SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Simone Luciani, Virginio Gigli
erschienen bei Lookout Games
Meine Kindheit war geprägt von Heimatfilmen, die heutzutage nicht mehr vorstellbar wären. Und gefühlt gab es davon Hunderte, die sich um das weiße Rössl am Wolfgangsee drehten. Sozusagen dem Grand Austria Hotel dieser Zeit. Die Nummer eins am Platz, in der der der Oberkellner Leopold verliebt in die Chefin war. In einer Zeit, in der aus dem nichts Peter Alexander ein Liedchen trällerte und dann plötzlich wieder Glückseligkeit herrschte..
Und weil wir so schön unter uns sind, muss ich noch eines gestehen. Ein paar der Filme habe ich mir im letzten halben Jahr neben dem Kochen oder Abspülen wieder zu Gemüte geführt. Eine gleichzeitig skurrile, wie abgrundtiefe, aber dennoch herzerwärmende Zeitreise, für die ich mich eigentlich nur ein bisschen schämen muss.
Aber das hat alles nichts mit Grand Austria Hotel zu tun. Einem Spiel, in dem wir Gäste empfangen, um sie mit kulinarischen Leckerbissen zu verwöhnen und danach in ein Zimmer einquartieren. Während unser Oberkellner Leopold über das Salzkammergut singt. Zumindest in meiner Welt.
(Lied)
Willkommen in ihrem eigenen Hotel. Hier erwarten sie allerlei interessante Gäste, die sie sich – nach guter Wiener Manier – einfach selbst aussuchen. Schließlich müssen wir nicht jeden dahergelaufenen Prinzen beherbergen. Wäre ja noch schöner. Doch mit leerem Bauch schläft es sich recht schlecht, weswegen wir potenzielle Übernachtende erst einmal in unserem Café einquartieren. Dort wird waschecht Strudel, Torte, Wein oder Kaffee serviert. Aber der gute, kein Starbucks-Papp-Becher mit falsch geschriebenem Namen darauf. Nein, wir lieben unsere Gäste und sie lieben uns.
Zwischenzeitlich sollte man dafür sorgen, dass passende Hotelzimmer bereitstehen. Schließlich bevorzugt jeder Gast eines in seinen persönlichen Farben gehaltenes. Nur wenige sind nicht wählerisch und können überall untergebracht werden.
Trotz all der Arbeiten haben wir nur wenig Zeit, um uns zum Grand Austrian Hotel hochzuarbeiten. Doch zum Glück steht uns Personal zur Seite, das uns tatkräftig unterstützt. Das nötige Kleingeld natürlich vorausgesetzt. Und dann wäre da noch die Belohnung für belegte Zimmergruppen, die uns unter die Arme greift.
Es gibt also viel zu tun im Grand Austrian Hotel packen wir es an.
Das ist auch nötig, denn es gibt auch gewisse Anforderungen des Kaisers, die wir bewältigen müssen, um eine Belohnung und keine Bestrafung zu erhalten.
Die komplette Spielregel zu Grand Austria Hotel findet ihr hier. (externer Link)
(Lied)
Als ich die Regeln zu Grand Austrian Hotel las, konnte ich einen kleinen Aufschrei nicht unterdrücken. Die Aktionsauswahl war mir vor kurzem bereits in Golem begegnet. Während in Grand Austrian Hotel die Menge an passenden Würfeln entscheiden, wie stark eine Aktion ist, sind es in Golem eben die Murmeln. Und auch das Konzept von der Kopier-Aktion, die eine Geldeinheit kostet, ist in beiden vorhanden. Gut, das war es dann auch schon mit den Ähnlichkeiten, Aber gerade dieses Detail war extrem offensichtlich. Hätte ich direkt einen Blick auf die Autoren geworfen, hätte mir auffallen können, dass Simone Luciani und Virginio Gigli an beiden gearbeitet haben. Nun könnte man sich mit der Frage beschäftigen, ob die Murmeln eine sinnvolle Weiterentwicklung sind. Aber das ist heute egal. Wir wollen wissen, ob Grand Austrian Hotel ein gutes Spiel ist.
Und das ist recht schnell zu beantworten. Ja, das ist es größtenteils. Und das größte Problem des Spiels stellte sich gerade in unserer ersten Partie extrem in den Vordergrund. Der Zufall in der Auslage der Gäste. Ihr kennt es, eigentlich kann man vor der ersten Partie so sehr mischen, wie man möchte, so ein richtiges Durcheinander bekommt man dann auch nicht rein. Das sorgte bei uns dafür, dass beinahe nur adelige Gäste zur Verfügung standen, was die Partie ziemlich bremste, da einfach kein Geld ins Spiel kam. Zusätzlich kann man sie ja nur in bestimmte Zimmer einquartieren. Kommen also keine passenden Gäste, kann man sich noch so sehr anstrengen, man kommt nicht so recht voran.
Ein Umstand, der in späteren Partien eher seltener anzutreffen ist – schließlich sind die Karten dann besser gemischt – aber dennoch vorkommen kann. Aber das ist ein Umstand, mit dem alle Mitspielenden zu kämpfen haben. Dann muss man eben gute Miene zum bösen Spiel machen und sich durchbeißen. Aber das macht durchaus Spaß. Dieses jonglieren mit Gästen, Zimmern und Köstlichkeiten. Grand Austria Hotel vereint vieles, was ich mag. Entscheidungen, die ich gezwungen bin zu treffen und die sich dabei auch wichtig anfühlen und ein flüssiges, belohnendes Gameplay. Obwohl es viel zu bedenken gibt, spielt sich Grand Austrian Hotel sehr flüssig. Selten kommt es dazu, dass jemand immens lange überlegen muss, da sich das Spiel im Kern aus Mikroentscheidungen und deren Konsequenzen zusammensetzt. Klar gibt es die Möglichkeit der Kettenzüge, aber selbst die sind relativ schnell abgehandelt.
Da wir im kompletten Spiel nur 14 Aktionen zur Verfügung haben, ist jede davon extrem wichtig. Hinzu kommt das Timing, denn nur wenn genügend Würfel vorhanden sind, ist eine Aktion auch wirklich stark. Andererseits muss ich vielleicht auch mal in einen sauren Apfel beißen, damit ein späterer Kettenzug nicht ins Leere läuft. Oder ich zuletzt auf Gästen sitzen bleibe und mir dadurch lukrative andere durch die Lappen gehen.
Grand Austria Hotel ist für mich ein Gute-Laune Spiel, das immer wieder ein paar Spitzen parat hält, wenn Mitspielende mir etwas vor der Nase wegschnappen, was ich hätte besser gebrauchen können. Ein Spiel, das von allem ein wenig benötigt. Planung, Voraussicht und Timing. Grand Austria Hotel belohnt und sorgt dafür, dass ich am Spielende auf mein persönliches Hotel schauen und mich freuen kann, was ich alles geschafft habe.
Alles in allem ein schönes, wenn auch etwas solitäres Spiel, das ich immer wieder gerne auf den Tisch bringe.
Grand Austria Hotel von Simone Luciani, Virginio Gigli
Flüssiger als Golem ist Grand Austria Hotel ein Spiel, das bei mir stets für Gute Laune sorgt. Egal wie sehr ich mich im jeweiligen Moment über die gemeinen Würfel und meine Mitspielenden aufrege. Aber Emotionen sind immer toll.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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