SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 8 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Joel Finch
erschienen bei Corax Games
Ich liebe Freizeitparks! Schon seit meiner Kindheit wollte ich am jeden Tag darin verbringen. Ja, sie mögen den puren Kommerz und den Drang nach einer Flucht aus der Realität darstellen, aber dennoch habe ich sie in mein Herz geschlossen. Besucht habe ich schon viele vom eher kleinen Kurpfalz-Park bis hin zu den gigantischen Vertretern wie den Europa-Park und das Euro-Disneyland. Alle haben ihren eigenen Charme.
Mal ist es wie beim Skyline-Park ein weitläufiges, natürliches Areal mit Kirmes-Charakter, dann ein thematisch bis ins kleinste Detail ausgeschmückt wie im Phantasialand. Auch Spielmarken lassen sich nicht lumpen und verführen mit dem Ravensburger Spieleland oder dem Legoland mit eigenen Parks. Hauptsache ist, man hat Spaß und muss nicht bis in alle Ewigkeiten anstehen.
Schon lange begleiten mich Freizeitparks auch spielerisch. Früher vorwiegend am PC und der Konsole. Viele Stunden habe ich damit verbracht, in Theme Park meinen Besuchenden versalzene Pommes und verwässerte Softdrinks anzudrehen, während ich in Rollercoaster Tycoon die wundersamsten Achterbahnen konstruierte. Alles, um meinen persönlichen Traum zu verwirklichen. Einen Park mit Bahnen, die ich genau so geliebt hätte. Aktuell ist es gerade Planet Coaster, welches mich an den Bildschirm fesselt und mit seinen Möglichkeiten begeistert.
Unfair ist mein zweiter Ausflug ins Genre des Freizeitparkbaus als Brettspiel. Das erste war ein Prototyp, bei dem es vorwiegend darum ging, auf die einzelnen Gruppen an Gästen einzugehen. Schließlich erwarten Teenies in einem Park andere Dinge als Familien mit kleineren Kindern. Ganz so detailliert geht Unfair mit dem Bau nicht um. Hier konzentriert man sich auf anderes. Das Erfüllen von Blaupausen und die Knüppel, die einem Unfair selbst und die Mitspielenden zwischen die Beine werfen.
Dabei kann ich bereits hier eines verkünden. Dieses aufeinander einhauen ist ein Element, das nicht von allen mit wohlwollen aufgenommen wurde. Aber man kann darauf verzichten, obwohl man dem Namen damit nicht gerecht wird.
(Europa-Park – Aufzug des Geisterschlosses)
Über acht Runden optimieren wir an unserem Freizeitpark, um zum Ende des Spiels mit den meisten Punkten dazustehen. Diese erzielen wir entweder direkt aus den gebauten Attraktionen – je mehr Aufwertungen sie haben, desto besser – oder Blaupausen, die in Unfair Aufträge darstellen. Dabei unterteilt sich jede Runde in einzelne Phasen.
Begonnen wird mit der Ereignisphase, in der zuerst einmal ein allgemeingültiges Ereignis eintritt. Besonders dabei ist, dass die ersten vier Runden dazu da sind, sich positiv auf unseren Park auszuwirken. Die letzten vier wollen uns nur schaden. Unschön, aber man muss auch mit Widrigkeiten klarkommen. Im Anschluss ist es für alle Spielenden möglich, Ereignis-Aktionen auszulösen oder -Karten auszuspielen. Auch hier gibt es wieder diejenigen, die uns einen Bonus bringen oder unseren Mitspielenden die Suppe versalzen.
Sind alle Ereignisse ausgewertet, geht es in Unfair in die Parkphase. Dort haben wir drei Züge zeit unseren Freizeitpark zu gestalten. Hierzu können wir dann neue Karten aufnehmen. Blaupausen für Siegpunktbedingungen, Parkkarten für neue Attraktionen und Aufwertungen und Ereigniskarten (garantiert Unfair). Außerdem ist es möglich, Parkkarten zu bauen, Attraktionen abzureißen oder das Kleingeld aufzusammeln, das unseren Gästen aus den Taschen gefallen ist.
Bis zu fünf Attraktionen dürfen wir in unseren Park besitzen. Diese sind jeweils einer eigenen Kategorie zugeordnet. Wollen wir lieber ein aufregendes Fahrgeschäft, einen Imbiss oder ein Hotel? Wir entscheiden. Dazu können wir die Attraktionen noch aufwerten. Dies geht von Qualitätsverbesserungen über Klimaanlagen bis hin zu Express-Wartebereichen. Garniert werden die Parkkarten noch von Mitarbeitenden und Parkaufwertungen, die dann zum Beispiel das Gästelimit erhöhen.
Danach geht es in Unfair in die Gästephase. Hier erhalten wir unser Einkommen, welches sich aus den uns besuchenden Gästen und der Limitierung dieser errechnet. Reicht uns das Geld mal nicht, dürfen wir bis zu vier Kredite aufnehmen, die uns zwar kurzfristig liquide, aber am Speilende um einige Siegpunkte ärmer machen. Ist zuletzt aufgeräumt, geht es in die nächste Runde und wir beginnen von vorn.
Am Ende einer Partie Unfair wird abgerechnet. Für jede Attraktion werden alle sichtbaren Symbole gezählt. Je mehr, desto höher die Punkte. Zusätzliche Punkte gibt es dann noch für erfüllte Blaupausen. Haben wir diese nicht geschafft, werden wir mit Minuspunkten bestraft. Genauso für im Spiel aufgenommene Kredite. Außerdem gibt es noch Punkte für Angestellte und übriges Geld. Wer nun die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt die Partie Unfair.
(Europa-Park Ciao Bambini)
Unfair könnte so ein schönes, ruhiges Aufbauspiel sein. Es spielt sich, wenn man mit dem Titel vertraut ist, schön fluffig, bietet tolle Momente – wenn Pläne aufgehen – und streichelt durch die steten Verbesserungen das Belohnungszentrum im Gehirn. Doch gleichzeitig wedelt es immer mit einem Baseballschläger hinter dem Rücken, damit man sich seiner Sache nie zu sicher ist. Denn nicht nur die Stadtkarten sorgen dafür, dass man sich mit Unwägbarkeiten herumschlagen muss, sondern auch die Mitspielenden. Aber gerade das hat meiner Runde am wenigsten gefallen. Ja, es gehört zum Spiel dazu, sich gegenseitig Mitarbeiter abzuwerben, Aufwertungen zu zerstören oder ganze Attraktionen abzureißen. Aber für manche fühlt es sich einfach nicht gut an.
Man muss jedoch betonen, dass Unfair natürlich dennoch funktioniert. Man wird eben weniger Punkte machen und muss für die Erfüllung seiner Ziele kämpfen, aber da es alle betrifft, bleibt es irgendwo ein fairer Wettbewerb. Zumindest in seinen Möglichkeiten. Denn bereits eine Starthand kann entscheiden, ob unser Freizeitpark genügend Schwung bekommt, um punkteträchtig zu werden. Verstärkt wird dies noch mit den Blaupausen, die eben leichter zu bewältigen sind, wenn sich die dafür benötigten Karten bereits in unserer Hand oder – noch besser – in unserem Park befinden. Aber mit diesem Glücksfaktor kann ich persönlich noch sehr gut leben. Auch damit, dass manche bösartig agieren, komme ich klar, bevorzuge jedoch eine andere Spielweise.
Ja, man kann sich – mit etwas Glück – auch gegen Angriffe der Mitspielenden wehren. Das kostet dann auch wieder Aktionen, um Ereigniskarten zu ziehen oder passendes Personal aufzutreiben und einzustellen. Gleichzeitig kann ich persönlich keine große Befriedigung daraus ziehen, anderen in einem Aufbauspiel etwas zu zerstören. Aber das ist meine persönliche Einstellung, weswegen ich die Möglichkeiten auch so gut wie gar nicht nutze. Doch ich betone es erneut, das Spiel funktioniert auch dann, wenn alle oder einzelne mit harten Bandagen antreten. Aber, das kann das Spiel auch leicht kippen. Wenn zwei Spielende beginnen sich gegenseitig zu bekämpfen oder jemand entscheiden darf welcher Führende nun behindert wird.
Für alle anderen, die eher so denken wie ich, gibt es in Unfair noch die Anpassungen. Ihr wollt eine friedliche Partie? Kein Problem, schließlich kann mit der richtigen Anpassung dafür gesorgt werden, dass keine Ereignisse gespielt werden dürfen, die andere betreffen. Zusätzlich bietet auch die Wahl der teilnehmenden Decks, wie aggressiv eine Partie werden wird. Ihr möchtet lieber friedlichen Aufbau? Dann nehmt das Dschungeldeck. Euch soll das Geld nie knapp werden? Hierfür ist das Ganovendeck prädestiniert. Es soll ständig gegen die Schienbeine getreten werden? Dann braucht ihr unbedingt Ninjas und Vampire.
Obwohl Unfair wie viele andere Aufbauspiele ist, genieße ich die Partien. Ich liebe es, Attraktionen in meinen Park zu setzen und so weit zu optimieren, dass ich möglichst viele Blaupausen erfülle. Jedoch muss ich gestehen, dass ich dabei nicht darauf achte, was ich baue. Mir ist es – für Unfair – egal, wie die Attraktion heißt oder aussieht, die ich verwende. Hauptsache, sie bringt das mit, was für mein Ziel wichtig ist. Dabei sind die Illustrationen vielfältig und toll. Mal denkt man auch das ein oder andere Fahrgeschäft wieder zu erkennen. Doch in der Partie beachte ich es kaum. Das mag daran liegen, dass ich im Kern nur Karten patienceartig auf dem Tisch staple.
Einzig bei der Anleitung frage ich mich, ob man die nicht hätte besser gestalten können. Ja, es steckt viel an Informationen drin. Teilweise zu viel, was einen beim ersten Lesen einfach nur überfordert. Hier wäre ein anderer Aufbau meines Erachtens besser gewesen, um Neulinge abzuholen und in die Welt von Unfair einzuführen. Ein paar Hilfestellungen zu besonderen Spielsituationen wären auch hilfreich gewesen. Können gleiche Ereigniskarten (doppeltes Einkommen je Gast) mehrfach gespielt werden und stapeln sich dadurch? Ist das Opfer vom Hypnotiseur wieder frei, wenn diese aus dem Spiel entfernt wird? Fragen, die ich mit dem Regelwerk leider nicht beantworten konnte.
Alles in allem gefällt mir Unfair. Es hat zwar seine Probleme und Ecken und Kanten, aber ich habe nie bereut, eine Partie gespielt zu haben. Sein Alleinstellungsmerkmal – eben das Unfaire – muss man jedoch mögen. Lässt man es weg, hat man ein Aufbauspiel, wie viele andere, welches zwar immer noch gut funktioniert, aber eben nichts Eigenständiges mehr hat.
Unfair von Joel Finch
Eigentlich ein schönes Aufbauspiel mit Freizeitparkcharme, das als Alleinstellungsmerkmal jedoch bösartige Aktionen unter den Mitspielenden mit sich bringt. Wem das nicht schmeckt, kann darauf verzichten. Unfair bleibt dann ein gutes Spiel, aber eben ohne spezielle Besonderheiten. Alles in allem habe ich die Partien stets genossen.
Christian:
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