SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Michaela „Mín“ Štachová, Michal „Elwen“ Štach
erschienen bei Czech Games Edition, HeidelBÄR Games
Hypes haben ein großes Problem, welches sie wie eine wuchtige Woge vor sich herschieben. Nachdem man der Welle aufgesessen ist, gibt es meist nur einen Weg. Nämlich abwärts. Und oftmals ist es das, was ein Hype mit sich bringt. Eine sich stets aufbauende Spannung, die in ihrem Klimax gipfelt, wenn man das Spiel dann endlich in Händen hält. Froh den Trieb des Jägers befriedigt zu haben, die Genugtuung, seinen guten Geschmack durch einen besonderen Titel bewiesen zu haben, geht es mit einer großen Erwartungshaltung an die erste Partie. Die Fallhöhe ist extrem und man nimmt den kompletten Weg hinab mit. Denn wir haben durch den Hype mehr in ein Spiel hineininterpretiert, als es erfüllen könnte. Eine tiefgehende Beziehung zu etwas aufgebaut, von dem wir nicht wussten, dass es doch nicht reines Gold ist, sondern auch einen Makel hat.
Ich persönlich hatte bei die verlorenen Ruinen von Arnak großes Glück. Meine erste Begegnung mit dem Spiel lief direkt auf eine Kennenlernpartie hinaus. Auf der Castle Tricon 2020 hatte ich das Spiel das erste Mal gesehen, erklärt bekommen und direkt digital angespielt. Und was soll ich sagen? Das Spiel hat mich gleich in seinen Bann gezogen. Begeistert sehnend auf die analoge Variante wartend.
Nun liegt das Spiel bei mir und wurde fleißig getestet. Und eines möchte ich gleich hier sagen. Mir gefällt das Spiel immer noch. Aber was es für mich gut macht, mit welchem Problemen man klar kommen muss und was das Spiel tatsächlich ist, erzähle ich euch hier. Also setzt euch nicht auf den Hypetrain, sondern informiert euch mit dem nötigen Abstand, damit ihr auch wirklich ein Spiel bekommt, welches euch dann Freude bereitet. Vielleicht.
(Indiana Jones – Der letzte Kreuzzug)
Die verlorenen Ruinen von Arnak sind eine Mischung aus Deckbuilder, Worker-Placement und Euro-Spiel. Dabei wurden alle Bereiche lediglich angeschnitten, um es nicht unnötig kompliziert zu machen. Am Zug verwenden wir unsere Karten und Rohstoffe, um eine Aktion auszuführen.
Es ist unter anderem möglich, neue Karten für sein Deck zu kaufen. Hier wird zwischen Artefakten und Gegenständen unterschieden. Artefakte lösen ihre Fähigkeit dabei sofort aus, Gegenstände wandern erst einmal unter das Deck.
Dann kann man sich noch im Camp mit Rohstoffen eindecken. Wichtig hierfür sind die Bewegungspunkte der Handkarten, sowie ein freier Arbeiter… äh… Forscher. Hat man die Bewegung bezahlt und den Forscher platziert, erhält man die angegebenen Rohstoffe.
Gleiches gilt für die Ruinen im Urwald. Für diese werden dann andere Bewegungsarten (Boot, Auto) fällig, zusätzlich zu Kompassen. Hier können wir dann neue Orte entdecken und profitieren sofort von ihren Belohnungen. Leider steht bei jedem neuen Ort auch gleich ein Wächter. Besiegen wir ihn (indem wir die angegebenen Rohstoffe abgeben), gibt es nicht nur Punkte. Nein, denn müssen wir einen Arbeiter von einem Wächter zurücknehmen, erhalten wir eine Furchtkarte, die unser Deck verlangsamt und Minuspunkte bringt.
Zuletzt gibt es noch die Forschungsleiste. Auf dieser können wir uns durch Abgabe von Rohstoffen Stück für Stück nach oben arbeiten. Das Besondere. Wir haben hier zwei Marker, für die gilt, dass das Buch nie höher sein darf als die Lupe. Durch die Leiste erhalten wir am Spielende Siegpunkte und während der Partie Bonusse.
Eine Partie die verlorenen Ruinen von Arnak endet nach 5 Runden. Wer dann die meisten Siegpunkte vorweisen kann, hat gewonnen.
Die komplette Spielregel zu Die verlorenen Ruinen von Arnak findet ihr hier. (externer Link)
(Indiana Jones – Der letzte Kreuzzug)
Ich weiß, ich bin nicht der Erste, der seine Meinung zu Arnak kundtut. Das liegt aber auch einfach daran, dass ich ein Spiel immer wieder tatsächlich gespielt haben will, bevor ich voreilig die Schachtel in die Kamera halte und verkünde, dass ich das Spiel des Jahres in den Händen halte. Das bremst natürlich etwas, aber für mich persönlich ist es wichtiger, gewissenhaft zu informieren, anstatt einen Hype zu schüren. Und so wird das auch bei den verlorenen Ruinen von Arnak der Fall sein.
Also, bevor ich ins Detail gehe, muss ich erst einmal eine Theorie in den Raum stellen. Denn in der letzten Zeit habe ich vermehrt in sozialen Medien von Spielern gelesen, die unglaublich enttäuscht von diesem Titel waren. Die Theorie, sie sind alle an ihrer Erwartungshaltung gescheitert. Denn hinter die verlorenen Ruinen von Arnak versteckt sich ein Kennerspiel im oberen Bereich. Es ist kein Euro-Monster, dessen Komplexität dafür sorgt, dass ein reines Duell des Geistes vorliegt. Nein, es will gezielt Spieler ansprechen, die einfach ein schönes, aber nicht banales Spiel haben möchten. Und genau diese Bedarfslücke füllt das Spiel voll und ganz aus.
Es fühlt sich tatsächlich wie ein kleines Abenteuer an und sieht dabei wunderschön aus. Das Spiel führt einen in den Dschungel, zu traumhaften Ruinen und albtraumhaften Wächtern. Dabei werden wir, wenn wir gut spielen, mit vielen Ressourcen hantieren, die es gilt, am Besten einzusetzen. Dass man selten um sie kämpfen muss, wird auf manch Euro-Spieler den Eindruck machen, dass das Spiel belanglos sei. Aber nein, das ist es nicht. Es erlaubt tolle Kettenzüge in den letzten beiden Runden. Für diese ist jedoch auch ein guter Schuss Glück nötig. Oder sagen wir besser behilflich. Denn kommen die passenden Karten zu den richtigen Momenten, werden wir in unserer Taktik unterstützt. Das ist bei der kurzen Spieldauer für mich verschmerzbar. Nein, sogar eher förderlich, um Spannung aufzubauen. Und ja, eigentlich ist es thematisch, dass wir eben nicht wissen, was uns auf unserer Expedition erwartet.
Ja, das Material ist ziemlich schwankend. Ein toller Spielplan, schöne Ressourcentoken und ansehnliche Grafiken treffen auf viel zu dünne Karten. Für ein Spiel, bei dem ein Hauptteil darin besteht, diese zu mischen, ein ziemliches KO-Kriterium. Schade, hier wäre mehr drin gewesen.
Aber das Wichtigste. Macht das Spiel spaß? Verdammt, ja. Das macht es. Es gibt etwa zwei Handvoll Titel, die meine Frau von sich aus vorschlägt, wenn es um die Frage geht, was wir nun spielen sollen. Und nur eine Handvoll, die sie selbst aus dem Regal zieht und eine Partie einfordert. Und die verlorenen Ruinen von Arnak gehören dazu. Das liegt an dem tollen Spielgefühl. Es ist auf der einen Seite ein Wohlfühltitel mit der nötigen Prise Abenteuer. Andererseits ist man geistig nicht zu unterfordert, als dass es sich so anfühlt, dass man seine Zeit verschwendet hätte. Nein, es ist schön und weiß zu gefallen, wenn man sich vorher nicht mehr Inhalt eingeredet hat, als in die Schachtel gepackt wurde.
Die verlorenen Ruinen von Arnak von Michaela „Mín“ Štachová, Michal „Elwen“ Štach
Ein tolles Abenteuerspiel im gehobenen Familiensektor. Bisher waren wir nach jeder Partie fast schon ein klein wenig wehmütig, dass sie bereits vorbei war.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Timo
Hi Christian,
Danke für die super Zusammenfassung.
Ich spiele gerne auch Spiele zu zweit mit meiner Freundin. Bei manchen Titeln wird angegeben dass es funktioniert aber nicht wirklich Spaß macht. Wie sieht es bei den Ruinen von Arnack aus?
Viele Grüße Timo
Christian Renkel
Hallo Timo,
danke für deine lieben Worte. Es ist immer schön, wenn die eigene Arbeit geschätzt wird.
Meine Frau und ich spielen Arnak gerne zu zweit. Es ist eines der wenigen Spiele, das sie von sich selbst einfordert. Gut, es liegt bestimmt daran, dass sie häufiger gewinnt. 😉
Wobei ich auch dazu sagen muss, dass das Spiel für uns einfach funktioniert. Manchen ist es zu seicht, was ich verstehen kann. Jedoch spielt es sich einfach schön und trifft genau unsere Triggerpunkte.
Liebe Grüße
Christian
Wilfried Krämer
Guten Abend Christian,
Da ich vorhabe mir dieses Spiel zu kaufen und mir schon einige Videos diesbezüglich angeschaut habe,
hat mich diese Rezension überzeugt.
Auch wenn gegeneinander gespielt wird, habe ich nicht das Gefühl, das es ein Spiel ist wo mit harten Bandagen gekämpft wird, sondern, da es so viele Optionen gibt um an Punkte zu kommen, jeder Spieler immer einen Weg finden wird um letzten Endes doch noch den Sieg zu erringen.
Wobei ich mir vorstellen kann, dass die schiere Vielzahl an Möglichkeiten einen schon erschlagen kann, zum Anfang zumindest.
Ich spiele auch immer mit meiner Frau und hoffe, dass sie dieses Spiel nicht gleich so leicht durchschaut wie sonst, will sagen: Wir beide könnten Leidensgenossen sein. 🙂
Christian Renkel
Hallo mein Leidgenosse, 🙂
ich drücke dir die Daumen, dass du auch einmal siegreich aus einer Partie hervorgehen wirst.
Ansonsten könnten wir immer noch eine Selbsthilfegruppe gründen. 😉
Vielen Dank für dein Lob. Ich hoffe du besuchst und weiterhin.
Liebe Grüße
Christian
Wilfried Krämer
Hallo Christian,
Ich weiß es nicht, aber ich glaube, Frauen spielen irgendwie anders.
ich will nicht sagen ohne Überlegung, oh nein, aber einfach immer so wie ihnen es ihnen ihr Bauchgefühl vorschreibt. 🙂
Aber meine Frau ist so schlau und sie hat es auch schon gemerkt, dass ich jetzt öfter zu kooperativen Spielen greife.
Die aber auch uns beiden Spass machen.
Beste Grüße,
Wilfried