SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Jan Madejski
erschienen bei Asmodee, Granna
Ich erzähle euch nun etwas, das die wenigsten von mir wissen. Ja, es ist etwas peinlich, aber es muss einfach raus. Zu lange habe ich geschwiegen. Der Welt verheimlicht, was ich vor etwa 20 Jahren getan habe. Aber ich war einfach jung, naiv und dachte noch, dass ich die Welt allein mit meiner bloßen Vorstellungskraft aus den Angeln heben könnte! Und so habe ich nicht davor gezögert, diesen Schritt zu gehen. Ich habe versucht, ein eigenes Brettspiel zu entwerfen.
Jetzt ist es raus. Und nein, das waren nicht die zaghaften Versuche eines Kindes, die ich natürlich auch hinter mir habe. Damals mit meinen jungen Lenzen, als ich ein vollkommen erfolgreiches Würfel-Laufspiel mit Super Mario Land Thematik erschaffen habe. Erfolgreich getestet an meiner Mutter, meinem Bruder und zwei Cousins. Eigentlich hätte ich es bei Ravensburger einreichen sollen, bei so viel positiver Resonanz! 😉
Aber nein, ich spreche von einem Spiel mit dem Arbeitstitel der Zwerg im Berg. In meiner Vorstellung klang alles so toll, doch das Spiel selbst war derart grausam, dass ich meine Karriere als Spieldesigner sofort hingeworfen habe, was wahrscheinlich kein allzu großer Verlust für die Spielwelt war. Denn ein Zwergar wäre mein Machwerk nicht geworden.
(Karl Kraus)
Zwergar ist ein Arbeitereinsatzspiel mit nur einem eigenen Zwerg. Wird das nicht langweilig? Nein, denn es gibt noch drei Spezialisten, die wir im Verlauf einer Partei verwenden können. Diese müssen wir nicht mal umständlich freischalten. Wir erhalten bereits zu Spielbeginn zwei. Und setzen wir an einem Ort ein, an dem ein Spezialist steht, bekommen wir eben diesen für unseren Vorrat. Und nutzen wir den richtigen Spezialisten am passenden Ort, gibt es sogar noch einen Bonus.
Doch was lässt sich mit Arbeitern alles anstellen. Zuerst einmal der übliche Standard. Rohstoffe abbauen, Rohstoffe veredeln und Aufträge erfüllen. Was jedoch schon besonders ist: Rohstoffe (also die abgebauten Steine und Erze) erhalten wir nicht direkt, sondern füllen sie in den Aufzug, der die Sachen erst einmal nach oben transportieren muss, bevor wir sie erhalten. Dabei ist egal, wer den Aufzug bewegt, alle Wagen fahren nach oben und so erhalten wir auch gerne unsere Güter in Zügen unserer Mitspielenden.
Eine andere, wichtige Ressource ist die Hitze, die wir immer wieder brauchen. Diese erhalten wir entweder als vergängliche Variante (welche wir am Ende des Zuges verlieren) oder über fest installierte Öfen auf unserem Tableau, welche wir auch in die nächste Runde transportieren können. Es sei denn, wir installieren die Öfen auf dem Spielplan, wo wir eben einen Vorteil bekommen, wenn die zugehörige Aktion ausgelöst wird.
Zu Beginn der Runde gibt es noch Ereignisse, die das Zwergenleben etwas durcheinanderwirbeln. Außerdem können wir durch komplett erfüllte Aufträge Sonderfertigkeiten freischalten. Nach 10 Runden ist das Spiel vorbei und es gewinnt, wer am meisten Punkte sammeln konnte.
(Gimli (Herr der Ringe))
Bis auf ein großes Problem hat mir Zwergar in der ersten Partie sehr gut gefallen. Und zwar eines, was mich bis heute beschäftigt. Denn die Farben für schwarze und silberne Steine sind auf dem Spielplan zu identisch. Ich kann sie einfach nicht unterscheiden. Egal, wie viel Licht ich verwende für mich sieht beides aus, als wäre es eins. Von der Form mal abgesehen. Diese ist ein klein wenig unterschiedlich, sodass ich mich daran entlang hangle. Aber obwohl ich mich mit den verkopften Möglichkeiten von Zwergar auseinandersetzen müsste, bin ich die meiste Zeit damit beschäftigt zu schauen, ob ein Stein nun schwarz oder silber sein könnte. Sorry, aber das geht halt nicht.
Ansonsten ist Zwergar eine herrlich verzwickte Angelegenheit. Leider lässt sich in den Zügen der anderen nur bedingt vorausplanen. Denn je nachdem, welche Züge sie durchführen, ist die Situation schon mal extrem anders. Das bedeutet, dass ich wieder von vorne überlegen muss, wie ich vorgehe.
Und hier liegt ein extremer Analysis Paralysis Stolperstein. Zumal wir in unserem Zug drei Aktionen durchführen dürfen, was zu richtig schönen Verkettungen führt. Und einen auch direkt in den Wahnsinn treiben möchte. Denn habe ich alles durchdacht? Habe ich in der dritten Aktion wirklich die nötigen Ressourcen oder habe ich mich auf dem Weg verkalkuliert? Das ist einer der coolsten Aspekte, die Zwergar so mit sich bringt.
Weniger toll ist, dass der Ablauf eigentlich recht repetitiv ist. Jede Partie folgt nach dem immer gleichen Muster, ohne dass ich groß neues entdecke. So verlief dann meine Spielerfahrung mit Zwergar in etwa so, dass ich die erste Partie fasziniert und gleichzeitig überfordert war. Die nächsten Spiele wusste ich so langsam, was ich tue und kam dementsprechend gut in das Spiel.
Einige Partie später mochte ich Zwergar zwar immer noch, doch die Feuer wurde zur einfachen Glut, die ich bis jetzt nicht mehr so richtig entfachen konnte. Vielleicht muss jetzt einfach etwas Zeit ins Land gehen, bis ich die nächste Partie wieder so richtig genießen kann. Bis dahin bleibt es dabei. Ein gutes Spiel mit coolem Rohstoff-Transportmechanismus, bei dem ich mich immer noch über die Farbwahl auf dem Spielplan ärgere.
Zwergar von Jan Madejski
Ein wunderschön gestalteter Hirnzwirbler, der im Ablauf leider etwas repetitiv ist. Auch die Ressourcen Farbwahl ist alles andere als glücklich. Dennoch etwas für Menschen, die durch geschickte Planung noch das letzte Pünktchen herausholen möchten.
Christian:
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