„Food Chain Magnate“, ein Titel der ehrfürchtig geraunt wird, wenn es um komplexe Spiele geht. Geliebt und Vergöttert, wie auf einem silbernen Tablett getragen. Ich selbst habe einige Zeit gebraucht, bis ich es spielen konnte. Zum einen, weil das Spiel zur meisten Zeit schwer zu einem normalen Preis zu erhalten war. Zum anderen, weil ich nicht wusste, ob ich mir das komplexe Monster – in Erzählungen darüber klang es immer, als ob man ein Studium in „Food Chain Magnatik“ haben muss, um nicht unterzugehen – wirklich antun möchte. Ein Freund hat sich das Spiel zur letzten Auflage bei Splotter Spellen vorbestellt. Die Ausreden gingen aus. Also haben wir es intensiv gespielt, damit ich mir endlich im Klaren sein bin, was ich von „Food Chain Magnate“ halten kann.
Die meisten laufen so sehr dem Genuss nach, dass sie an ihm vorbeilaufen.
(Soren Kierkegaard)
In „Food Chain Magnate“ stellt ihr Mitarbeiter ein, die ihr führt, um ihre Fähigkeiten nutzen zu können. Mit dieser weitet ihr eure Firma immer weiter aus, um Bedürfnisse, die ihr zuvor selbst geschürt habt, zu befriedigen. Ist die Bank zweimal gesprengt endet das Spiel. Es gewinnt, wer am meisten Geld sein Eigen nennt.
In dieser Galerie findet ihr einen kurzen Ablauf des Spiels:
Der Appetit kommt mit dem Essen – aber noch mehr beim Fasten.
(Willy Millowitsch)
Die gute Nachricht. Von den Regeln her ist „Food Chain Magnate“ gar nicht so schlimm. Die Abläufe sind verständlich und nur wenige Details sind nicht auf den ersten Blick eingängig. Dennoch ist das Spiel ein Monster in der Komplexität. Das liegt jedoch an der Fülle an Möglichkeiten. Die Menge an Arbeitern und wie man sie kombiniert. Zusätzlich haben wir einen dynamischen Markt, der durch Werbung gezielt beeinflusst werden kann, um Mitspieler in die Parade zu fahren. Das Spiel kann so für Euro-Verhältnisse ziemlich aggressiv wirken. Ist der Anfang noch recht harmlos und mit einem netten Aufbaucharakter verbunden, kann eine gezielt eingesetzte Marketingkampagne dafür sorgen, dass ein Spieler nicht mehr rechtzeitig auf die Füße kommen wird. Das muss man abkönnen, wenn man es mit „Food Chain Magnate“ aufnimmt.
Außerdem sollte man sich im Klaren sein, dass mit jeder Runde die Komplexität der Aktionen zunimmt. Man erhält mehr Mitarbeiter und dadurch mehr Möglichkeiten. Je nachdem, wie man spielt, geschieht das sehr schnell. Zusätzlich wird man vor allem zu Beginn mit Meilensteinen überschüttet, was nicht nur ein wenig bestimmt, wie man sich wahrscheinlich entwickeln wird, sondern auch, was in jedem Zug beachtet werden muss.
Wo wir schon bei den Meilensteinen sind. Von diesen gibt es meiner Meinung nach einfach zu viele. Vor allem in den ersten Zügen hagelt es sie an allen Ecken und Enden. Ich weiß, sie sollen einem einen kleinen Bonus bescheren. Aber in der Menge fühlen sie sich zu wenig als Belohnung an.
Dennoch ist „Food Chain Magnate“ natürlich ein sehr interessantes Spiel voller wichtiger Entscheidungen, welches mir jedoch regelmäßig über den Kopf wächst. Egal, wie häufig ich es spiele, ich erreiche irgendwann immer den Punkt, an dem mein Hirn, fast schon einem Blackout gleich, abschaltet. Einen Punkt, an dem ich nicht mehr agiere, sondern eher kopflos reagiere. Der oben erwähnte Eigentümer des Spiels hat mir da einiges voraus. Er weiß bis zuletzt, was er tut und fahrt so einen Sieg nach dem nächsten ein. Ich bin glücklicherweise kein schlechter oder nachtragender Verlierer, der ein Spiel nur abwertet, weil er nicht gewinnt, aber mir persönlich hätte „Food Chain Magnate“ etwas abgespeckt besser gefallen.
Als nächstes werde ich das Gefühl nicht los, dass viele Partien eigentlich bereits nach 4 – 5 Runden entschieden sind. Denn der erfolgreiche Spieler wird noch weiter belohnt, so dass er es gegenüber seinen Gegnern einfacher hat. Als Beispiel sei der Meilenstein „habe als erster 100 Dollar Vermögen“ genannt. Dieser schaltet beispielsweise frei, dass ein Spieler ab nun 50 % mehr Einnahmen hat. Heißt, statt 100 verdient er nun 150 Dollar. Andere Spieler müssen hierfür einen „CFO“ einstellen, der in jeder Runde aktiviert werden muss, während der Meilenstein kostenlos mitläuft. Zum Glück dauert eine Partie, wenn alle geübt sind, nicht übermäßig lange. Denn es gibt nichts schlimmeres, als dem Sieger 2 weitere Stunden beim Gewinnen zusehen zu müssen, während man selbst abgeschlagen ist. Das Timing hat „Food Chain Magnate“ recht gut hinbekommen.
Viele bemängeln beim ersten Kontakt die optische Aufmachung. Ich persönlich finde diese jedoch gelungen. Ich mag den grafischen Stil der Schachtel und Karten. Klar hätte man beim Spielplan mehr Details einfügen können. Aber auch ohne die Ablenkung durch schmückende Grafiken werdet ihr in Situationen kommen, in denen ihr nur schwer den Überblick behalten könnt. Dementsprechend denke ich, dass es wichtiger ist praktikabel, als hübsch zu sein.
Für mich bleibt „Food Chain Magnate“ ein interessantes Spiel, welches mir aber häufig zu anstrengend ist. Manch Spieler lobt genau dieses und zieht seine Faszination daraus. An vielen Tagen kann ich dem Spiel dann auch genügend abgewinnen, um eine Partie zu bestreiten. Dennoch zieht es mich persönlich dann doch zu etwas einfacheren Titeln hin, bei denen ich nicht am besten 8 Züge im Voraus planen muss, sondern gemütlich spielen kann und dennoch gefordert bin.
Food Chain Magnate
Splotter Spellen 2015
Autor: Jeroen Doumen, Joris Wiersinga | |
Dauer: ca. 120 – 240 Minuten | |
Spieler: 2 – 5 | |
Schwierigkeit: Profis |
Anmerkungen
Food Chain Magnate – Splotter Spellen – 2015
- Erscheint bei Splotter Spellen
- Für 2 – 5 Spielende und dauert ca. 120 – 240 Minuten
- Am besten geeignet für Experten
Spielstil – Wertung
Hinweis:
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