet die Runde. Dabei haben wir aber nie alle Karten gleichzeitig zur Verfügung, sondern ziehen diese Stück für Stück nach, um nie sicher gehen zu können, was uns zur Verfügung stehen wird.

Die Aktionen in Lacrimosa

Gerne würde ich euch die folgenden Aktionen thematischer erzählen. Aber da das ja eines der Probleme von Lacrimosa ist, muss ich wohl etwas informeller werden. Im Spiel selbst werden wir Erinnerungen aufschreiben. Hierüber können wir neue Aktionskarten kaufen, die mit der Bonuskarte dieser Aktionsphase ausgetauscht werden. Heißt, wir beeinflussen nicht nur, welche neue Aktion wir erhalten, sondern auch welche wir verlieren und welchen Ertrag wir in der nächsten Runde erhalten werden.

Ein Blick auf den oberen Teil des Spielbretts von Lacrimosa. Zu sehen ist der Markt mit Aktionskarten und Opera, sowie der Kartenstapel für den Markt und die Städteplättchen.

Lacrimosa: der Markt oben ist unterteilt in Aktions- und Opuskarten. Je nach Art wird sie nach oben oder unten angelegt.

Wenn wir ein Opus in Auftrag geben, dürfen wir eines der Werke aus dem Markt kaufen. Diese Opera können wir über eine separate Aktion aufführen oder verkaufen, um Geld für unsere Kasse zu erhalten. Schicken wir Mozart auf Reisen, gibt es stets eine Belohnung. In Städten eine direkte, an Königshofen Siegpunktmöglichkeiten für das Spielende.

Zuletzt müssen wir noch am Requiem arbeiten. Hierfür suchen wir uns einen Satz aus und wählen ein Instrument, das uns noch zur Verfügung steht. Zusätzlich müssen wir noch entscheiden, welchen Komponisten wir damit beauftragen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf unsere Belohnung, sondern ist auch wichtig für die Mehrheitenwertung am Ende des Spiels.

Als Ressourcen stehen uns im Spiel neben Geld noch Storypunkte zur Verfügung. Diese unterteilen sich in Talent, Reise und Komposition. Klingt kompliziert, aber im Endeffekt handelte sich hierbei lediglich um Zahlmittel, mit denen wir unterschiedliche Aktionen oder Käufe tätigen.

Das Spielertableau in Lacrimosa. Es gibt einen Abschnitt für Storypunkte, die wir mit kleinen Würfeln festhalten.

Lacrimosa: Die Storypunkte werden mit Würfel festgehalten. Diese verfallen am Ende der Runde. Haben wir Storypunkte als Scheiben, dürfen wir sie behalten.

Neben den während des Spiels gesammelten Punkten, gibt es in Lacrimosa natürlich die übliche Schlusswertung. Hier bekommen wir noch Punkte für Mehrheiten in den einzelnen Requiem Sätzen, erfüllte Königshofplättchen und dem restlichen Geld, sowie übrigen Storypunkten. Wer dann die Nase vorn hat, gewinnt.

Die Musik steckt nicht in den Noten. Sondern in der Stille dazwischen.

(Wolfgang Amadeus Mozart)



Christian meint:

Ich hatte mich sehr auf Lacrimosa gefreut. Zuerst kam jedoch die Hürde der Regeln. Diese hatten mich dann doch etwas ratlos zurückgelassen. Ihr kennt das sicherlich auch aus anderen Spielen, dass ihr nach einer Lektüre der Anleitung grob wisst, wie der Ablauf sein würde. Dieses Gefühl hatte ich bei Lacrimosa nicht. Erst nach etwa der Hälfte der ersten Partie war mir bewusst, was im Spiel eigentlich passierte und warum ich denn überhaupt etwas machen sollte. Dabei ist das Spiel nicht einmal sonderlich Komplex, aber ich denke, die Regeln hätte man doch etwas besser formulieren und strukturieren können. Dann wäre uns vielleicht ein eklatanter Fehler gar nicht unterlaufen.

An der rechten Seite des Lacrimosa Spielertableaus sind die einzelnen Instrumente mit ihren Markern abgebildet. Diese müssen wir auf das Requiem bringen.

Lacrimosa: Uns stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, um das Requiem zu vervollständigen. Aber vorsicht. Die Plätze sind durchaus rar.

Mein Lacrimosa Regelfehler

Ja, es ist jetzt einfach von mir diesen Regelfehler auf das Spiel abzuwälzen. Ich trage meine Teilschuld. Aber eine kurze Definition in der Aktion Erinnerung aufschreiben hätte schon geholfen. Denn hier kaufen wir ja eine neue Aktionskarte aus dem Markt und tauschen diese mit der Karte der Storyleiste aus. Das ist jedoch die untere Karte, nicht die für die Aktion verwendete. Denn hier bricht das Spiel mit seiner Thematik. Denn eigentlich erzähle ich mit meinen Aktionen eigentlich die Geschichte Mozarts und mein Wirken darin. Dennoch ist die Storyleiste diejenige, die uns die Erträge für die nächste Runde liefert.

Mozart gastiert in dieser Partie aktuell in München.

Lacrimosa: Aktuell gastiert Mozart in München. Für die Reise brauchen wir Geld und am Ziel Reisepunkte.

Ist diese Hürde aber erst einmal genommen gibt es nur noch eine Weitere. Die Aktionskarten sehen zwar hübsch aus, doch haben auch sie einen Fallstrick. Die Grafiken für Erinnerung aufschreiben und Opus beauftragen sind zwar unterschiedlich, sorgen jedoch zu Beginn immer wieder für Nachfragen. Welche Aktion wird denn nun mit welcher Karte genau ausgelöst. Später geht das einfacher von der Hand, aber auch hier zeigt das Spiel, dass es nicht optimal ist. Genauso wenig, wie kleine rote Zahlen, wenn etwas zu zahlen ist und schwarze, wenn man etwas bekommt. Für mich sind diese teilweise sehr schwer zu unterscheiden.

Wo ist in Lacrimosa das Thema geblieben?

Wo wir dann schon einmal dabei sind, erst einmal auf die Mängel zu zeigen, kommen wir direkt zum Thema. Dabei muss ich vielleicht erst einmal sagen, dass ich die Geschichte, die mir vorab erzählt wird, richtig gut gefällt. Ich mag die Ausgangslage und meine daraus resultierenden Taten sehr. Nicht nur, weil es etwas anderes ist als sonst, sondern sich auch sehr interessant anhört. Davon ist im Spiel aber leider so gut wie Garnichts spürbar!

Ja wir ziehen mit einer Mozart Figur, führen seine Werke auf und verteilen Notenschlüssel. Aber alles ist so abstrakt, so nichtssagend. Ich weiß, das Problem haben viele Spiele. Aber ich hole dieses Argument sehr selten hervor, da ich sonst im Kern oftmals schon erleben kann, was mir versprochen wird. Bei Lacrimosa ist das jedoch nicht der Fall.

Eine Auslage an gekauften Opuskarten einer Partie in Lacrimosa.

Lacrimosa: Opuskarten kann man für Geld aufführen oder Verkaufen. Wichtig sind aber auch ihre Art, da diese teilweise für Bonusse und die Königshofwertungen verwendet werden.

Fassen wir zusammen. Die Regeln sind nicht optimal, die Bezeichnungen und Grafiken teilweise irreführend und das Thema nicht vorhanden. Aber eine wichtige Frage ist noch offen. Macht das Spiel denn wenigstens Spaß? Zum Glück lässt sich diese Frage ganz einfach beantworten. Ja! Mir gefällt Lacrimosa sehr gut. Ich mag die Zwänge, die durch meine beschränkte Kartenhand entstehen. Ich mag die Optik. Ich liebe die Planungen, die auch mal in die Hose gehen, wenn meine Mitspieler mir mein erhofftes Opus vor der Nase wegschnappen. Und das Wichtigste, obwohl ich normalerweise Mehrheiten hasse, fügen diese sich perfekt in Lacrimosa ein und schaffen es sogar mich anzuspornen.

Die einzelnen Sätze in Lacrimosa zeigen auf, welche Instrumente verwendet werden dürfen.

Die einzelnen Sätze in Lacrimosa zeigen auf, welche Instrumente verwendet werden dürfen. Bleibt nur noch die Wahl des Komponisten. Der Komponist, der am Ende die Mehrheit hat, liefert allen Mitspielern Punkte, die passende Marker platziert haben.

Auch die Optik und das Material an sich empfinde ich – bis auf wenige Ausnahmen – als sehr ansprechend. Besonders über die Wappen der Investoren könnte ich mich jedes Mal freuen. Sie passen so perfekt in die Aussparungen der Spielertableaus, dass es einfach ein Genuss ist. Ja, ich bin mit sehr einfachen Dingen zu begeistern. Aber hier blüht mein Herz einfach auf.

Lacrimosa bringe ich immer wieder gerne auf den Tisch. Die Mischung aus Planung, Timing und direkter Interaktion passt für mich und sorgt immer wieder für interessante Partien. Schade nur, dass das Spiel dann doch nicht die Geschichte erzählt, die einem den Mund wässrig gemacht hat.

Dir hat die Rezension gefallen? Du denkst wir liegen völlig daneben? Lass uns wissen was du denkst.
Das Cover von Lacrimosa zeigt Mozart dirigierend.

Auch wenn Lacrimosa auf einem besonderen Thema aufgebaut wurde, ist von diesem im Spiel leider kaum mehr etwas zu bemerken. Dafür unterhält das Brettspiel jedoch selbst sehr gut, sodass man als Liebhaber des Genres darüber hinwegsehen kann.

Spielstil – Wertung

Christian:

8/10
Das gefiel uns
  • Tolle Optik
  • Spannendes Spiel
  • Euro mit Interaktion
Das nicht so
  • Thema kommt nicht durch
  • Anleitung suboptimal
Hier bekommt ihr „Lacrimosa“

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Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.

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Christian Renkel

Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

So erreicht ihr Christian:

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