SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Mac Gerdts
erschienen bei PD-Verlag
Ich glaube, ich habe es schon einmal erzählt, aber es passt hier gerade so gut hinein. Mac Gerdts zählt zu meinen liebsten Autoren. Er schafft es für mich wie kaum jemand anderes, tiefgründige Spiele mit sehr wenigen Regeln zu erschaffen. Alles ist in kurzer Zeit aufgebaut und erklärt und dennoch wird man durch die Möglichkeiten direkt in das Spielgeschehen gezogen.
Wenn ich allein an die unzähligen Partien Imperial 2030 denke, in denen es mal nicht primär darum ging, seine Ländereien auszuweiten, sondern sich rechtzeitig Anteile an einer erfolgreichen Nation zu sichern, blüht mein Herz auf. Auch Navegador und Concordia haben einen festen Platz in meinem Spieleregal und werden dieses auch nie verlassen. Da war es natürlich ganz sicher, dass ich vor Freude beinahe hüpfte, als ich auf der Spiel in Essen Crossing Oceans entdeckte. Endlich neues Futter für meine Seele.
Mac Gerdts hat sein 2017 erschienenes TransAtlantic als Vorlage für Crossing Oceans verwendet. Ich würde euch gerne eine große Tiefenanalyse bieten, was sich alles geändert hat, doch da steht mir ein Problem im Weg. Ich habe TransAtlantic nie gespielt. Ja, es mag verwunderlich klingen, dass ich einen Titel eines von mir sehr geschätzen Autoren ausgelassen habe. Aber es hat sich einfach so ergeben. Auf der damaligen Messe habe ich es nur kurz gesehen. Es wollte mich nicht so recht abholen und auch diverse eher mäßige Berichte danach hatten in mir den Wunsch erstickt es haben zu wollen. Ich weiß, wahrscheinlich ein Fehler, den ich irgendwann mal ausbügeln werde.
Nur ein grobes Überfliegen der Anleitung hat ein paar Unterschiede zutage gefördert. Während in TransAtlantic Aktionskarten bestimmten, was man machen kann, ist in Crossing Oceans das Aktionsrad (und die damit verbundenen Konflikte) zentral vertreten. Außerdem gibt es nun einen schicken Spielplan, etwas weniger Aktionsmöglichkeiten und andere Siegpunktbedingungen.
Parallel habe ich ein wenig weitergelesen und auf BoardGameGeek den Vorwurf der Verwässerung des guten Konzepts hinter TransAtlantic gefunden. Es soll zu sehr abgerundet worden sein. Zum Glück habe ich das erst entdeckt, nachdem ich meine Meinung hier verfasst hatte. Denn sonst hätte ich meine erste Partie als noch viel seltsamer empfunden.
(Ludwig Börne)
In Crossing Oceans sind wir Eigentümer von Reedereien und handeln mit großen Dampfschiffen, die wir auf der kompletten Welt zum Einsatz bringen. Dabei müssen wir nicht nur Profit aus ihnen erzielen, sondern uns auch damit herumschlagen, dass sie schlichtweg veralten und verschwinden.
Am Zug müssen wir uns zuerst entscheiden, ob wir eines unserer zuvor erworbenen Schiffe einsetzen oder doch lieber einen Kontrakt erhalten möchten. Kontrakte kann man vielfältig als kleinen Joker einsetzen. Schiffe wiederum bringen nur Geld, wenn sie sich auf dem Spielplan befinden. Doch in jeder Region ist nur begrenzt Platz. Setzen wir ein Schiff eine volle Region ein, wird dort das älteste abgeworfen. Gut, wenn das die Konkurrenz betrifft. Blöd, wenn wir uns selbst aus dem Rennen nehmen.
Danach wählen wir auf dem Aktionsrad aus, was wir tun möchten. 1 – 3 Schritte dürfen wir dabei kostenlos gehen. Für die Abgabe eines Kontrakts bis zu 7. Über die Aktionen können wir neue Schiffe kaufen, Handelsposten errichten, Kohle kaufen oder Geld über unsere Schiffe generieren.
Wichtig dabei ist, dass unsere Dampfschiffe nur Geld bringen können, wenn sie vorher mit Kohle versorgt wurden. Dafür haben wir dann aber vielfältige Möglichkeiten. Über die Flotte erhalten wir Einkommen für all unsere Schiffe auf dem Spielfeld. Einzelne Regionen lassen auch unsere Mitspieler mit abkassieren, belohnen uns jedoch für jeden unserer dort gebauten Handelsposten. Über Cargo lassen wir uns mit großen Schiffen massiv Gewinne über deren Tonnage auszahlen. Zuletzt gibt es dann noch die Wettfahrt um das blaue Band, das nur das schnellste Schiff im Nordatlantik gewinnen kann.
Doch wozu das Ganze? Natürlich für Siegpunkte. Hauptsächlich erhält man diese über eine Kombination aus zwei Dingen. Gekaufte Schiffe fahren nämlich unter einer von fünf Flaggen. Diese Flaggen stehen jeweils für eigene Wertungsspalten auf unserem Tableau. Mit jedem gebauten Handelsposten, erschlossener Kohlemine oder gewonnenem blauem Band steigern wir die Siegpunkte, die wir pro gesammelter Flagge dieser Art am Spielende erhalten.
Das Spiel endet, sobald der Schiffsmarkt-Nachziehstapel aufgebraucht ist. Danach werden noch drei weitere Runden absolviert. Wer dann die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt.
Die komplette Spielregel zu Crossing Oceans findet ihr hier. (externer Link)
(Sprichwort)
Einer meiner Grundsätze hat sich wieder einmal bestätigt. Urteile über ein Spiel nicht, wenn du es nur einmal gespielt hast. Hätte ich das bei Crossing Oceans gemacht, hätte es weit schlechter abgeschnitten. Denn die erste Partie lief alles andere als rund. Das Geld wollte nicht so richtig reinkommen, der Schiffsmarkt hatte weit mehr Angebote abgeworfen, als wir überhaupt kaufen konnten und auch so hat das Spiel immer wieder leichte Rucke durchzogen. Ein Moment, in dem man dann schon halb entsetzt vor dem Spielbrett sitzt und sich fragt, was da eigentlich mit einem der persönlichen Lieblingsautoren passiert ist.
Dann kamen die Partien zwei und drei. Mit ihnen und meiner wachsenden Erfahrung lief das Spiel immer runder. Es entwickelte sich ein Wettkampf um Technologie, Verdrängung und dem Abschätzen der Mitspielenden, ob es sich lohnt, irgendwo mit abzukassieren. Zusätzlich rückte das richtige Timing immer weiter in den Vordergrund. Wann sollte ich einen Handelsposten errichten? Wird jemand eine Region werten und sollte ich dann dort mit einem Schiff voll Kohle bereitstehen? Wie wird sich der Schiffsmarkt entwickeln und wann kann ich günstig genug einkaufen, ohne dass andere mir mein begehrtes Objekt vor der Nase wegnehmen?
Weiter ging es und mit jeder Partie gefiel es mir immer mehr. Denn sind alle drin, spielt es sich sehr knackig mit Entscheidungen, die sich einfach wichtig anfühlen. Aktionen, die belohnen und nur wenig Zufall zulassen. Herrlich.
Einzig eines fiel uns dabei auf. Es schien immer derjenige Spielende zu gewinnen, der ein bestimmtes Schiff (am Anfang des letzten Drittels) ergattern konnte. Dieses ist zwar relativ teuer, hat aber eine sehr hohe Tonnage und erbringt so ohne große Probleme viel Einnahmen, die man dann wieder für neue Schiffe (und somit Flaggen) verwenden kann.
Doch dann ging es weiter und es wurde immer mehr optimiert, weswegen dieses Schiff dann zwar noch ein sehr lukrativer Bonus, aber nicht mehr spielentscheidend war. Crossing Oceans verwandelte sich für mich also vom hässlichen Entlein in einen schönen Schwan. Also bildlich gesehen.
Witzigerweise hat Crossing Oceans sogar meiner Familie sehr gut gefallen. Mein Sohn steht sowieso auf große Schiffe und hat dann auch liebend gern den beiliegenden kleinen Ratgeber über die Dampfschifffahrt der damaligen Zeit verschlungen. In diesem befinden sich keine Informationen, die einem Vorteile im Spiel verschaffen, aber allerlei Hintergrundinformationen zu den Schiffen, die in Crossing Oceans vorzufinden sind.
Ein tolles Spiel, dessen einzige negativen Aspekte im Kern sind, dass es sich irgendwie immer gleich spielt und das Thema äußerst abstrakt stattfindet. Denn das Spielbrett besteht reduziert aus Regionen und darin Schiffen mit vielen Zahlenwerten. Auch bin ich von Geldscheinen als Währung im Spiel wenig angetan. Ich empfinde sie als Hindernis in einem sauberen Spielablauf, obwohl es sich natürlich gut anfühlt, wenn der Stapel wächst. Aber ich war auch bei Crossing Oceans froh, dass ich mir irgendwann Pokerchips als Ersatzwährung angeschafft hatte.
Dennoch ist Crossing Oceans für mich ein toller Wettlauf im Zeitalter der Dampfschiffe. Nur ab und an würde ich mir wünschen, dass sich auf dem Spielbrett auch etwas bewegt, damit nicht alles so extrem statisch wirkt.
Eines sollte man noch erwähnen. Für Menschen, die bereits TransAtlantic ihr Eigentum nennen gibt es ein etwas günstigeres Upgrade-Kit, damit man dieses in Crossing Oceans verwandeln kann.
Crossing Oceans von Mac Gerdts
Vielleicht nicht die Liebe auf den ersten Blick, aber ein tolles Spiel, wenn an es mal durchschaut hat. Es benötigt trotz des schnellen und kurzen Spielablaufs wichtige Entscheidungen. Ein belohnender Wettlauf, dem auf Dauer dann nur etwas Abwechslung fehlt.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Denny Crane
Mmh, zu meinen Amiga Zeiten habe ich gerne ports of call gespielt. Daher würde mich das Setting schon sehr ansprechen. Aber die abstrakten Punkte lassen mich nicht meine rosarote Nostalgie Brille aufsetzen. Aber ich behalte es mal im Hinterkopf
Christian Renkel
Du kennst das Angebot. Komm vorbei, ich bau schon mal auf. 😁
Denny Crane
Mmmh..ich guck mi mal Zugverbindungen an
Ggf nehme ich dich beim Wort 🙂
Christian Renkel
Sag nur rechtzeitig Bescheid. 🙂
Robby
Hallo Christian,
Danke für die Beschreibung des Spieles. Mit meinem Sohn bin ich voll im Oceans-Fieber, aber uns sind da zwei Fragen zum Umgang mit der Kohle gekommen…vielleicht hast Du einen Gedanken dazu:
(1) Was passiert mit der Kohle von Schiffen, die aufgrund des Alters aus dem Spiel genommen werden? Geht sie verloren? Kommt die auf das neue Schiff? Kommt sie zum ursprünglichen Besitzer?
(2) Hat man als Spieler eine Art Kohledepot? Oder muss alle Kohle direkt auf die Schiffe verteilt werden? Und kann die Kohle zwischen den Schiffen verschoben werden?
Bin gespannt, welceh Gedanken Du dazu hast.
Viele Grüße aus Korntal
Robby
Christian Renkel
Hallo Robby,
schön, dass dir der Artikel gefallen hat und auch ihr vom Oceans-Fieber gepackt seid. 🙂
Deine Fragen kann ich beantworten, denke ich.
(1) In den Regeln auf Seite 2 steht: „Wird ein Schiff ersetzt, so passiert folgendes: Die gesamte Kohle des ersetzten Schiffs wird in den allgemeinen Vorrat zurückgelegt.“ – Der abschnitt findet sich ganz oben in dem blauen Kasten im rechten Abschnitt. Somit ist die Kohle leider futsch.
(2) Auch hier helfen die Regeln Seite 5: „Kein Dampfschiff darf mehr als 3 Kohle haben. Falls du noch Kohle übrig hast, verfällt diese.“ Also nein, du darfst, wenn du Kohle erhältst diese gleichmäßig auf deinen Dampfschiffen verteilen, aber es besteht kein Depot oder die Möglichkeit diese nachträglich umzuverteilen.
Ich hoffe das hilft dir weiter. Sollten wir uns mal begegnen bin ich gerne zu einer Partie bereit.
Liebe Grüße aus dem Allgäu
Christian