„Schlüpfe in die Rolle eines der großen Monarchen der Vergangenheit und beweise Deine Tapferkeit! Du wirst in einem riesigen und reichen Gebiet ankommen, aber der Weg zum Wohlstand ist voller Herausforderungen.“ – So steht es grob übersetzt im Eintrag von Brazil Imperial auf Boardgamegeek. Und was soll ich sagen? Ich bin damit schon am Haken. Mehr musste ich über den Titel erst einmal nicht wissen, um ihn unbedingt spielen zu wollen.
Das ist sozusagen meine Superkraft. Aufgrund kurzer Umschreibungen oder einfach auch mal einem Cover einen dringenden Spielwunsch zu generieren. Und einige Male hat es mich auch schon ziemlich in die Bredouille gebracht. Zuletzt bei Cäsars Imperium. Aber dann gibt es noch die Spiele, die mich durchweg begeistern. Die Vorfreude direkt in wunderbare Spielmomente umwandeln. Da ich gerne unbefangen an Spiele rangehe – damit meine ich, ich durchdenke nicht vorab, ob mir etwas gefällt und was problematisch sein könnte – habe ich das bei Brazil Imperial auch durchgezogen. Und wurde dabei erst einmal enttäuscht.
(Theodore Roosevelt)
Brazi Imperial ist ein 4X-Euro. Heißt wir erkunden, expandieren, nutzen das Gelände aus und vernichten (also explore, expand, exploit und exterminate). Und damit ist das Spiel schon grob beschrieben. Denn wir alle beginnen auf einer variabel aufgebauten Karte in unserer Hauptstadt. Um uns herum gibt es nur den Dschungel Brasiliens, den wir kultivieren möchten. Dazu bauen wir Gebäude, die uns mit Rohstoffen, Geld, Glauben und Wissen versorgen.
Diese investieren wir in weitere Gebäude, Truppen, Gemälde, Waren oder Aufträge. Und da das jetzt etwas schnell ging, schauen wir uns das nochmals Schritt für Schritt an. Gebäude hatten wir bereits und Truppen sollten auch selbsterklärend sein. Mit diesen können wir über den Spielplan ziehen, verdeckte Plättchen erkunden und Felder unserer Mitspieler besetzen, um damit Rohstoffe oder Siegpunkte klauen. Gemälde wiederum versorgen uns mit Zusatzfähigkeiten, die wir für die restliche Partie verwenden können. Mit Waren schalten wir verbesserte Versionen unserer Aktionen frei. Und Aufträge sind nicht nur dafür da, um Siegpunkte zu generieren, sondern auch um die jeweils nächste Epoche – und damit neue Gebäude oder das Spielende – freizuschalten.
Aktionen werden auf dem eigenen Tableau gewählt. Hierzu muss der Marker von der aktuellen Aktion auf eine andere bewegt werden. Heißt, wir können nie zweimal hintereinander dasselbe tun. Dafür erhalten wir für unsere Truppen noch eine Bonusbewegung – zum Beispiel auf ein angrenzendes Waldfeld – was für weitere Planungen sorgt. Ansonsten befinden sich auf unserem Tableau noch Plätze für Truppen, Warenmarker und Paläste. Letztere dürfen wir platzieren, wenn wir eine unserer Aufgabenkarten erfüllt haben. Paläste geben uns einen sofortigen kleinen Bonus und zumeist neue Siegpunktegeneratoren für das Spielende.
Eines muss noch erwähnt werden. Wir hatten ja bereits darüber gesprochen, dass man neue Gebäude bauen kann. Diese sind doppelseitig bedruckt. Dabei unterscheidet sich die Vorder- und die Rückseite. Haben wir die darauf produzierten Rohstoffe aufgebraucht, können wir diese mit der Aktion „Erneuern“ wieder auffüllen. Diese Aktion erlaubt uns jedoch auch das Plättchen vorab zu drehen. So wird dann zum Beispiel aus einer Zuckerrohrplantage eine Kaffeeplantage, was uns Zugriff auf andere Rohstoffe einbringt. Zwar hätten wir diese von Anfang an auch direkt bauen können, jedoch sparen wir uns auf diesem Weg Kosten und erhalten zusätzlich noch Rohstoffe, die wir anders verwenden können. Aber dafür sind wir halt etwas langsamer.
Eine Partie Brazil Imperial endet, wenn jemand eine Aufgabenkarte der dritten Epoche erfüllt hat. Dann kommt es zur Abrechnung. Wer die meisten Siegpunkte generieren konnte, gewinnt.
(Henriette Hanke)
Meine erste Partie Brazil Imperial verlief etwas holprig und unbefriedigend. Wobei, das ist etwas zu hart ausgedrückt. Es war eher eine Mischung aus Verwirrtheit und nicht erfüllter Erwartung. Denn ich hatte natürlich schon einige 4X-Spiele gespielt. Doch dieses fühlte sich nicht so an wie Brazil Imperial. Erwartet hatte ich eher etwas in Richtung Aufrüstung und finalem Showdown auf dem Schlachtfeld in der Mitte. So wie ich es schon viele Male in Eclipse oder Twilight Imperium erlebt hatte. Aber damit tat ich Brazil Imperial keinen gefallen, denn das Spiel verfolgt eher den Ansatz des Wettlaufs im Wirtschaftszyklus. Der Kampf ist zwar vorhanden, aber selten wirklich in seiner Ausführung präsent. Vielmehr gibt es eine stete Drohkulisse. Schließlich ist es selten die Lösung, den Gegner aktiv anzugreifen, was schon allein in der Menge an Truppen sichtbar sein sollte. Viel wichtiger ist es, seine Aufgaben im Blick zu behalten und aktiv auf diese hinzuarbeiten.
Und hierzu muss ich dann eher Rohstoffe jonglieren und die richtigen Gebäude bauen sowie diese erfolgreich betreiben. Gleichzeitig nicht die Gemälde aus den Augen lassen und dafür sorgen, dass ich meinen Mitspielenden nicht doch noch ermögliche, eines meiner Felder zu besetzen und zu blockieren, beziehungsweise meine Rohstoffe zu klauen.
Aber das fühlt sich gleichzeitig richtig gut und spannend an. Denn mit Brazil Imperial haben wir ein richtig episches Euro, das meine Lust am Ausbau befriedigt. Ich sehe, wie ich mich Stück für Stück ausbreite und wie mein Volk immer besser wird. Gleichzeitig habe ich Erfolgserlebnisse, da die Teilaufgaben eben nicht immens schwer zu erfüllen sind. Eine für mich runde Sache, die meinen Geschmack trifft. Nicht ganz so rund ist jedoch die Produktion der Plättchen gelaufen. Die einzelnen Wasserfelder sind zu klein, sodass unschöne Ränder entstehen und das Spielfeld nicht ganz stabil ist.
Was mich jedoch noch etwas ratlos zurücklässt, ist das Versprechen, dass Brazil Imperial ein Kolonialisierungsspiel ohne Kolonialisierungscharakter ist. Also dem Problem, dass wir im Spiel Minderheiten gnadenlos ausnutzen, um uns zu bereichern. Und ich wäre hier nicht darauf eingegangen, wenn Brazil Imperial nicht extra damit werben würde (was nicht bedeutet, dass ich Kolonialisierung nicht per se als problematisch erachte). Aber auch hier sehe ich größtenteils externe Mächte in ein Land einfallen und dieses mitsamt den Bewohnern ausbeuten. Nur weil eine Fraktion Brazilien selbst ist (die übrigens bis auf das Besetzen eines fremden Landes) auch selbst wie fremde Aggressoren agieren, ist für mich die Problematik nicht aufgehoben. Aber gut, wir bekommen im Spiel selbst einen kleinen Hinweis darauf, dass wir es nicht mit Sklaven zu tun haben. Denn wenn man mit Truppen ein gegnerisches Gebäude besetzt hält, weigern sich die Arbeiter für einen tätig zu werden (heißt, wir können keine neuen Rohstoffe generieren). Aber ich überlasse es jedem selbst, ob das einfach eine mechanische oder thematische Entscheidung war. Vielleicht sollten auch die Gemälde das Thema entschärfen. Ich weiß es nicht, aber vielleicht gibt es irgendwen der/die mir das erklären kann.
Kurz ansprechen müssen wir auch den Verwandtschaftsgrad zu einem anderen Spiel. Es gibt diverse Dinge, die Brazil Imperial sich direkt bei Scythe abgeschaut hat. Sei es zum Beispiel der Umgang mit dem Tableau und den Aktionen oder die Rohstoffverwaltung. Aber dennoch spielen sich beide Titel für mich sehr unterschiedlich. Die Welt von Scythe ist beengter und fordert allein dadurch schon militärisches vorgehen. Gleichzeitig hat Brazil Imperial mit den Gebäuden die Möglichkeiten, sich aktiv an der Gestaltung des Bretts und der Rohstoffe zu beteiligen.
Brazil Imperial ist eine durch und durch runde Angelegenheit. Mir gefällt die Epik des Spiels, das durch seine kurzen Aktionen gewürzt und die kniffligen Entscheidungen abgeschmeckt wurde. Ein für mich persönliches perfektes Spiel, das mich immer wieder an den Tisch bringt.
Brazil Imperial von Zé Mendes
Ein durch und durch tolles 4X-Spiel, bei dem es vor allem darauf ankommt seine Aufgaben schneller zu erfüllen, als die Mitspielenden. Schön ist auch zu sehen, dass Kampf keine tatsächlich zentrale/wichtige Rolle spielt und man auch komplett darauf verzichten kann.
Christian:
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