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Interview: Steffen Benndorf

Lesezeit: 10 Minuten

Steffen Benndorf, der Name ist bei uns spätestens seit „The Game“ und „Twenty One„, welche uns ausnahmslos sehr gut gefallen, bekannt. Umso erfreuter waren wir, als er sich bereit erklärte uns für ein Interview Rede und Antwort zu stehen. Erfahrt also, wie er seinen Kopf aus der Schlinge zieht, wie er arbeitet und was „Phase 10“ mit „Twenty One“ gemeinsam hat.

 


Zuerst einmal müssen wir einen Skandal besprechen. In unserer „Twenty One“ Rezension hast du meiner Frau schweren Betrug vorgeworfen. Hier biete ich dir nun die Möglichkeit dich dafür öffentlich zu entschuldigen.

Es tut mir leid. Es ist natürlich purer Neid, der da aus mir spricht. Mehr als 140 Punkte habe ich in den vielen Partien noch nie erzielt und auch keiner meiner Mitspieler. Das man in einem Spiel mehrfach die fetten Bonuspunkte abgreift, kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen. Hast du dich mal gefragt, ob es vielleicht an Dir liegt, das du immer verlierst ? ?

[Anmerkung der Redaktion: Wir können diese These weder bestätigen noch dementieren. Obwohl… doch… Christian ist in „Twenty One“ einfach schlecht…]

 

Wie ist es dazu gekommen, dass du Spieleautor wurdest?

Es ist der typische Weg gewesen, den auch andere Autoren beschritten haben. Schon als Kind immer gern und viel gespielt. Während des Studiums dann in Kontakt
gekommen mit „richtigen“ Spielen wie Siedler, El Grande, Tikal usw. Und irgendwann in dieser Zeit hatte ich die erste Idee zu einem eigenem Spiel. Das ist nun schon mehr als 20 Jahre her. Das Spiel war nicht wirklich gut, denn es dauerte ewig und hatte keine richtige Zielgruppe. Spaß hat es wahrscheinlich auch nur mir gemacht. Aber ich hatte irgendwie Blut geleckt, es gab erste Kontakte zu Verlagen und dann hab ich weiter gemacht. Zu Beginn waren es entweder komplizierte Strategiespiele oder vom Material sehr aufwändige Kinder- und Familienspiele. Einfach gab es damals noch nicht. Jedes Spiel musste auf seine Art was Besonderes sein. Keines dieser Spiele konnte jemals einen Verlag überzeugen, obwohl ich manchmal schon dicht dran war.

Woher nimmst du Ideen für ein neues Spiel? Bist du eher der Planer oder der mit spontanen Einfällen?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Meistens bilde ich mir irgendein Spielgefühl ein, und versuche mir dann ein Spiel dazu auszudenken. Dabei steht das Material oftmals zu Beginn noch gar nicht fest. Es ergibt sich dann beim Herumspielen mit verschiedenen Spielmaterialien. Das hört sich jetzt irgendwie geplant an, aber meistens hab ich nur den Plan, mal wieder was Neues zu machen. Der Zufall oder die spontane Idee helfen dann dabei, dass der Plan aufgeht oder erst mal wieder verworfen wird.
Wie gehst du vor, wenn du ein neues Spiel entwickelst?
Sobald das gewünschte Spielgefühl im Kopf modelliert ist, suche ich nach Mechanismen, mit denen man das Gefühl erzeugen könnte. Mit ein paar Karten, Würfeln und Plättchen, kann man dann schnell erste Versuche machen. Meistens müssen dann entweder meine Familie oder einige meiner Kollegen daran glauben und den ersten Spielgefühlscheck über sich ergehen lassen. Wenn ich merke, dass die Mitspieler bei der Sache bleiben und ihre kostbare Zeit gern mit meinen Hirngespinsten verbringen, dann mach ich weiter und bastle einen Prototypen, der dann schon bessere Qualität hat. Damit wird dann weiter getestet und der Spielablauf perfektioniert.
Was ich vielleicht anders mache, als andere Autoren: 1. Ich binde immer sehr früh schon Redakteure bestimmter Verlage mit ein und frage nach was sie von bestimmten Ideen halten. Und 2. verlasse ich mich mehr auf mein Gefühl ob ein Spiel funktioniert, als auf Einzelmeinungen von Testspielern und Gruppen. Und wenn meine Frau noch sagt, dass ihr das Spiel gefällt, dann hab ich alles richtig gemacht.
„Twenty One“ hat bei uns ja eingeschlagen, wie eine Bombe. Wie kam dir die Idee hierzu?
„Twenty One“ benutzt ja Elemente aus meinem Spiel „Fiese 15“. „Fiese 15“ hatte einen schönen Mechanismus, aber krankte an dem typischen Kniffelproblem. Wenn einer würfelt müssen alle anderen zuschauen. Der Erfolg von „Fiese 15“ war daher auch nicht so sonderlich groß.
Trotzdem fand ich den Würfelmechanismus gut und wert einen größeren Erfolg zu haben. Gegen Ende 2015 begann ich dann, das alte „Fiese 15“ zu modernisieren.
Wurde dir das Potential des süchtig machenden Spielprinzips bereits beim Testen klar?
Der Weg zum finalen Spiel war ja nicht ganz so einfach. Nicht ohne Grund steht Reinhard Staupe als Co-Autor mit auf der Spieleschachtel. Bei „Fiese 15“ bekam man Bonuspunkte, wenn man viele Würfel benutzt hatte, unabhängig vom Zahlenwert. Das hat bei „Twenty One“ nicht so richtig funktioniert, irgendwie war man als schneller Spieler immer bevorteilt. Reinhard kam dann auf die Idee mit den Bonuspunkten für die Treffer, damit war das Spielgefühl schon ein ganz anderes. Jetzt fehlte nur noch etwas, damit man mehr Chancen hat, die 1er zu erreichen. Der Vorschlag 2x zu Würfeln, die 1er aber liegezulassen, kam auch dann auch von Reinhard. Kleine Änderungen mit großer Wirkung. Auf einmal war das Spiel fertig und das Suchpotential war nun ersichtlich. Und es hat bei mir und meiner Familie bisher auch nicht abgenommen.
Um die Frage zu beantworten, ich habe in „Twenty One“ ein großes Suchtpotential vermutet, aber es hat viele Testrunden und Veränderungen gebraucht, um es zu heben.
Gibt es Spiele, die du beginnst zu entwickeln und sie später dann komplett über den Haufen wirfst? Was sind deine eigenen Qualitätsansprüche an dich und deine Spiele?
Ja natürlich gibt es Spiele, die nicht funktionieren oder zu wenig Spaß machen. Manchmal merkt man das nach wenigen Tests manchmal auch erst nach längerer Zeit und vielen vielen Änderungen. Und manchmal merkt man es daran, dass man keinen Verlag gewinnen kann, das Spiel umzusetzen. Doch glücklicherweise passiert das nicht allzu oft.Ich mache mir heute mehr Gedanken, ob ein Spiel die Spielegemeinde überzeugen kann, als früher. Heute greifen einige Spieler blind zu, wenn sie die Kombination Benndorf/NSV hören, weil sie ein gutes Spiel erwarten mit einfachen Regeln und kurzer Spielzeit. Diesen Erwartungen möchte ich natürlich gern gerecht werden. Deswegen lasse ich mir schon Zeit und breche Spielideen nicht übers Knie. Manchmal muss man einfach Geduld haben.
Die wichtigste Auszeichnung und ein Zeichen höchster Qualität, die meine Spiele noch vor der Veröffentlichung erhalten können, ist das „gefällt Barbara“ Siegel. Gefällt es meiner Frau, dann gefällt es vielen ?

Deine Spiele sind ja recht abstrakt. Möchtest du auch mal ein thematisches Spiel machen oder hast du diese Art ganz bewusst gewählt?

Ich habe mich nicht bewusst dafür entschieden abstrakte Spiele zu machen. Ganz im Gegenteil. Am Anfang meiner Spieleautorenkarriere habe ich nur thematische Spiele gemacht. Leider wurde davon nichts veröffentlicht.
Abstrakte Spiele punkten durch die Spielidee, und wahrscheinlich bin ich da einfach stärker, als bei thematischer Einbettung. Aber ich würde niemals nie sagen und es kommt ja auch immer ein wenig auf die Vorlieben eines Verlags an. Nicht jeder Verlag steht auf abstrakte Spiele. Mit etwas Glück, gibt es auch mal das eine oder andere Kinderspiel von mir, da wird es dann nicht ohne Thema gehen.
Es gibt ja inzwischen einige kleine Titel, die den Solo-Spiele-Markt (Hostage Negotiator, Freitag, Coffee Roaster) bedienen. Hast du dir auch schon mal für diesen Sektor Gedanken gemacht?
Ich finde es gut, wenn man ein Mehrpersonenspiel ohne zusätzlichen Regelaufwand auch alleine spielen kann. Manchmal fehlt es ja nicht an Spielen sondern eher an Spielpartnern. Ein Solo-Spiel zu entwickeln, reizt mich jedoch nicht sonderlich. Ich mag es mehr, die Emotionen der Mitspieler zu erleben, als meine eigenen.

An was arbeitest du im Moment?

Zum einen wird immer an Fortsetzungen und Erweiterungen von Qwixx und The Game gearbeitet. Die Produktreihe braucht Pflege und die Spielegemeinde nimmt hochwertige Erweiterungen sehr gern an.
Andere konkrete Projekte gibt es im Moment nicht. Ich suche erst wieder nach einer guten Idee.

Was denkst du ist die große Herausforderung bei „kleinen Spielen“? „The Game“ und „Twenty One“ als Beispiel genannt können ja mit wenig Material mehr begeistern, als so manche Spiele mit einer wahren Materialflut.
Ich weiß nicht, ob es eine so große Herausforderung ist. Kleine Spiele machen es einem meist sehr einfach. Entweder der Spielspaß liegt auf der Hand, oder er stellt sich niemals ein. Das kann man oft schon nach wenigen Testpartien erkennen. Die Schwierigkeit liegt meines Erachtens darin, eine einfache Idee rechtzeitig zu beerdigen, wenn sie keinen Spaß macht und sich nicht zu lange an ihr festzubeißen. Ideen kommen und gehen und nur wer frei im Kopf ist, kann sich neuen Impulsen hingeben und hat Lust Neues auszuprobieren.
Vielleicht liegt die Kunst darin, einem Spiel seine Einfachheit zu lassen und eher das Spiel einzustampfen als die Einfachheit aufzugeben wenn es nicht so funktioniert.
Hast du ein Traum-Spiele-Projekt, das du gerne mal entwickeln würdest?
Das hab ich schon mit Qwixx. Das hat alle meine Träume erfüllt, und ich kann mir nicht vorstellen, dass das nochmal getoppt wird.
Freuen würde es mich, wenn irgendwann mal mehr als nur ein Benndorf auf dem Schachtelcover steht, aber da sind wir noch weit davon entfernt.
Spielst du selber eigentlich noch gerne oder bist du froh, wenn du mal mit Spielen nichts zu tun hast?
Ich spiele für mein Leben gern und kann mir nicht vorstellen je genug davon zu bekommen. Das gehört auch irgendwie mit dazu. Nur mit der nötigen Leidenschaft und Spaß am Spiel, kann man auch neue Spiele schaffen.
Als Autor bin ich immer wieder sehr froh, wenn eine Spielidee so reif ist, das man sie auch mal einige Zeit liegen lassen kann, ohne Angst haben zu müssen, nach ein paar Wochen nicht mehr zu wissen, was ich mir bei dem Konzept eigentlich gedacht hatte.

Kannst du eigentlich bei Spielen anderer Autoren einfach abschalten oder schaltet sich im Hinterkopf immer der Autor ein, der sich fragt, ob er etwas anders gelöst hätte?

Ist ein Spiel gut, dann denke ich wenig darüber nach, ob ich etwas anders gemacht hätte. Ich muss allerdings schon zugeben, dass ich schon Ab und Zu bestimmte Dinge anders gelöst hätte oder mir gewünscht hätte, dass mich der Autor oder der Verlag zu Rate gezogen bevor das Spiel veröffentlicht wird. Das ist wahrscheinlich eine Autorenkrankheit. Ich finde es eben schade, wenn aus meiner Sicht Potential verschenkt wurde.
Nichtsdestotrotz wende ich aber nur selten andere Regeln an, um den Spielspaß für mich zu erhöhen. Dazu betrachte ich ein Spiel zu sehr als Gesamtkunstwerk, an dem ich keine Änderungen vornehme.
Was tust du, wenn du mal nicht spielst?
Ich gehe neben dem Spieleerfinden einer normalen Arbeit nach, und damit ist die meiste Zeit meines Tages schon verplant. Neben der Familie bleibt dann gar nicht so viel freie Zeit.
Ab und zu findet man mich auf dem Golfplatz oder ich mache zusammen mit meiner Frau Musik. Kino, Konzerte und gutes Essen sind der kleine Luxus zwischendurch.
Welches Buch hat dich in letzter Zeit fasziniert und warum?
Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Menschen, die so gut wie nicht lesen. Konzentriertes Lesen behindert mich beim Denken.
Was ist dein absoluter Lieblingsfilm und warum sollte man ihn sich ansehen?
Das kann ich nicht beantworten, weil es einfach mehrere Filme gibt, die ich immer und immer wieder anschauen könnte.
„Kein Pardon“ – weil ich den Humor liebe und weil ich mit meinen Kindern stundenlang Szenen aus dem Film nachspielen kann, sehr zum Leidwesen meiner Frau ?
„Die fabelhafte Welt der Amelie“ – weil ich es liebe große Stücke von der Tapete abzureißen und meine Hand in einen Sack voller Getreide zu stecken
„Good will hunting“ – weil man das tun muss, wo einen das Herz hinzieht
„Und täglich grüßt das Murmeltier“ – weil man beim Spieletesten auch immer wieder und wieder das gleiche tut, in der Hoffnung, dass sich irgendwas ändert
„Wer früher stirbt ist länger tot“ – weil wir doch letztlich alle nach Unsterblichkeit streben
Du strandest auf einer Insel mit genügend Spielpartnern, welche 5 Spiele hättest du denn gerne dabei und warum?
Qwixx – weil das immer und überall geht, vorausgesetzt die Blöcke reichen.
The Game – weil es auch mal gut tut, wenn ein anderer Schuld ist ?
Werwölfe – falls mal alle mitspielen wollen
Tichu – weil es so genial ist
Schach – weil ich dort endlich die Zeit hätte besser zu werden
Du landest in der Hölle und wirst gequält, indem du ein Spiel immer und immer wieder spielen musst. Mit welchem könnte man dich am meisten quälen und warum?
Ich denke in der Hölle würde jedes Spiel irgendwann zu Qual werden. Phase 10 vielleicht etwas eher und Twenty One später.
Was wolltest du der Spieleszene schon immer sagen, hast dich aber nie getraut?
Da gibt es nichts.
Ich möchte aber gern all denen danken, die mit viel Eifer und Engagement versuchen, unser gemeinsames Hobby einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Steffen für das nette Gespräch und die Zeit, die er sich genommen hat. Hoffentlich hören wir in Zukunft noch viel von dir.
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Written by Christian Renkel
Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

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