SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Christophe Raimbault
erschienen bei Sit Down
Ein Spaziergang durch die Natur kann richtig entspannend sein. Man ist fern des Straßenlärms. Nur die Vögel zwitschern und mit etwas Glück sieht man auch mal ein Reh in der Ferne. Ist man dann noch mit der Kamera begabt, gibt es unglaublich viele Motive, die man einfangen kann. Mit der richtigen Reihe an Bildern lassen sich dann auch später andere Menschen begeistern, was einem selbst erneut Freude bereitet.
Dieses gesamte Gefühl möchte Redwood einfangen. Doch die Realität sieht mal wieder anders aus. Denn Redwood entspannt nicht, sondern treibt den Puls in ungeahnte Höhen. Und das nicht auf die positive Art und Weise.
(Knut Hamsun)
Was erwartet uns in Redwood denn nun genau? Wir sind allesamt Naturfotografen, die durch den Wald huschen, um die schönsten Aufnahmen zu sichern. Dabei steht ein Aspekt besonders im Vordergrund. Das Schätzen. Denn zu Beginn unseres Zuges müssen wir zwei Schablonen aussuchen.
Mit der ersten bestimmen wir die Bewegung unseres Fotografen. Dazu wird die Schablone eingeklinkt und ausgerichtet. Wir dürfen dabei keine Personen oder Tiere überdecken oder streifen. Danach setzen wir unsere zweite Figur an den neuen Punkt.
Dort klinken wir dann die Fotoschablone ein und richten sie aus. Sie gibt dann an, welchen Hintergrund wir in unserer Aufnahme haben und was wir alles einfangen konnten. Die abgedeckten Tiere, Pflanzen und Bäume nehmen wir und drapieren sie dann schön auf der neuen Aufnahme, welche wir zu unserem Panorama hinzufügen.
Danach verscheuchen wir noch die fotografierten Tiere in ihr anderes angegebenes Habitat. Haben wir das ganze fünfmal gemacht, endet das Spiel mit der Abrechnung.
Dabei gelten verschiedene Punktefaktoren wie passende Karten im Panorama, unterschiedliche Tiere oder die Anzahl Pflanzen. Minuspunkte gibt es für nicht überdeckte Fotostellen. Wer dann die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt die Partie.
(Sprichwort)
Bereits beim ersten Anblick einer Abbildung von Redwood war ich verliebt in das Spiel. Ich musste es einfach haben. Schließlich war es einfach nur wundervoll anzusehen. Dazu noch das frische Thema und eine Mechanik, die so anders war als alles andere. Es sollte die perfekte Ergänzung für mein Spieleregal sein. Einfach mal etwas abseits der ausgetretenen Pfade.
Dann kam die erste Partie und ich war zwar nicht entsetzt von dem, was mich da erwartet hat, aber schon ziemlich enttäuscht. Soll das wirklich alles gewesen sein? Wie soll man mit einem solch öden Spiel Spaß haben?
Aber rollen wir das lieber mal Stück für Stück auf. Eine Partie Redwood besteht aus wenigen Zügen mit noch weniger Mikroentscheidungen. Was schätze ich, wohin ich gehen sollte und welche Blende ich mitnehmen möchte. Dann führt man den Zug aus und das war es auch schon. Es passiert so wenig, dass man sich beinahe schon fragen könnte, wo das Spiel denn geblieben ist. Zum Vergleich, beinahe jede noch so kleine Kartenspielschachtel beinhaltet weit mehr Entscheidungsmöglichkeiten und damit Einfluss im Spiel.
Dazu kommt noch eine total hakelige Handhabung des Materials. Das Einklinken der Schablonen funktioniert nicht immer gut, manche wehren sich förmlich dagegen. Dadurch passiert es auch, dass Figuren versehentlich verschoben werden.
Zusätzlich frage ich mich, wie man auf die Idee kommt, eine graue Schablone zu verwenden, wenn es darum geht zu sehen, was sich darunter befindet. Das klappt nicht! Klar, alles, auf dem die Schablone direkt aufliegt – also die Tiere – kann man gerade noch erahnen. Aber die direkt auf den Plan aufgedruckten Blumen und Bäume sieht man einfach nicht mehr. Außer natürlich man hat einen wundervollen, hellen Sommertag.
Dazu gesellt sich dann die Regel, dass etwas nur als fotografiert gilt, wenn es komplett unter der Schablone liegt. Das wirkt auf mich eher thematisch fremd. Klar möchte ich das Hauptobjekt im Fokus haben, aber dennoch verschwindet doch nichts aus einem Bild, nur weil es eben nur zu 90 % sichtbar ist.
Das netteste am Spielgefühl in Redwood ist noch das Anrichten der Fotografie. Doch das nimmt so wenig Zeit in Anspruch – und ist dabei so irrelevant – dass ich es eigentlich gar nicht zählen möchte. Das ist so schade! Denn das Material – also bis auf die Fotoschablonen – sind der Hammer! Detaillierte Figuren mit Neoprenklebern, damit sie nicht verrutschen. Wundervolle Tierplättchen mit Einsteckmöglichkeiten in den Plan. Landschaftsbilder, die eigentlich das Thema perfekt unterstützen.
Aber wenn das Spiel fehlt, bringt das eben alles nichts. Redwood wird nicht umsonst in meinem Artikel Schönheit vor Spielkunst genannt. Nein, der Titel war sogar der Grund, warum dieser überhaupt entstanden ist. Und das Zitat von Christophe Raimbault auf der Schachtel „Er genießt vor allem Spiele, in denen Immersion, Träumereien und Interaktion stärker im Fokus stehen als Optimierung“ kann bewusst als Drohung aufgefasst werden.
So schade. Möchte ich Spiele von Christophe spielen, werde ich weiterhin beim tollen Colt Express bleiben. Doch die Suche nach einem Brettspiel über Fotografie – ob mit oder ohne Natur – werde ich noch fortsetzen müssen. Aber ich bin froh, jetzt nicht mehr Redwood spielen zu müssen.
Redwood von Christophe Raimbault
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Ralf Siedek
Das beste Fotografiespiel ist und bleibt Der perfekte Moment für mich. Wollte es aufgrund des Themas gar nciht anpacken. Wäre ein grober Fehler gewesen!
Christian Renkel
Da ging es mir wie dir. Ich habe es aufgrund des Themas ausgelassen. Aber nach der Einschätzung muss ich das dann doch nachholen!
Tequila
Die Kombination von P.M. Logikrätsel und dem Arrangieren der Gäste zwecks eines realen Fotos, welches dann bewertet wird hat mich echt abgeholt. Gut, das Hochzeitsthema ist … nun ja, gewöhnungsbedürftig, aber das Spiel ist einfach gut.
Denny Crane
ui, das war ne knappe Nummer, das Spiel hätte ich beinahe mitfinanziert. Selbst bei der Spiel’23 hätte ich es beinahe mitgenommen.
Der Versuch war mutig so ein exotisches Thema in ein Spiel zu packen, aber dat war wohl leider nix
Christian Renkel
Wenn du sie Möglichkeit hast, probiere es aus. Aber blind zugreifen Solltest du besser nicht.