SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Dávid Turczi
erschienen bei Giant Roc
Willkommen zum neuesten Spitzenkandidaten für Spieletitel, die man ohne Nachhilfe beim Logopäden kaum über die Lippen bringt und einen Gedächtniskurs braucht, um ihn sich zu merken. Tawantinsuyu, ein Titel aus der T-Serie, dieses Mal von David Turci. Die Herren Turci und Tascini machen sich wohl einen Sport daraus, allein schon mit den Namen der Spiele aufzufallen. Tawantinsuyu ist aber nicht nur ein Zungenbrecher, sondern hat seine Berechtigung. Kleiner Ausflug: In Quechua, der damaligen Landessprache, ist tawa vier und -ntin ein Suffix, das eine Gruppe bezeichnet, so dass ein Tawantin ein Quartett ist, in diesem Fall die vier Suy („Regionen“ oder „Provinzen“). Hier der Wikipedia Artikel in dem man das nachlesen kann.
Die T-Serie hat es mir angetan, so habe ich Euch vor kurzem erst Tekhenu vorgestellt. Aus der gleichen Serie steht Tzolk’in bei uns ebenfalls noch hoch im Kurs.
(Sprichwort)
Eine Partie Tawantinsuyu geht über drei Feste hinweg, während die ersten zwei eine Zwischenwertung markieren, läutet das letzte die Endwertung und das Spielende ein. Wer dann die meisten Punkte hat, gewinnt. Die Inkas schmeißen ihre Party, sobald der letzte Meeple aus dem Dorf rekrutiert wurde. Rekrutieren ist eine Option, die man am Ende seines Zuges hat, daher ist die Anzahl der Runden einer Partie unterschiedlich.
Ist man am Zug, wählt man aus zwei Optionen.
Nummer eins, einen Inka auf dem Spielplan einsetzen. Dazu benötigt man einen Meeple im Vorrat, eine Gotteskarte mit dem gleichen Symbol des Feldes, auf das der Meeple soll und Nahrung. Je weiter entfernt der Arbeiter vom Hohepriester in der Mitte des Spielfeldes ist, desto mehr Nahrung in Form von Mais oder Kartoffeln braucht er.
Die Symbole um das gewählte Feld zeigen die möglichen ausführbaren Aktionen, die man hier Aufgaben nennt, an. Hier kann man Ressourcen bekommen, Statuen, Treppen oder Häuser bauen, mit einem Gebäude produzieren oder Teppiche erwerben. Die Anzahl der Aufgaben, die man durchführen darf, ist abhängig vom Meeple selbst und seinen Nachbarn.
Als zweite Option darf man zwei verschiedene Inka-Aktionen ausführen. Dazu gehört, Gotteskarten oder Kriegskarten ziehen, Nomaden rekrutieren und den Hohepriester in der Mitte um ein oder zwei Felder bewegen und dann die Aktion des neuen Feldes durchführen. Auch hier gibt es einen Blumenstrauß an verschiedenen Aktionen, man erobert in einer der vier Regionen, man opfert Mais oder eine der gebauten Statuen, um in der Gunst der Götter aka Leiste (Terra Mystica anyone?) zu steigen, in allen Häusern auf einmal produzieren oder man kann verwendete Häuser und Karten auffrischen. Hier können Mitspieler meistens eine schwächere Version der Aktionen ebenfalls ausführen.
Die komplette Spielregel zu Tawantinsuyu – Das Inkareich findet ihr hier. (externer Link)
(William Shakespeare)
Das erste, was man bei Tawantinsuyu wahrnimmt, ist das Spielbrett. Es ist groß, nicht ganz MicroMacro: Crime City, aber es hat auf den ersten Blick durchaus Wimmelbildcharakter.
Das zweite sind die Regeln. Schnell hat man den generellen Ablauf umrissen, aber der Teufel ist hier echt ein Eichhörnchen. Auch hier wimmelt es von einzelnen Besonderheiten, Optionen oder speziellen Regeln für Aktionen. Während der ersten Partien entdeckt man durchaus noch Neues bzw. hat ein Detail vergessen und merkt, dass man es bisher falsch gemacht hat. Wen das nicht stresst, der wird mit einem Spiel belohnt, das einem viele Freiheiten und Möglichkeiten gibt.
Ist man am Zug, hat man die köstliche Qual der Wahl und die Analysis Paralysis lauert schon an der nächsten Ecke. Platziere ich einen Meeple, oder lieber doch die Inka Aktion? Wenn ein Meeple, wo? Was geben meine Karten her?
Da ist das Spielfeld Freund und Feind zugleich, durch die vielen Möglichkeiten findet man meist etwas Adäquates, auch wenn man nicht die richtige Karte zur Hand hat. Doch ein leichter Zweifel bleibt, ob man nicht etwas übersehen hat – Wimmelbild halt. Zum Glück ist der Plan durch die 3 Terrassen gut strukturiert und die Aufgaben sind auch so aufgeteilt, dass man sich von oben nach unten arbeitet. Je mehr Gotteskarten man auf der Hand hat, umso mehr Optionen und umso länger dürfen die Mitspieler dann auch warten, bis man eine gute Position gefunden hat.
Die Terrassen des Tempels nehmen den meisten Platz auf dem Spielplan ein, es verleitet dazu die für den Sieg essenziellen Inka bzw. Hohepriester Aktionen zu vernachlässigen. Sie sind auch eher unscheinbar, im Wesentlichen sieht man davon nur die Hohepriester im Fünfeck tanzen. Zwei der vier großen Siegpunktquellen können aber nur darüber angezapft werden. Zum einen die Eroberungen in den namensgebenden, 4 Regionen. Löst man diese Aktion aus, erobert man nicht allein, die anderen Spieler haben ebenfalls die Möglichkeit, am Brandschatzen teilzunehmen. Schön gemacht, da hier etwas Interaktion in das Spiel kommt, denn Siegpunkte winken dem, der am häufigsten in einer Region erobert hat.
Zum anderen kann man den Göttern Mais oder Statuen opfern, beides bekommt man nur über die Arbeiter auf den Terrassen. Dies ist tatsächlich die einzig starke Verknüpfung zwischen den Inka- / Hohepriester Aktionen und den Meeples auf den Terrassen.
Als dritter Weg zum Ruhm bieten sich die Teppiche an. Eine Mischung aus Set Collection und Domino. Je länger der Teppich aus unterschiedlichen Mustern ist, desto mehr Punkte gibt es. Hat man dann noch die Symbole passend aneinandergelegt, bekommt man auch noch Boni in Form von Ressourcen, Siegpunkten oder Ähnlichem.
Gerade bei drei oder vier Spielern ist es oft angebracht, an allen drei Möglichkeiten teilzunehmen. Besonders bei den Eroberungen wird man schnell abgehängt. Die Mehrheiten sind dann plötzlich fest definiert, sollte man zu zaghaft reingegangen sein. Zu guter Letzt, vielleicht sogar am wichtigsten, die Statuen, die man anfangs auch eher stiefmütterlich behandelt. Zum einen geben sie einem direkt beim Bau Punkt und man kann sie zusätzlich auf der Gottesleiste einsetzen. Ein Fehler also, wenn man sich darum nicht kümmert, neun Punkte, die man für eine große Statue einsacken kann, ist ein echter Brocken. So ist es nicht unüblich, dass gerade bei 3 oder 4 Spielern sich eine Partie in verschiedene Wettrennen aufteilt, um die letzten paar Statuen oder um eine der vier Regionen. Was neben dem Knobeln noch Würze ins Spiel bringt.
Sind die Regeln verinnerlicht und hat man die ersten Runden hinter sich, kann man das Spiel durchaus begreifen und durchdringen. Es ist angenehm anspruchsvoll, verzeiht auch mal einen Fehler, macht Spaß in jeder Besetzung, wobei ich den Sweet Spot bei 3 Spielern setzen würde. Obwohl das Spiel nicht wirklich viel neu macht, das Thema altbekannt ist, die Verzahnung der Mechanismen nicht überragend ist, hatte ich nach wie vor Spaß an den letzten Partien und werde auch gerne weitere spielen.
Tawantinsuyu – Das Inkareich von Dávid Turczi
Robert:
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RALF BRECHTEL
Hi, da steig ich aus. Die Spiele mit Materialschlacht sind so gar nicht mein Ding.