SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Judith Rakers, Michael Kallauch
erschienen bei Kosmos
Mit Pflanzen hatte ich ein recht ambivalentes Verhältnis. Eigentlich wollte ich sie immer anpflanzen und großziehen, doch meine Fähigkeiten standen dem komplett entgegen. Man könnte sagen, ich hatte einen braunen Daumen. Alles, was zu mir kam, verdorrte. Um das zu beheben und um ein weiteres Spiel für meine Mutter zu finden, habe ich mir Homefarming – Das Spiel unbedingt ansehen wollen. Außerdem schadet es nie, sich weiterzubilden.
Wir sind dieses Jahr in ein Haus gezogen. Nachdem nun genügend Platz vorhanden war, habe ich angefangen, selbst Gemüse und Kräuter anzubauen. Also das, was meine Mutter schon seit vielen Jahren betreibt, nur als absoluter Laie. Dabei habe ich es mir ganz einfach gemacht. Wo Platz war, wurden Pflanzen ausgesät. Diejenigen, die es trotz meiner Pflege geschafft haben, durften bleiben.
Die Erkenntnisse nach diesem ersten Jahr sind viele. So weiß ich nun, dass in unseren Pflanzsteinen wahre Urwälder von Kräutern entstehen können und ich diese das nächste Jahr vielleicht besser Stück für Stück ziehe, damit ich sie auch alle direkt verwenden kann. Außerdem ist unsere Südseite perfekt für Tomaten geeignet. Nur Gurken haben eine recht seltsame Art zu wachsen. Und Kohlgewächse wollen nicht ganz so recht.
Ach ja, und eines weiß ich inzwischen auch. Obwohl die Seite von Judith Rakers einiges an Informationen bereithält, hat mich Homefarming – Das Spiel überhaupt nicht auf meine Gartenkarriere vorbereitet.
(Aischylos)
In diesem Brettspiel werdet ihr drei Jahre durchlaufen. In jedem von ihnen sammelt ihr Saatgut und pflanzt dieses zur richtigen Jahreszeit an. Sind die Pflanzen reif, dürft ihr sie ernten und dabei punkten.
Zwischendurch gilt es noch sich um Hühner zu kümmern, euren Pflanzen Liebe zukommen zu lassen und Schädlingen zu trotzen. Spielt ihr die Profivariante, könnt ihr eure Gärten noch mit allerlei Zubehör ausstatten, die euch im Kampf gegen Unwägbarkeiten unterstützen oder mit Gewächshäusern den Anbau erst möglich machen.
Am Zug schreitet ihr dabei auf der Jahresleiste voran. Das Feld, das ihr wählt, gibt dabei vor, welche Aktion ihr machen dürft und ob Schädlinge über alle Spieler hereinfallen. Am Ende des Jahres angelangt werden noch die Hühner gewertet, danach beginnt der Lauf von neuem.
Am Ende des Spiels gewinnt dann, wer die meisten Lecker-Punkte sammeln konnte. Nebenbei kann man sich noch die Texte auf der Rückseite der Karten durchlesen, um so etwas über die Pflanzen zu lernen.
Die komplette Spielregel zu Homefarming – Das Spiel findet ihr hier. (externer Link)
(Friedich Rückert)
Okay, wo fange ich hier denn am besten an. Vielleicht damit, was man zuerst zu Gesicht bekommt. Und das ist nichts, was ich unbedingt positiv hervorheben kann. Ich weiß nicht, ob man hier gezielt die Marke Homefarming von Judith Rakers abbilden wollte. Eventuell sollte es auch einfach aussehen wie ein Lernspiel aus den 80ern. Aber egal, wem ich das Spiel gezeigt habe, alle waren schon vom Cover ziemlich abgeschreckt.
Das zog sich dann beim Spielbrett und dem Material weiter durch. Hier wurde das absolute Minimum an Aufwand durchgezogen. Bitte nur keinen Schritt weiter, das reicht für diejenigen, denen wir das Spiel verkaufen wollen. Dabei zeigen andere Spiele und vor allem auch die von Kosmos, wie es richtig gehen kann. Ich verstehe nicht, wie das überhaupt das Licht der Welt erblicken konnte.
Aber wir machen dann nicht halt. Denn auch der Spielablauf wirkt, als wäre er vollkommen aus der Zeit gefallen. Das ist ein Spiel, welches gefühlt in den 80ern wunderbar funktioniert hätte. Also passen Optik und Spielgefühl schon irgendwie zusammen. So zeigt es nur, dass jegliches Vorurteil, welches man über Lernspiele haben kann, vollkommen bestätigt wird. Leider!
Das Brettspiel an sich hat sich entgegen Homefarming zwar in diesen 40 Jahren weiterentwickelt, aber dennoch hat der Titel auch seine guten Momente. Es gibt Entscheidungen zu treffen, die Sieg und Niederlage beeinflussen können. Das ist schon einmal etwas positives. Wie weit schreite ich voran, was muss ich unbedingt noch erledigen und was machen meine Mitspieler. Alles Fragen, die wenigstens eine kleine Prise Spaß ins Spiel befördern.
Dem gegenüber stehen aber seltsame Entscheidungen. Wie zum Beispiel bei der Auswahl der am Markt befindlichen Pflanzen. Ich weiß ja nicht, wie ihr das macht, aber ich gehe zum Gärtner meines Vertrauens und kaufe mir passende Pflanzen. Dort muss ich nicht darauf hoffen, dass irgendwann eine zweite Kirsche ins Sortiment kommt, damit ich die erste überhaupt punkten kann.
Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass die Lecker-Punkte, die die einzelnen Sorten bringen, so überhaupt nicht austariert sind. Hier wurde ganz bunt gemischt und der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Dabei skaliert das Spiel kaum mit den teilnehmenden Mitspielern. Das sorgt dafür, dass man nur im Spiel zu viert einen gewissen Druck verspürt, während zu zweit alles wie von selbst von der Hand geht.
So ist Homefarming – Das Spiel zwar ab und an mal ganz nett. Man ist danach aber auch froh, wenn es vorbei ist und hatte nie das Gefühl, aus eigenem Können heraus gewonnen oder verloren zu haben. Es ist ein Lizenzspiel, bei dem der Brettspielwelt auch nichts entgangen wäre, wenn es nicht existieren würde.
Aber Christian wird der ein oder andere sagen, du bist doch einfach nicht die Zielgruppe! Dem halte ich entgegen, dass Spiele wie Homefarming schuld daran sind, dass es Menschen gibt, die Brettspiele für die langweiligste und sinnloseste Zeitbeschäftigung von allen halten. Solltet ihr auch Menschen kennen, die dieser Einstellung verfallen sind, solltet ihr sie unbedingt mit den besten Brettspielen vom Gegenteil überzeugen!
Ich zumindest bin froh, dass sich bei mir keine weitere Gänsehaut bildet, wenn ich noch einmal Lecker-Punkte lesen muss. Und nein, die Profivariante hat zu keinem besseren Spielgefühl beigetragen. Und gelernt habe ich leider auch nichts.
Homefarming – Das Spiel von Judith Rakers, Michael Kallauch
Ein unnötiges Brettspiel, das man getrost auslassen kann. Hier hat man nichts gewonnen. Außer natürlich man steht auf ein optisches Design, das sich aus der Anfangszeit moderner Spiele und Stock-Fotos zusammensetzt.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
Mehr Informationen zu Affiliate Links und Rezensionsexemplaren findet ihr in unserer Übersicht zur Transparenz und in den Bestimmungen zum Datenschutz.
Denny Crane
Danke für den Test.
Aber bei dem Spiel kann ich guten Gewissens sagen, das ich allein von der Optik her das Spiel niemals (selbst vom Krabbeltisch) spontan mitgenommen hätte 😄
Christian Renkel
Manchmal muss man sich selbst herausfordern, um den Geschmackskompass zu justieren. 😁