SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Jay Little, Marcus Ross, Ryan Miller
erschienen bei Ravensburger
Im Nachgang betrachtet denke ich, dass ich zu der Herr der Ringe Verfilmung zu hart und uneinsichtig war. Aber zu meiner Verteidigung muss ich eines sagen. In den 80ern als Nerd aufgewachsen zu sein, war um ein Vielfaches härter, als es heute der Fall ist.
Alles, was nun größtenteils ok ist, war damals verpönt. Als Junge gab es nur zwei akzeptable Arten, seine Zeit zu verbringen. Mit einer Sportart (vorwiegend natürlich Fußball) und Lego (alternativ Playmobil, aber hier gab es zwei hart getrennte Lager). Das war es. Videospiele machten schließlich blöd, Rollenspiele waren nur dazu da, um Satan persönlich zu beschwören und Brettspiele Kinderkram.
Ich habe mich nicht beirren lassen. Schließlich war das eine Welt, mit der ich mich identifizieren konnte. Nur öffentlich zugeben war nicht ganz so einfach. Hier bin ich auf die heutige Zeit sehr neidisch! Hier findet man über das Internet leichter Gleichgesinnte.
So freute ich mich gestern auch sehr über einen großen Haufen Cosplayer, die sich hier in Memmingen im Allgäu getroffen und eine gute Zeit hatten. Erschrocken war ich über diverse Reaktionen von sich selbst normal nennenden Menschen. Zumindest das hatte sich leider nicht geändert. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Irgendwann klappt es vielleicht auch, dass man sich über nichts echauffieren muss, was einen nichts angeht.
Aber kommen wir lieber zurück zu meinem Geständnis zu Beginn. Also ich war ein Außenseiter, der in Büchern wie der Herr der Ringe eine Welt gefunden hat, die ihn mit offenen Armen empfing. Die ihm zeigte, dass es auch anders ging. Und dann kam die Verfilmung von Peter Jackson. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass ich recht fanatisch war, was die Buchvorlage anging, aber ich kannte sie sehr, sehr gut.
Wahrscheinlich war es meine persönliche Rache an einer normalen Welt, die mich nicht akzeptieren wollte, aber ich habe die Filme überhaupt nicht gemocht. Die Änderungen, die vorgenommen wurden, brannten in mir und sorgten dafür, dass ich die Filme nicht genießen konnte. Jetzt nach all der Zeit bin ich versöhnlicher. Ich liebe sie zwar immer noch nicht, aber ich habe meinen Frieden geschlossen. Außer mit der Hobbit Trilogie. Die ist immer noch Grütze.
Das der Herr der Ringe Adventure Book Game ist eine Ansammlung von acht Spielen, die sich dieselben Grundregeln teilen, diese jedoch mit jeweils eigenen Nuancen ergänzen. Wir spielen uns Stück für Stück durch das epische Werk und treffen dabei immer wieder auf wichtige Szenen des Buches.
So werden wir erst einmal versuchen aus dem Auenland nach Bree zu gelangen um, Streicher zu finden. Später die Gemeinschaft des Ringes schmieden, durch Moria ziehen und so weiter.
Sind wir am Zug, dürfen wir die Figuren bis zu zwei Schritte kostenlos bewegen. Danach können wir noch Karten verwenden, um weitere Schritte zu gehen oder Spezialaktionen (je nach Szenario) auszulösen. Die eine Ring Karten gelten als Joker, lassen uns aber auch auf der Verderbtenleiste voranschreiten. Um es uns einfacher zu machen, dürfen wir dabei auch Karten mit Mitspielern tauschen.
Schaffen wir es, eine der Aufgaben zu erfüllen, müssen wir noch die passenden Karten ablegen, um sie abzuschließen. Dann gibt es eine Belohnung – zum Beispiel Spezialkarten – und das Kapitel geht weiter. Haben wir alle Aufgaben gelöst, geht es in das nächste. Wir verlieren Szenario spezifisch auf unterschiedliche Wege oder das komplette Spiel, wenn wir das letzte Feld auf der Verderbtenleiste erreichen.
Die komplette Spielregel zu Der Herr der Ringe Adventure Book Game findet ihr hier. (externer Link)
Ich mag die Grundidee des der Herr der Ringe Adventure Book Games. Kurze Spiele, die uns auf eine fantastische Reise in eine meiner liebsten Fantasy Bücher mitnimmt. Warum sollte im Brettspielbereich nicht funktionieren, was in Videospielen schon lange gang und gäbe ist?
Und so freute ich mich sehr auf meine erste Partie! Die einfachen Regeln waren innerhalb kürzester Zeit verinnerlicht und die Reise begonnen. Doch bereits der erste Anlauf offenbarte einen riesengroßer Designfehler, der mir den Spaß an manchem Versuch nahm. Der Zufall entscheidet viel zu sehr, ob wir das Spiel gewinnen oder verlieren.
Das geht so weit, dass es teilweise aus heiterem Himmel passiert, ohne dass man groß reagieren könnt. Getreu dem Motto, ziehst du jetzt eine der beiden falschen Karten, war es das. Ich habe nichts dagegen, wenn ein kooperatives Spiel aus dem Design heraus so ist, dass es ganz knapp ausgeht. Aber ich möchte das Ergebnis durch meine Taten dann massiver beeinflussen können, als es hier der Fall ist.
Dennoch ertappe ich mich dabei, wie ich mit dem der Herr der Ringe Adventure Book Game meinen Spaß habe. Ich bin richtig vertieft in ein simples Schiebespiel. Wie kann ich verfahrene Situationen am besten lösen. Da hat mir das Spiel dann solo auch am meisten Freude bereitet. Vor allem weil mein Deck dank der Spezialkarten über die Kapitel hinweg immer besser wurde und ich immer mehr manipulieren konnte.
Man darf sich nichts vormachen. Wir haben es hier mit simpelsten Spielen zu tun. Ein wenig kommt man sich wie bei einer ganz einfachen Spielesammlung vor. Es ist erstaunlich, wie ein paar Figuren und ein bekanntes Universum zu einer Immersion verhelfen, die einen dennoch in die Szenerie eintauchen lassen.
Das der Herr der Ringe Adventure Game Book ist nicht optimal. Einfache Spiele treffen auf ein nicht immer eindeutiges Regelkonstrukt und einer Zufallsmechanik aus der Hölle (oder den 80ern, als das noch ganz normal war). Gleichzeitig macht es aber dennoch auch Freude mit den Gefährten Abenteuer zu bestehen und das Ruder in Momenten herumzureißen, in denen alles schon verloren schien.
Jedoch lässt der Wiederspielreiz ziemlich schnell nach. Nach einem Durchlauf hat man eigentlich alles gesehen und braucht erst einmal eine große Pause, bis man sich das nächste Mal daran wagen möchte. Genauso verhält es sich mit verlorenen Partien. Um dasselbe Szenario nochmals spielen zu wollen, benötigt man schon eine gewisse Prise Selbstbeherrschung.
Der Herr der Ringe Adventure Book Game von Jay Little, Marcus Ross, Ryan Miller
Eine nette Spielesammlung, die zu viel vom Zufall abhängt. Dafür bietet sie eine große Immersion. Jedoch fehlt es am Wiederspielwert.
Christian:
Hinweis:
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