SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Johannes Lorenzen
erschienen bei PD-Verlag
Johannes Lorenzen schickt uns mit “Die drei Kolosse” in den Wald. Buchstäblich und auch mit seinen Rätseln. Wer hier jetzt die Nase rümpft und an Exit Spiele denkt, liegt richtig aber auch völlig falsch. Ich möchte euch hier erklären, was ich damit meine. Johannes Lorenzen ist mit „Die drei Kolosse“ was sehr eigenes gelungen.
DISCLAIMER:
Wir versuchen hier so spoilerfrei wie möglich über das Spiel zu berichten, aber, wie das halt so ist, wenn man über ein Ding redet muss man auch an manchen Ecken konkreter werden. Wer also weiterliest: Very, very mild spoilers ahead. You’ve been warned.
Für alle anderen, die nichts, aber auch gar nichts, vorab wissen wollen, scrollt ganz nach unten und schaut euch nur die Bewertung an oder kauft und spielt es einfach.
(Reinhold Messner)
„Die drei Kolosse“ kommt mehr oder weniger völlig ohne Regeln aus, man kann fast ohne Vorbereitung loslegen. Es gibt ein Faltblatt in der Schachtel, das einem genau erklärt was man braucht um in den vollen Genuss des Spiels zu kommen.
Die Geschichte von „Die drei Kolosse“, wird auf unterschiedliche Arten erzählt. Als Hörspiel, gelesene Dialoge und die Rätsel. Aus dem Grund sollte man auf jeden Fall einen Tablet-Computer oder ein Laptop oder etwas vergleichbares zur Verfügung haben, damit alle Beteiligten gut sehen und hören können.
Zusätzlich braucht man mindestens ein Smartphone. Eher mehr, da bestimmte Passagen in einem Gespräch mit verteilten Rollen vorgelesen werden.
Ihr seid bereit loszulegen, sobald ihr die Fachbereiche der Professoren verteilt habt und ihnen natürlich passende und wohlklingende Namen gegeben habt. Mit der jeweiligen Spezialausrüstung im “Koffer” geht es dann los.
(Reinhold Messner)
“Die drei Kolosse” punktet von Anfang an mit zwei Dingen, der Geschichte und der Atmosphäre. Auf der Packung steht “atmosphärisch” und das ist nicht nur eine Behauptung, es wird tatsächlich auch eingelöst. Wir bekamen eine Geschichte präsentiert, die für uns interessant und spannend genug war. Alle am Tisch wollten wissen wie es weiter geht und noch mehr wohin das ganze führen wird. Im Vergleich zu anderen Spielen hat “Die drei Kolosse” eine Geschichte die auch den Namen verdient. Sie nimmt aber auch einen großen Teil der Zeit ein. Im Vergleich zu anderen Spielen dieser Art ist das außergewöhnlich. Bei allem anderen, was wir bisher spielten, ist die Story, wenn sie überhaupt den Namen verdient, das extrem dünne Trägermaterial oder die Ausrede um Rätsel aneinander zu kleben. Man erkennt einen Verlauf in der Geschichte, anfangs ist es noch schön trashig und lustig, das humorige verliert sich aber mit dem Fortschreiten der Handlung. Davon hätten wir gerne mehr gehabt. Johannes Lorenzen verwendet zum einen das Hörspiel und von den Spielenden in ihren Rollen vorgelesene Gespräche um das Geschehen zu transportieren. Das bringt Abwechslung und man fühlt sich in gewisser Hinsicht als Teil der Handlung.
Wir haben das Spiel in einer Sitzung mit 2 Pausen durchgezogen. Wir folgten der Struktur mit den drei Akten, die “Die drei Kolosse” in ungefähr gleich große Teile aufteilt. Zum einen weil wir uns die Zeit dafür gegeben haben aber auch weil wir wirklich wissen wollten wie es ausgeht. Wir fanden die Auflösung leider etwas enttäuschend. Natürlich ist all das sehr vom Geschmack abhängig. Jedoch waren wir uns in diesem Punkt einig, alle fünf.
Die Rätsel fügen sich alle mit einem starken Bezug zur Geschichte ein. Der Schwierigkeitsgrad war ok für uns, insgesamt immer angenehm herausfordernd. Im Gegensatz zu den fast allseits bekannte Exit Games, hat man sich dazu entschieden die Rätsel viel freier zu gestalten. Bei Exit muss die Lösung immer auf 3 Ziffern reduziert werden. Das ist hier nicht der Fall, hier gibt es eine Vielfalt an verschiedenen Lösungen. Bei einem Rätsel sind wir tatsächlich nicht klar gekommen und mussten das Hilfssystem zu rate ziehen. Das ist gut gegliedert und wie üblich mehrstufig. Man kann also Hinweise ziehen, die mit jedem weiteren immer deutlicher werden. Zuletzt kann man sich, wenn man völlig auf dem Schlauch steht, die komplette Lösung anzeigen lassen. Man kann also nicht stecken bleiben. Schade trotz vorliegender Lösung gelang es uns bei oben genanntem Rätsel nicht den Lösungsweg nachzuvollziehen. Wie so oft muss man bei vielen Spielenden darauf achten, dass jeder alles mitbekommt. Ansonsten kann es vorkommen, dass nur ein oder zwei am Tisch ein Rätsel lösen. Ein Satz Rätsel ist aber so gestaltet, dass jeder der Rolle entsprechend ein Rätsel zum lösen bekommt. Andere Rätsel funktionieren wiederum sehr gut als Kooperation.
Neben den Rätseln und der Geschichte muss man einfach das Material erwähnen. Wir fanden es durchwegs gut und liebevoll gestaltet und gemacht. Das hätte man durchaus viel billiger produzieren können, aber hier schien man einfach die extra Meile gehen zu wollen. Es fühlt sich aber nicht überproduziert an, wie eine Kickstarter Kunstofflawine, sondern einfach adäquat und gut gemacht. Es gibt nette “rote Heringe”, manches überraschte wirklich und zeigte, dass sich da jemand sehr viele Gedanken gemacht.
Zu guter Letzt gefällt mir, dass man nicht die fünfhundertste App installieren musste. Mit einem einfachen Link konnte man sofort loslegen. Hier hätte ich mir nur die Navigation etwas eindeutiger gewünscht. Gerade dann, wenn man die Lösung korrekt eingegeben hatte, hätte man das “Hier geht’s weiter” viel prominenter darstellen können. Das übersieht man gern mal.
Sollte ich wieder die Gelegenheit bekommen ein Rätselspiel dieser Art zu spielen werde ich keinen Augenblick zögern. “Die drei Kolosse” hat uns wirklich 6 atmosphärische Stunden beschert.
Ich war zuerst recht skeptisch, was die drei Kolosse anging. Schließlich war ich in letzter Zeit nur noch genervt von Escape- oder Adventurespielen. Die EXIT Reihe möchte ich zum Beispiel nie wieder anfassen. Schatten über Mittelerde hat mir einfach den Rest gegeben. Aber auch Spiele wie die Psychiatrie des Schreckens oder Adventure Games im Nebelreich hatten zu meiner Abneigung für das Genre beigetragen. Und so hatte ich große Befürchtungen, als ich Robert zugesagt hatte, dass wir die Kolosse gemeinsam erkunden wollten.
Ich stellte mich also schon auf sechs Stunden seltsames Storytelling, öde Geschichte und an den Haaren herbeigezogenen Rätseln ein. Was ich bekommen habe, war aber sehr unterhaltsam! Die Zeit verging wie im Flug. Das Spiel hatte immer wieder Überraschungen parat, die mich durchaus mal staunen, mal lachen und unser Talent zur Lösung feiern ließen.
Positiv erwähnen möchte ich schon mal die Hörspieleinlagen. Diese waren gut portioniert, nicht zu lange und teilweise sehr witzig! Genauso wie das komplette Material an sich. Es gibt ein paar Easter-Eggs zu finden, die einem immer wieder ein Schmunzeln ins Gesicht treiben. Leider verliert das Spiel im zweiten Akt irgendwo seinen Humor. Mir hätte es besser gefallen, wenn das die komplette Zeit beibehalten worden wäre.
Das Kernstück der drei Kolosse sind natürlich die Rätsel. Diese haben wir beinahe alle schön logisch aufarbeiten und lösen können. Lediglich zwei von ihnen sind aus der Reihe gefallen. Beim ersten der beiden sind wir den richtigen Weg gegangen, hatten aber eine Info, die uns das Gedankenkonstrukt verhagelt hat (ich gehe nicht weiter darauf ein, da ich nichts verraten möchte). Beim zweiten gab es für mich keine wirklich klare Angabe, um es zu lösen. Hier fehlte für mich noch eine Bedingung. Aber mein Sohn hat es einfach mal nebenbei gelöst. Ob das nun gegen uns andere oder für ihn spricht, lasse ich einfach mal so stehen.
Aber ein großes Problem habe ich mit den drei Kolossen. Und das versuche ich jetzt ohne Spoiler zu formulieren. Die Entwicklung der Geschichte im letzten Akt und vor allem das Ende haben mich genervt! Wir hatten nach dem zweiten Akt so auf das Ende hingefiebert, dass wir unbedingt weitermachen wollten und bekamen aber etwas, das die zuvor aufgebaute Fallhöhe mit einem Bauchplatscher abschloss. Da wäre definitiv mehr drin gewesen! Und das ist so schade, da es den absolut positiven Gesamteindruck trübt.
Dennoch bin ich froh, dass ich die drei Kolosse trotz meiner Zweifel mitgespielt habe. Es war eine tolle, wenn auch nicht ganz runde Zeit. Danke für das Erlebnis. So kann ich mir viele weitere Adventurespiele vorstellen. Schön auch, dass man das komplette Material mit etwas Sorgfalt wieder zurücksetzen und das Spiel weitergeben kann.
Die drei Kolosse von Johannes Lorenzen
Ein atmosphärisch dichtes Rätselspiel mit unterhaltsamen Rätseln und guter Geschichte, die zum Schluss leider etwas underwhelming ist.
Robert:
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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