SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Julian Courtland-Smith
erschienen bei Zygomatic
Ich bin ein Kind der 80er und von diesen entsprechend geprägt. Nehmen wir mal Survive the Island als Beispiel. Ein Blick aufs Spielfeld hat bei mir direkt die Erinnerung an den Schmidt Spiele Klassiker Atlantis hervorgerufen. Das Spiel mit viel Plastik und dem herrlich überdrehten High-Fantasy-Cover. Ach, was habe ich diese Cover geliebt! Kein Wunder, dass ich damals direkt beim schwarzen Auge gelandet bin, als ich meine ersten Rollenspielerfahrungen gesammelt habe. Was wiederum daran lag, dass wir in der Allgäuer Provinz einen Spielwarenladen hatten, der die Abenteuer auch geführt hat. Aber ich drifte nun komplett ab. Ob das ein Zeichen für das fortgeschrittene Alter ist?
Kommen wir lieber zurück zu Atlantis. Ich weiß noch, wie wir das früher immer und immer wieder gespielt haben. Wie wir unsere Figuren auf Boote retteten, nur um von Oktopussen, Haien und Seemonstern aufgehalten zu werden. Die tosenden Wellen, die sinkende Insel, die Rettung der eigenen Leute. Ein magisches Kopfkino in seiner vollen Pracht. Vor ein paar Jahren hatte ich mir dann Atlantis wieder besorgt und zwei Dinge festgestellt.
Erstens, das Cover ist immer noch toll. Ein Guilty Pleasure, aber da stehe ich drüber. Zweitens, das Kopfkino wollte sich nicht mehr so recht einstellen. Das Spiel war ok, aber die Fallhöhe meiner Erinnerung hatte ihr übriges getan und das Spiel auf dem Riff zerschellen lassen. Das Rad hatte sich gedreht und Atlantis hinter sich gelassen.
Doch dann kam die Ankündigung zu Survive the Island, welches das altbekannte Spielprinzip mit ein paar frischen Ideen aufzupeppen versucht. Und so stürzte ich mich erneut auf die sinkende Insel, um die Gefühle meiner Kindheit wieder aufleben zu lassen.
(Godzilla)
Die Insel sinkt! Blöd nur, dass wir immer noch drauf stehen. Blöder, dass sich diverses Getier noch daran gemacht hat, uns aufzuhalten! Wie soll das nur enden? Können wir uns ein rettendes Floß schnappen und entkommen? Oder werden wir dabei von Kaiju, Seeschlange und Hai aufgehalten?
Doch beginnen wir lieber von vorn. Eine zufällige Insel wird aufgebaut, auf welcher wir unsere Figuren verteilen. Auf der Unterseite befindet sich ein Punktewert, den wir vor unseren Mitspielern geheim halten. Mit etwas Glück können wir uns auch merken, wie wertvoll die einzelnen Überlebenden sind. Am Zug dann dürfen wir uns bewegen. Einzelne Schritte auf der Insel oder mit dem Floß, sofern wir die Mehrheit der Ruderer innehaben sollten.
Im Anschluss müssen wir noch ein Inselteil entfernen. Auf dessen Unterseite befinden sich Ereignisse. So können neue Ungeheuer oder ein Floß erscheinen. Alternativ ein Strudel, der alles um sich herum in die Tiefe reißt oder eine Aktion, die wir uns für später aufheben können. Zum Abschluss werfen wir noch den Monsterwürfel und dürfen dann eines der Monster verwenden. Haie schwimmen durch das Wasser und fressen Schwimmer. Seeungeheuer versenken das Floß und fressen Schwimmer. Kaijus zertrampeln das Floß, verdrängen aber Überlebende nur. Taktisch genutzt lässt sich damit allerhand Bösartiges anstellen. So kann ein Kaiju zum Beispiel über Land gehen, Überlebende vom Inselteil in das Meer schubsen und damit direkt einen Hai füttern, der sich vor Ort befindet.
Das Ziel ist es nun, seine Figuren auf die Inseln in den Ecken des Spielbretts zu bringen. Dort sind sie gerettet. Am Spielende werfen wir dann alle einen Blick unter die geretteten Figuren. Die darauf angegebenen Siegpunkte werden addiert und wer die meisten hat, gewinnt.
Die komplette Spielregel zu Survive the Island findet ihr hier. (externer Link)
(Godzilla)
Das erste, was mir beim Auspacken von Survive the Island aufgefallen ist, waren die tollen Monster Figuren! Alle sind aus Holz und mit wenigen Details bedruckt. Aber die reichen aus, um mich richtiggehend zu begeistern! Ja, ich mag ein einfaches Gemüt haben, aber mein Wunsch nach weiterem Material dieser Art ist definitiv geweckt. Dagegen sehen die restlichen Spielfiguren aber leider auch nur nett aus. Funktional, aber nicht wirklich besonders. Genau wie die Flöße. Schade, dass hier nicht alles wie aus einem Guss wirkt. Spielerisch hat das zwar keinen Einfluss, aber wir sind alles optische Geschöpfe und das wäre dann ein perfektes Sahnehäubchen gewesen.
Spielerisch ist vieles beim alten geblieben. Immer noch versteckt sich bei Survive the Island ein relativ einfaches Spiel, das den Spannungsbogen nicht über die komplette Partie aufrecht halten kann. Es dauert teilweise einfach zu lange für das, was es bietet. Wobei man eines sagen muss. Die Sonderaktionen, die man über die Inselplättchen gesammelt hat, haben dem Spiel gut getan. Diese bereichern den Spielablauf.
Der absolute Star des Spiels sind unbestritten die Bösartigkeiten, die man entwickeln kann. Es ist einfach herrlich, wen man seinen Mitspielern gehörig in die Suppe spucken kann. Davon lebt das Spiel, das bringt Emotionen. Leider sind diese Momente dann doch viel zu selten. Schließlich hat man nur wenige Bewegungspunkte zur Verfügung und kann selten gezielt genau das Monster verwenden, das man für den optimalen Zug benötigen würde.
Was bleibt, ist weiterhin ein nettes Spiel, das bei mir einen gewissen Nostalgiefaktor mit sich bringt. Weniger gut ist es bei meiner Familie angekommen. Die war froh, als die Tests endlich abgeschlossen waren und wir uns wieder anderen Titeln zuwenden konnten. Aber auch bei mir bemerkte ich, dass sich nach anfänglicher Euphorie gewisse Ermüdungserscheinungen eingefunden haben. Ja, Survive the Island ist kein schlechtes Spiel. Aber dennoch fehlt einiges an Würze. Punkten kann es mit dem einfachen Einstieg und dass man eigentlich schnell alle am Tisch integrieren kann.
Das Element der unterschiedlichen Punkte bei den Spielfiguren empfinde ich als eher unnötig. Natürlich nimmt es dem Spiel dadurch die Berechenbarkeit des Ausgangs, aber es bringt keinerlei zusätzliche Spannung mit sich. Denn gezieltes Taktieren gegen die Figuren, die meinen Mitspielern vermeintlich am meisten Punkte bringen werden, ist zumeist unmöglich. Das macht die Punkte dann eher irrelevant.
Ich hatte es oben ja schon erwähnt, Survive the Island kann man gut mitspielen und ich würde es auch immer wieder. Aber auf Dauer hätte ich dann doch gerne mehr. Mehr Bösartigkeiten, mehr gewitzte Züge, mehr Spannungsbogen. Denn so plätschert eine Partie zwar schön vor sich hin, aber am Ende fehlt dann doch etwas, das Survive the Island nicht erfüllen kann. Hat man in der Partie Spaß? Ja, aber es ist doch noch viel Luft nach oben.
Survive the Island von Julian Courtland-Smith
Ein nettes Spiel für alle, denen es nichts ausmacht ihren Mitspielern gehörig in die Suppe zu spucken. Für mich ist es leider noch etwas zu zahm und spannungsarm, um auf Dauer überzeugen zu können.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
Mehr Informationen zu Affiliate Links und Rezensionsexemplaren findet ihr in unserer Übersicht zur Transparenz und in den Bestimmungen zum Datenschutz.