SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Stanislav Kordonskiy
erschienen bei Giant Roc
Ich würde euch nun gerne einen kleinen Exkurs über russische Geschichte und der allgemeinen politischen Situation um 1100 anbieten. Aber ich bin mir sicher, dass wir das Thema in der Schule nicht behandelt haben. Und mein Interesse, in diesem Fachgebiet, reicht einfach nicht aus, um mich näher damit zu beschäftigen. Obwohl die Begebenheiten in dieser Zeit diverse Anleihen an Game of Thrones mäßigen Geschwisterkämpfen gehabt haben dürfte und dadurch eigentlich genügend Dramatik aufbieten würde.
Dennoch gibt es nun die Geschichte von Rurik, kurz zusammengefasst. Wir befinden uns im Jahre 1015. Vladimir der Große ist gestorben und seine Kinder kämpfen nun darum, seine Nachfolge anzutreten. Und so nehmen wir in diesen Geschwisterkriegen teil, um zu zeigen, dass wir derjenige sind, der siegreich hervorgehen wird.
(Jean-Jacques Rousseau)
Der Kern von Rurik ist erst einmal ein normales Worker-Placement-System. Aufgehübscht mit einer Art Auktionsmöglichkeit. Denn unsere Berater bringen eine Wertigkeit mit. Je höher, desto besser wird die Aktion, die wir mit ihnen auslösen können. Dabei können wir ihre Stärke sogar mit etwas Geld aufbessern, um so andere Berater nach unten zu schieben.
Sind alle Arbeiter eingesetzt, werden sie in Spielerreihenfolge zurückgeholt. Dabei müssen wir jedoch mit dem Niedrigsten beginnen und uns Aktion für Aktion bis zum höchsten durchhangeln. Es ist also nicht nur wichtig, wo wir die Arbeiter einsetzen, sondern auch, welchen Wert diese haben.
Mit den Aktionen können wir neue Truppen erwerben oder diese über den Plan bewegen. Dabei wird jedoch nicht, wie in anderen Spielen, automatisch ein Kampf ausgelöst, wenn wir uns in feindliches Gebiet begeben. Denn für den Kampf benötigt es eine separate Aktion. Zusätzlich lassen sich noch Gebiete besteuern – um den dort vorhandenen Rohstoff zu ergattern – oder Gebäude bauen. Zuletzt gibt es dann noch die Intrigenkarten zu ziehen.
Das Einsetzen und die Bewegung von Truppen funktioniert, wie in anderen Spielen. Deswegen gehe ich nicht näher darauf ein. Wichtiger ist jedoch, dass es auch friedliche Übernahmen von Ländereien geben kann. Denn, sobald wir mehr Einheiten, als andere darin haben, haben wir die Kontrolle.
Das ist wichtig, wenn wir Besteuern oder Bauen möchten. Da wir für eigene Ländereien hier nur einen Aktionspunkt ausgeben müssen. Sind es fremde Gebiete, kostet es schon zwei. Und da die Aktionspunkte, die wir durch die richtig eingesetzten Berater erhalten, rar gesät sind, kann das der entscheidende Unterschied sein.
Kämpfe sind auch recht schnell abgehandelt. Je Kampf-Aktionspunkt vernichten wir eine gegnerische Einheit. Greifen wir einen Mitspieler an, müssen wir nun Intrigenkarten aufdecken. Sind darauf Einheiten abgebildet, verlieren wir entsprechend Soldaten.
Neben den normalen Aktionen gibt es noch zusätzliche Möglichkeiten. So können wir eine Intrigenkarten ausspielen. Diese bietet meistens noch weitere Aktionspunkte, mit denen wir stärker auftreten. Außerdem gibt es noch Taten (Aufträge), die wir vollbringen, um weitere Siegpunkte zu sammeln. Zuletzt können wir noch einmal je Runde Rohstoffe gegen Aktionspunkte eintauschen.
Wurden alle Aktionen ausgelöst, wird geprüft, wer sich aktuell wie erfolgreich schlägt. Dabei gibt es drei Gesichtspunkte. Kontrollierte Länder, Gebäude in angrenzenden Ländern und Waren, die wir auf unserem Boot untergebracht haben.
Am Ende vom Spiel entscheiden diese Erfolge, unsere Platzierung auf der Kampfleiste und die erfüllten Karten, wie viele Punkte wir haben. Der Spieler mit den meisten gewinnt das Spiel.
(Georg-Wilhelm Exler)
Obwohl Rurik – Kampf um Kiev auf den ersten Blick so wirkt, ist es keines der üblichen Eroberungsspiele. Hier ist man nicht am erfolgreichsten, wenn man über Runden hinweg viele Truppen ansammelt, um diese in einer ultimativen, letzten Schlacht aufeinander zu hetzen. Nein, denn hier hat man zum einen weder die Zeit dazu, noch die Möglichkeit zu gewinnen, wenn man sich nur auf einen Aspekt konzentriert.
Aber, bleiben wir erst mal bei der Zeit. Von meinen Mitspielern wurde der Zeitdruck, der durch gerade mal vier Runden entsteht, als störend wahrgenommen. Ich selbst fand es jedoch genau richtig. Hier wird nichts herausgezögert, sondern man wird gezwungen direkt und konfrontativ zu spielen. Es gilt gleichzeitig die eigenen Aktionen zu optimieren und die Mitspieler im Blick zu behalten. Denn das System sieht nicht nur vor, dass man gemein ist, sondern belohnt das Verhalten sogar noch.
Mein Nachbar hat nicht aufgepasst? Nehmen wir uns einfach mal kurz sein Land. Oder noch besser, er kann das Land behalten, aber wir besteuern es eben mal, damit er diese Runde bei den Rohstoffen in die Röhre schaut. Das bringt eine deutlich höhere Spieler-Interaktion mit sich, als es bei gefühlt 99 % der Worker-Placement-Titel der Fall ist.
Jedoch bringt das auch einen Gesichtspunkt mit sich, mit dem nicht jeder klar kommt. Eure Pläne können nicht nur zu jedem Zeitpunkt scheitern, sondern werden das auch. Zumindest dann, wenn ihr euch Gegner aussucht, die mit euch auf Augenhöhe spielen. Wer das nicht abkann, sollte lieber zu einem eher solitär ausgelegten Spiel greifen.
Obwohl ich tatsächlich begeistert bin von Rurik, fühle ich das Thema kaum bedient. Ich spüre im Spiel keine Epik im Kampf der Geschwisterkriege. Denn letztendlich kommt es weniger auf die lang angelegte Strategie, sondern die kurze Taktik an. Und selbst, wenn man mit einem Großaufgebot an Einheiten über die Lande zieht, ist es vom mechanischen her egal, ob ich nun mit einer oder zehn Soldaten angreife. Das sind Punkte, die die grandiose Optik verschwimmen und die nackten Zahlen erscheinen lassen.
Etwas verwundert bin ich immer noch, wie wenig Platz der Kampf in einem Spiel einnimmt, das mit Miniaturen und Area-Control Zielen daherkommt.
Alles in allem ist Rurik ein gutes, unterhaltsames und böses Spiel, das auch mit einer weniger opulenten Ausstattung ausgekommen wäre. Der stete Konkurrenzdruck fühlt sich richtig an, während das Thema ruhig mehr Raum hätte einnehmen dürfen.
Rurik – Kampf um Kiev von Stanislav Kordonskiy
Alles in allem ist Rurik ein gutes, unterhaltsames und böses Spiel, das auch mit einer weniger opulenten Ausstattung ausgekommen wäre. Der stete Konkurrenzdruck fühlt sich richtig an, während das Thema ruhig mehr Raum hätte einnehmen dürfen.
Christian:
Hinweis:
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Gruftknecht
Wie kommst du auf die Spielerzahl bis zu siebt? Soweit mir bekannt, können bis zu vier Spieler mitspielen…
Christian Renkel
Da hast du natürlich recht. Das Problem ist, dass die 4 auf dem Num-Pad direkt unter der 7 liegt und ich mich vertippt und es dann übersehen habe. Danke fürs Melden. Ich habe den Fehler gerade behoben.
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