Mit #BG2GETHER wollen wir uns, genau wie jeden anderen Monat, gemeinsam mit Kolleg*innen einer weiteren Frage stellen. Diesmal werden wir wieder einmal zurückblicken. Uns selbst analysieren und auch das eine oder andere Geständnis abliefern. Denn wir fragen uns:
Frage des Monats April 2023
Wie viel Glück verträgst du im Spiel? Ist es schlechtes Design, wenn manche Mitspielende davon härter getroffen werden als andere? Oder macht erst das den Reiz aus? Gibt es Spielegenres, bei denen du Glück überhaupt nicht leiden kannst oder andere, bei denen es nicht ohne geht? Gab es ein Spiel, welches für dich durch Glück besonders oder gar fürchterlich wurde?
Wisst ihr, was mich richtig sauer macht? Eine Partie Mensch ärgere dich nicht. Ich kann das Spiel nicht ab, denn es vereint einfach alles, was ich an Spielen nicht mag. Reines Glück gepaart mit unbestimmter Spielzeit und einem Spaßfaktor, den man mit einem Hammerschlag auf den Daumen vergleichen könnte. Vor allem, weil ich ein Talent dafür habe, Runde um Runde nicht aufs Spielfeld zu kommen, weil ich keine sechs würfeln kann. Was ein Spaß und welche Freude! Zumindest stehe ich zu diesem Zeitpunkt niemandem im Weg oder müsste irgendwen schlagen und damit das Spielende noch weiter hinauszögern. Nein, das ist nicht mein Brettspiel. Da schau ich lieber Farbe beim Trocknen zu, mach meine Einkommenssteuererklärung (inklusive aller Schikanen) oder nehme mir doch mal den ganzen Kram vor, den ich schon seit Jahren vor mir herschiebe. Bin ich also grundsätzlich gegen Glück im Spiel?
Nein! Ein Glücksfaktor kann, wenn er denn richtig eingesetzt ist, das Zünglein an der Waage sein, ob ein Spiel Spaß macht oder eben nicht. Dabei kommt es jedoch auf verschiedene Ausgangslagen an. Da wäre zum einen die Spieldauer. Denn je kürzer ein Spiel, desto mehr verzeihe ich, wenn Glück als der wichtigste Entscheidungsträger gilt. So würde ich die Zeit teilweise als verschwendet ansehen, wenn nach einem vierstündigen Aufbauspiel alles auf einen einzelnen Würfelwurf hinausläuft. Ja, diverse meiner Lieblingsspiele kennen auch dieses Element. Allen voran Eclipse oder Twilight Imperium.
Beide Spiele haben jedoch Mechaniken, die eben dafür sorgen, dass nicht alles an diesem einen Würfelwurf hängen muss. Wenn ich mir nun aber vorstelle, ich würde einen mehrstündigen Experten-Engine-Builder spielen, bei dem der Rohstoffauswurf alleine durch Würfel bestimmt werden würde, sträuben sich mir die Nackenhaare. Denn hier würde wahrscheinlich das altbekannte Catan-Problem auftreten. Egal wie wahrscheinlich es ist, dass eine Zahl gewürfelt wird, kommt sie nicht, wirst du nicht vorankommen.
Interessanterweise hat es dann doch vor Kurzem ein Kennerspiel geschafft Glück zu integrieren, ohne sich falsch anzufühlen. Was bei meiner ersten Partie von Abomination noch wie ein Fremdkörper wirkte, hatte sich perfekt ins Spiel integriert. Denn hier weiß ich nicht immer, welche Rohstoffe ich erhalten werde, manchmal muss ich mein Glück auch herausfordern. Alternativ kann es immer passieren, dass mich Frankensteins Monster aufsucht und mir einen Handel vorschlägt, dessen Auswirkung ich nur erahnen kann. Das empfinde ich als reizvoll, obwohl es im Kern ein Glücksfaktor in einem gehobeneren Spiel ist.
Aber eigentlich wollten wir darauf eingehen, wie ein Brettspiel für sich entscheidet, ob Glück gut integrierbar ist oder nicht. Denn neben der Spieldauer ist noch ein anderer Aspekt wichtig. Die hervorgerufenen Emotionen. Fühlt sich das Glück spannend an? Lässt es mich hoffen und bangen? Werde ich mit hohem Risiko vielleicht sogar mit einer beinahe epischen Belohnung bedacht? Werden sich alle über mich lustig machen, wenn ich zu viel gewagt habe? Das sind die Momente, in denen ich mich gerne an den Tisch setze und mitspiele. Sei es bei einem vollkommen belanglosen Impact oder einem besseren Dead Mans Draw. Denn obwohl viel vom Glück abhängt, habe ich hier meinen Spaß. Denn die Meta-Ebene durch meine Mitspielenden und dem eigenen Überschätzen sorgen dafür, dass ein spannender Sog entsteht.
Ein letzter Punkt für Brettspiele mit Glückselement ist dann für mich persönlich noch die Beeinflussbarkeit. Wie weit kann ich selbst dafür sorgen, was als Ergebnis herauskommt. Sei es, weil ich durch einen Push-your-Luck Mechanismus genau weiß, welches Wagnis ich eingehen werde oder weil ich eben durch geschicktes Spiel das Glück minimieren kann. Vielleicht gibt es sogar Möglichkeiten, sich von der Last freizuspielen? Das sind alles Elemente, die Glück für mich erträglich machen.
Ich bin kein Typ Spieler, der Glück vollends ablehnt. Aber es muss eben gut integriert sein und dafür sorgen, dass ein Brettspiel spannender wird. Sieht man dafür rundenweise nur zu, wie andere Spaß haben oder ist das Geschehen am Tisch komplett spaßbefreit, kann ich gerne darauf verzichten.
Aber wie ist es bei euch? Wie viel Glück im Spiel vertragt ihr? Meidet ihr Brettspiele komplett, die ihr nicht zu 100 % kontrollieren könnt oder macht die Unwägbarkeit genau den Reiz aus?
Denny Crane
Ich würde gerne sagen können, das mir der Glücksfaktor bei einem Spiel keine Probleme bereitet
Aber um ehrlich zu sein habe ich mit dem dem Thema Glück eine ähnlich situative Wahrnehmung wie du.
Als Beispiel würde ich das Spiel „DOG“ nennen…es ist kaum eine Manipulation/Taktik möglich und wenn man an der falschen Stelle Pech hat, geht das Spiel für manche Spieler-Teams wieder von vorne los…Also ähnlich wie bei dir „Mensch ärgere dich“. Das läuft für mich unter der Rubrik „schrecklich generischer Glücksfaktor“. Die Würfel/Karten spielen den Spieler und nicht der Spieler das Spiel.
An anderen Stellen habe ich weniger Problem mit Pech und Glück: zieht jemand in der letzten Runde eine sofort zu lösende Auftragskarte bei Takenoko und gewinnt 1-2 Punkten freue ich mich für den andern. Eifersucht bzw schlechtes Verlieren passt erst recht auch nicht in dem Spiel.
Auch den Faktor Zeit würde ich ins Feld führen: Verliere ich bei 7Wonders Duell aufgrund eines Glückfaktors, ist es kein Problem für mich, da das Spiel auch relativ schnell rum ist und man ggf schnell eine Revance hinkriegt.
Hat man aber ü3 Stunden rumtaktiert, kann das Thema in derselben Situation ganz anders wahrgenommen werden.
Ich hatte erst einen Spieleabend, wo genau da Glück eine starke Spaßbremse wurde:
Es ging um Dune Imperium und seine Intrigenkarten. Die allein sind ja DER Glücksfaktor des Spiels.
Aber ich akzeptiere das, da jeder Zugriff auf die Karten hat und das zentrale Thema „Im Hintergrund agieren“ bei dem Thema megapassend ist.
Nun hatten wir aber die Situation, das wir einen Mitspieler hatten, der ständig extrem lange für seine Züge brauchte, nur um dann zu merken, das der inital geplante Zug gar nicht möglich war, da Ressourcen gefehlt haben, Agenten bereits da standen usw. Daher wurde dann irgendein improvisierter Zug ohne großen Masterplan gemacht. Das einzige was ihn dann immer wieder in die Karten spielte waren passende Intrigenkarten oder der passende „Marktplatz“. Diese Intrigen/Deckkarten waren dann immer wieder spielentscheidend für das Spiel, egal was die Mitspieler machten. Versuchten sie ihm einer seiner Intrigenkarten zu ziehen, blieben die spielrelevanten in seinem Besitz, andersherum zog er genau die Karten, die er mehr oder weniger sofort maximal gewinnbringend einsetzen konnte. Letztendlich passierte die ganze Zeit nichts, was das Regelkonstrukt nicht erlaubte…nichts illegales oder etwas hart ausgelegtes.
Trotzdem sank die Stimme Schritt für Schritt, da dieses planlose Spielen, aber trotzdem immer wieder „auf den Füßen landen“ irgendwann einfach „unfair“ erschien. War es aber eigentlich nie.
Und daher würde ich noch den Punkt „den anderen was Gönnen“ zu dieser Diskussion mit einbringen. Der Spielspaßbremser war zu keinem Zeitpunkt das Regelwerk, sondern einfach „nur“ der Punkt, das durch stupides Glück ein einseitiges Spiel sich die letzten 90min extrem in die Länge zog…man hoffte einfach, das das Blatt sich nochmal wendete, das irgendwie die anderen oder man selbst noch Spannung reinbringen kann.Aktuell ist das Spiel (was eigentlich nichts dafür kann) etwas verbrannt für uns…
Daher würde ich es so sehen: Ich habe kein Problem, wenn jemand mit gutem Spiel dein eigenen Glücksfaktor maximiert und das der Gegner minimiert. Dann hat er sich auch den Sieg verdient. Und damit akzeptiere ich dann sogar eine Klatsche…die habe ich zu genügend bei Tabeltopspielen wie Guild Ball erhalten. Diese waren dann auch aus dem Grund leichter zu akzeptieren, da man extrem viel von dem Gegenspieler gelernt hat: wie baut man gute Spielzüge/aktionsketten auf, wie maximiet man Sonderregeln seiner Fraktion usw. .
Spielt aber jemand stümperhaft vor sich hin und hat immer wieder Dussel ist das Thema Glücksfaktor in Kombination mit bestimmten Spielertypen ein Spaßkiller vor dem Herrn. Es gibt kein Lernfaktor, man erfährt ggf sogar nicht eigentlich guten Regeln usw.
So, ein viel zu langer Text, aber der lag jetzt solange bei mir als Rohform auf dem PC rum, das ich jetzt einfach endlich zu dem spannenden Thema rausschicken wollte 🙂