SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 8 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Daniele Tascini, Simone Luciani
erschienen bei Giant Roc
Die T-Serie macht einen Ausflug nach Europa. Natürlich bleibt sie in der Vergangenheit, kommt aber ein “paar” Jahre in Richtung Jetztzeit. Wir sind in Belgien während der Renaissance. Wir starten mit unseren Händlern und Architekten in Tiletum (heute Tielt) die Reise durch Europa. Warum gerade Tiletum? Keine Ahnung. Ich gehe vom “T” im Namen aus. Man will wohl dem Seriennamen treu bleiben.
(Michel de Montaigne (1533 – 1592))
Eine Partie Tiletum geht über 4 Runden. Jede Runde ist im Wesentlichen zweigeteilt. Zuerst kommen die Aktionen, danach wird noch das Rundenziel bzw. der Jahrmarkt gewertet.
Ist man am Zug, nimmt man einen Würfel. Dafür gib es Ressourcen von der Art, die der Würfelfarbe entspricht und so viele wie der Würfel Augen hat. Tiletum arbeitet mit Haupt- und Unteraktionen. Die Augenzahl bestimmt die Aktion selbst und wie viele Unteraktionen man ausführen kann. Mit jedem Würfel erhält man 7 – Würfelzahl Aktionspunkte (Beispiel: bei einer 3 auf dem Würfel bekomme ich 4 Aktionspunkte). Für jede Unteraktion gibt man eine gewisse Anzahl von Punkten aus.
Mit den Aktionen bewege ich in Tiletum meinen Händler oder den Architekten übers Land, baue Häuser und Säulen für Kathedralen in den Städten oder nehme mir Bonusplättchen von der Karte. Man baut sein Tableau aus, indem man sich Leute und Wappen in seine Häuser holt oder Aufträge einlöst, die man sich vorher gesichert hat. Voll belegte Häuser auf dem Tableau schalten weitere Häuser und erledigte Aufträge Säulen frei. Diese kann man später auf der Karte verwenden. Eine Aktion erlaubt, in der Gunst des Königs zu steigen, eine andere kann die anderen Aktionen kopieren.
Viele Aktionen erzeugen in Tiletum Boni, die man direkt oder je nach Bonus später einsetzt. Damit kann man in einem Zug mehrere Aktionen ausführen.
Am Ende der Runde wird die Position auf der Korruptionsleiste / Gunst des Königs gewertet. Hier gibt es sowohl Abzug als auch Zugewinn an Siegpunkten. Die Position bestimmt auch die Spielerreihenfolge für die nächste Runde.
Außerdem wird der Jahrmarkt gewertet, das ist sozusagen der Auftrag für diese Runde. Beispielsweise gibt es Siegpunkte für jedes Set eines Hauses und einer Säule auf der Karte, für erfüllte Aufträge oder für jedes Wappen auf dem Tableau.
Die Wertung am Ende schließt eine Partie Tiletum dann ab.
(Niccoló Machiavelli
(1469 – 1527))
Tiletum hat Würfel, was zu erwarten war. Die Macher der T-Serie scheinen auf einer Mission zu sein: “Wozu kann man Würfel noch in einem Spiel verwenden?”. Die Konzepte gingen dabei sehr unterschiedlich auf. In Tekhenu führte es dazu, dass der Spielfluss fürchterlich holperte, weil man die Würfel regelmäßig neu um einen Obelisken positionierte. In Teothihuakan funktionierte es gut, dort waren es die Arbeiter und zeigten deren Stärke / Alter an. In Tiletum, repräsentiert die Farbe eine bestimmte Ressource und die Augenzahl die Aktion. Das spielt sich wie ein invertierter Worker Placer. Ist ein Würfel genommen, ist er für diese Runde aus dem Spiel. Da die Würfel jeweils zu Beginn einer Runde neu geworfen werden, ergeben sich jedes Mal neue Kombinationen aus möglichen Aktionen und Ressourcen. Häufungen der Würfel auf eine Aktion haben wir bisher eher als Regel erlebt. Eine gleichmäßige Verteilung war bisher seltener. Nicht so selten sind “lustige” Kommentare nach dem Würfelwurf. Vor allem dann wenn eine wichtige Aktion nur einen oder zwei Würfel bekommt. Welche Aktion in Tiletum gerade wichtig ist, ändert sich auf der einen Seite durch die Situation des Spielenden als auch durch die Rundenziele. Gerade die Ziele verändern den Verlauf von Partien sehr stark. Beispielsweise hat man in einer Partie ein Tableau mit vollen Häusern, so bekommt man in der nächsten nur ein paar Leute untergebracht.
Wer schon so viele Spiele mit Würfeln in so vielen Ausprägungen gemacht hat, hätte vielleicht auch auf die Farbwahl achten können. Sind die Lichtverhältnisse nicht optimal, braucht man entweder einen 500W Baustrahler (ich übertreibe) oder man nimmt sich öfter mal den falschen Würfel.
Wer an der Reihe ist, nimmt in Tiletum nicht einfach nur einen Würfel, die Ressourcen und führt die Aktion aus. Es gibt noch andere Möglichkeiten an Aktionen und Ressourcen zu kommen, wie zum Beispiel die Bonusplättchen, Bewohner der Häuser oder Aufträge. Hier wird es dann richtig spannend. Gut geplant, kann man mit dem Würfel und den weiteren anderen Plättchen ein regelrechtes Kombofeuerwerk abbrennen.
Natürlich beginnt alles mit der Wahl des Würfels. Oft genug ist die Jokeraktion (Kopieraktion) attraktiver als die eigentliche Aktion. Dort können noch die richtigen Farben liegen oder / und das Verhältnis Anzahl Ressourcen vs. Aktionspunkte ist besser. In Tiletum steht man oft vor dem schönen Dilemma viele Ressourcen zu bekommen oder viel machen zu können. Auf der anderen Seite erlauben die Plättchen sehr oft einen Zug, den man schon abgeschrieben hatte, weil der “richtige” Würfel schon weg war. Um die Ecke denken und alle Optionen abzuwägen, lohnt sich wirklich. Auffallend war, dass die Downtime mit mehr Spielenden nicht unangenehm anstieg.
Tiletum macht richtig Spaß. Ja, schon. Aber, nur zu zweit. Wer an dritter oder vierter Stelle kommt, hat anfangs ein paar Goldmünzen mehr mit denen er zum Beispiel die Würfel ändern kann. Das ist nett hilft aber nicht viel. Denn wenn die ersten zwei Spielenden richtig gute Powermoves gemacht haben, sind schon einige Plättchen vom Brett verschwunden. Ein Nachteil der kaum einzuholen ist. Nicht selten läuft man den Heuschrecken übers Land hinterher. Es gibt durchaus Möglichkeiten dem auszuweichen, aber das kostet Ressourcen oder die Königsaktion. Wer die Königsaktion nimmt empfindet dies meistens als vergeudeten Zug.
In Partien zu zweit hatten wir immer den meisten Spaß mit Tiletum. Der Startspielervorteil tritt hier nicht so stark in der Vordergrund. Jeder hat die Möglichkeit, sich auszubreiten und starke Kombination zu spielen.
Tiletum spielt in der Renaissance, wir sind Händler oder eher Händlerfamilien. Das Material und das Brettspiel schauen stimmig aus und unterstreichen das Thema. Das Spiel selbst findet einerseits auf dem Brett statt, dort bewegt man seinen Händler und den Architekten oder baut Handelshäuser und Säulen. Andererseits holt man sich auf das Tableau Verträge, Wappen und Leute. Alle drei gehen erst ins Lagerhaus und dann an ihren Bestimmungsort. Ich mag die Mechaniken, sie sind gut, aber nicht extrem verzahnt und das Spiel ist nur anfangs verkopft. Nach den ersten Partien läuft es flüssig.
Das Thema selbst ist in Tiletum eher Staffage, das konnten andere Spiele aus der T-Serie besser z. B. Tabannusi. Einerseits spielt man mit der Mechanik nicht das Thema. Diese Zweiteilung gibt es in vielen Spielen. Sie behindert den Einstieg in das Spiel, weil der logische Bezug zwischen Mechanik und Thema fehlt. Zum anderen sind es Details, die aber auch zum großen Ganzen gehören. Da ist die Korruptionsleiste, auf der man sich mit der Königsaktion bewegt. Der König oder Korruption hat genau genommen keinen Bezug zum Rest des Spiels. Ja man bekommt Siegpunkte durch die Leiste dazu oder sogar abgezogen und ja, die Spielerreihenfolge wird dadurch bestimmt. Trotzdem fühlt sie sich nachträglich aufgepfropft an. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum viele diese Leiste nicht bespielen wollen.
Wir unterstützen den Bau von Kathedralen in ganz Europa. Schöne Idee. Dazu reist unser Architekt durchs Land und verteilt Säulen an den Baustellen. Wer dann aber meint, dass er damit die Kathedrale schon unterstützt hätte, liegt falsch. Er hat jetzt erst ein “Ticket” / die Erlaubnis dazu. Wenn wirklich Steine ausgegeben wurden gibt es das Plättchen und die Siegpunkte. Die Korruptionsleiste und die Säulen sind Unstimmigkeiten über die man gut hinwegschauen kann. Auf der anderen Seite hole ich mir Leute für meine Häuser vom Brett aufs Tableau. Kein Problem. Damit ich sie dann in die Häuser legen kann, müssen die Menschen erst mal ins Lagerhaus. Vielleicht ist es nur der Name, trotzdem finde ich das thematisch echt unglücklich.
Tiletum von Daniele Tascini, Simone Luciani
Interessantes Spiel, um die Wahl der richtigen Aktion und Ressourcen. Tiletum glänzt mit starken Kombos die man in einem Zug spielen kann. All das ergibt ein feines Spiel, das aber eigentlich nur zu zweit für alle schön zu spielen ist.
Robert:
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