SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Michael Rieneck
erschienen bei Kosmos
Mit meinem folgenden Geständnis lehne ich mich nun ganz weit aus dem Fenster. Ich mag die Herr der Ringe Verfilmungen von Peter Jackson nicht. Ich weiß, eigentlich müsste ich sie lieben. Denn sie werfen alles in den Ring, was Fantasy so auffahren kann. Aber nein, die Liebe mag nicht überspringen.
Als die Filme damals herauskamen, war ich noch voll in den Büchern und habe mir nach dem Kinobesuch das Maul über die Änderungen zerrissen. Ein fehlender Tomb Bombadil, ein skatender Legolas oder die breit ausgetretene Love Story zwischen Arwen und Aragorn erzürnten mich. Die Filme zeigten einfach nicht das, was ich sehen wollte. Heutzutage kann ich mit den Schultern zucken und darüber hinwegsehen.
Zum einen liegt das daran, weil die Herr der Ringe Filme zu den liebsten meines Sohnes gehören. Gut, er kann sie inzwischen Wort für Wort mitsprechen, aber jeder hat so seine Marotten. Zusätzlich genieße ich, was das für den Brettspielmarkt bedeutet. Denn auch hier landen immer wieder Spiele, die auf der berühmten IP aufbauen. Zuletzt der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg. Ein kooperatives Familienspiel in der berühmten Welt von J.R.R. Tolkien.
Wir haben uns zusammen auf den Weg begeben, um Sauron zurück in seine Schranken zu weisen. Ob wir es genossen haben und was das Spiel nicht bietet, erzählen wir euch hier.
(Legolas – Herr der Ringe)
Der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg zeigt bereits im Titel, dass es sich hierbei um ein kooperatives Spiel handelt. Alle Mitspielenden versuchen zusammen die Hürden zu nehmen, die das Spiel bietet. Dabei haben wir insgesamt fünf Figuren, die die Gemeinschaft des Ringes darstellen. Jede Figur hat dabei eine eigene Farbe, die den beiliegenden Würfeln entsprechen.
Gespielt wird in Etappen. Das bedeutet, dass am Spielfeldrand immer Karten ausliegen, die die aktuelle Wegstrecke des Ringträgers darstellen. Auf den Karten befinden sich Antagonisten oder Freunde, die das Spiel beeinflussen. So können Feinde einen zu einem Kampf zwingen, während positiv gesinnte uns einen Vorteil verschaffen.
Am Zug wählt man zwei Gefährtenwürfel und wirft diese mit den zwei schwarzen Würfeln. Von den Ergebnissen muss man nun einen Gefährten- und einen schwarzen Würfel wählen, die in diese Runde ausgeführt werden sollen. Danach nimmt man einen weiteren Gefährtenwürfel hinzu (man entschuldige bitte die Wiederholung, aber mir ist keine bessere Umschreibung eingefallen, die auch noch verständlich gewesen wäre) und wirft diesen mit den übrigens zwei Würfeln aus dem vorherigen Wurf erneut. Auch hier sucht man wieder einen Gefährtenwürfel aus und muss den schwarzen nehmen, wie er ist.
Danach werden die Würfel nacheinander abgehandelt. Zuerst das erste Ereignis, welches dem Ergebnis des ersten schwarzen Würfels entspricht. Danach wird die eigene Figur der passenden Farbe um so viele Felder weitergezogen, die dem Ergebnis des ersten Würfels entsprechen. Ist es ein Feind, werden wir negative Auswirkungen haben, ist es ein Freund, nehmen wir die Karte an uns und können sie ab dem Zeitpunkt verwenden. Dadurch entstehen leere Felder, die die dort abgebildeten Gefährten wieder ziehen lassen, wenn wir das entsprechende Ergebnis mit einem schwarzen Würfel ausführen würden.
Sind die anderen beiden Würfel genauso ausgewertet, ist der eigene Zug vorbei und man gibt die Verantwortung weiter. Als Gefahren gibt es neben Feldern, die uns korrumpieren (heißt den Ring auf der Skala in die schlechte Richtung verschieben) noch diejenigen, die uns zwingen, einen Nazgul nach Minas Morgul zu stellen.
Außerdem werden wir Kämpfe bestreiten, für die wir einen Kampfwürfel werfen. Die Kämpfe gewinnen wir, wenn dieser eine Seite mit der Waffe eines Gefährten anzeigt, der sich auf derselben Etappe wie der Ringträger befindet und dabei vor ihm auf dem Weg steht.
Die letzte Etappe wird der Ringträger alleine gehen. Die letzten Felder zum Schicksalsberg werden nur noch mit einem schwarzen Würfel bestritten, während der Ringträger nur noch ein einzelnes Feld läuft. Kommt man am Schicksalsberg an, gewinnt die Gruppe das Spiel. Wird man irgendwann gezwungen, den letzten Nazgul nach Minas Morgul zu stellen oder erreichen wir das letzte Feld der Zuversichtsleiste, verlieren wir.
Die komplette Spielregel zu Der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg findet ihr hier. (externer Link)
(Aragorn – Herr der Ringe)
Herr der Ringe Fans werden beim Blick auf das Spielfeld erst einmal verwirrt sein. Denn abgebildet ist hier nicht die altbekannte Karte von Mittelerde, sondern ein wunderschön illustrierter Überblick über die Reise der Gefährten. Mich erfüllt der Anblick des Spielbretts immer wieder mit einem wohligen Gefühl. Es wirkt auf mich, als würde direkt in ein toll bebildertes Buch schauen. Einfach schön. Auch wenn wir im Kern nur eine Kette an aneinandergereihten Feldern vor uns haben.
Wer nun Angst hat, dass es sich um ein ganz simples Würfel-Laufspiel-Prinzip handelt, liegt zwar nicht komplett falsch, aber eben auch nicht richtig. Denn es gibt schon Entscheidungen zu treffen. Diese sind zwar nicht allzu herausfordernd, aber vorhanden. Im Kern ist vieles schon gewonnen, wenn man aufpasst, dass der Ringträger sich nicht zu schnell bewegt, um Kämpfe zu erleichtern. Der Rest ist dann vorwiegend Würfelglück.
Das macht Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg zu einem netten Spielvergnügen. Die Aufgabe ist nicht schwer zu begreifen oder zu erfüllen. Das bindet Kinder genauso gut mit ein. Das Spielprinzip ist natürlich vollkommen anfällig dafür, dass eine Person die komplette Partie an sich reißt, aber dadurch schafft man es eben auch jüngeren Mitspielenden richtig unter die Arme zu greifen.
Dennoch ist der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg zwar gut spielbar, aber befriedigt nicht nachhaltig. Vor allem dann, wenn man festgestellt hat, dass man einfach glücklich gewürfelt hat. Wen das nicht stört und sich auch für das eigene Glück feiern kann, dem ist das Brettspiel natürlich direkt ans Herz gelegt. Allen anderen, für die ein Brettspiel vor allem aus interessanten Entscheidungen besteht, sollten sich mit einem anderen Titel aus der Herr der Ringe IP beschäftigen.
Der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg von Michael Rieneck
Ein nettes Spiel, welches eher jüngere Mittelerde Fans oder Menschen, die einfache Brettspiele mögen, anspricht. Ich würde mich zwar nicht weigern mitzuspielen, aber bevorzuge dann doch andere Titel.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Michi
Schöne Rezi.
Entspricht meinem Eindruck von dem was ich bisher gesehen habe.
Normal mag ich das Glückselement nicht so, aber hier hat das Setting definitiv gewonnen.
Wir erhoffen uns eine schöne gemeinsame Zeit mit dem Spiel. Und ab und zu ist es ja auch gut wenn man nicht nur die Dicken Euros zum grübeln hat 😉
Christian Renkel
Vielen Dank für das Lob. Das hört man gerne. 🙂
Ja, man muss nicht immer die extremen Klopper spielen und ich kann verstehen, wenn es dir das Szenario (und die tollen Illustrationen!!) angetan haben. Das Spiel ist ja auch gut spielbar, nur eben nichts nachhaltig beeindruckendes.
Aber wir spielen auch gerne „seichtere“ Spiele. Mit meiner Mutter zum Beispiel als Dauerbrenner Azul und Take That. Wenn wir zu Besuch sind, kommen beide immer auf den Tisch.
KK
Die Abneigung gegen die Verfilmung teilen wir – sie macht all denen, die sie vor der Lektüre des Buches sehen, ein einzigartiges und superspannendes Leseerlebnis kaputt und verhindert die dabei entstehenden eigenen Bilder im Kopf, da man die Bücher nach den Filmen nur noch mit den Bildern von Peter Jackson im Kopf liest: Movie killed the fantasy star!
Zum Spiel: Habe gerade wieder meinen alten RINGKRIEG herausgekramt – nicht kooperativ, aber was für eine Umsetzung dieser epischen Geschichte in ein Spiel. Kooperativ gibts (oder gabs?) den Herrn der Ringe ja noch von Knizia bei Kosmos, hab ich aber noch nie gespielt. Dürfte aber weniger Würfeldominanz aufweisen als dieses hier.
Christian Renkel
Der Ringkrieg spielt natürlich in einer ganz anderen Liga! Das Spiel ist einfach episch.
Von Knizias kooperativen Herr der Ringe Spiel war ich nie so angetan. Das war mir immer viel zu abstrakt. Es ist aber auch schon Jahrzehnte her, dass ich es gespielt habe. Ich kann mich nur an Lauffelder über diverse Bretter erinnern und dass man zum Beispiel eine Karte mit einem Ring ablegen musste, um ein Schritt auf ein Ringfeld zu machen. Vor kurzem gab es ja eine Neuauflage dazu, aber die habe ich mir nicht näher angesehen.