SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von David Thompson
erschienen bei Kosmos
Trotz all der Schelte, die die Deutsche Bahn über sich ergehen lassen muss, geht von Zügen eine unglaubliche Faszination aus. Sei es als Reisender, wenn man das Glück hat, ein fast leeres Abteil vorzufinden und den vollen Komfort zu spüren bekommt, oder eben in Brettspielen. In Letzteren schaffen es die Boliden immer wieder das Herz aufblühen zu lassen. Mal als knallhartes Aktienspiel in einem der vielen 18XX Szenarien, mal durch ein leichter verdaulichem, aber nicht weniger bösartigem Zug um Zug. Und wirft man einen Blick über den Tellerrand, geht die Liebe zur Eisenbahn noch viel weiter. So sehr, dass man geschützt in den eigenen vier Wänden eine Bahnreise erleben kann. Auf Youtube gibt es genügend Möglichkeiten, dieser Lust zu frönen.
Doch wir sind hier nicht bei der Eisebahn-Romantik im SWR, sondern bei den gemeinsamen analogen Freuden des Lebens. Hier zählt nur eines, macht ein Spiel Spaß oder nicht? Und dieser Herausforderung muss sich heute Switch & Signal stellen. Ein Spiel, das David Thompson extra für seine Eltern designt hat, bei dem keine Fahrkarten kontrolliert, sondern der logistische Albtraum der Schienen geordnet werden möchte.
(Wilhelm Pällmann)
Eigentlich ist die Aufgabe ganz einfach. Hol Rohstoffe in Städten ab und bring sie ans Ziel. Hierfür stehen uns drei unterschiedliche Zugarten zur Verfügung, die von langsam bis schnell unterteilt sind. Dabei haben wir jedoch nicht immer Einfluss darauf, wann sich eine Lok bewegt. Geschweige denn um wie viele Felder.
Zu Zugbeginn wird eine Ereigniskarte aufgedeckt. Diese bestimmt, ob neue Züge eingesetzt werden müssen und welche sich bewegen. Die Bewegung erfolgt über Würfel, wobei sich jeder Zug einer Farbe zu bewegen hat. Wenn alles gut läuft, fahren die Maschinen über passend eingestellte Gleise an grünen Signalen vorbei in die Städte. Ist der Weg nicht frei oder fahren wir auf Züge auf, gibt es zwar keinen Unfall, aber wir verlieren wertvolle Zeit.
Damit wir auch etwas Kontrolle über das Geschehen haben, hält das Spiel Aktionskarten für uns bereit. Mit diesen können wir eben Weichen oder Signale verstellen und einzelne Züge bewegen oder beladen.
Kommt ein beladener Zug in der Zielstadt an, gibt er seine Ware ab und stellt sich zurück ins Depot. Sind alle Waren geliefert, haben wir gewonnen. Sind alle Ereigniskarten aufgebraucht, verlieren wir das Spiel.
Die komplette Spielregel zu Switch & Signal findet ihr hier. (externer Link)
(John Ruskin)
Ich weiß schon, warum ich kein Disponent geworden bin. Von allen Seiten strömen Informationen auf einen ein, man plant sich um Kopf und Kragen und wird es dennoch nie jedem recht machen können. Ein ähnliches Szenario baut sich bei Switch & Signal auf. Denn das Spiel macht Druck an allen Fronten. Während man sich zu Beginn der ersten Partie noch denkt, dass das alles ja gar kein Problem darstellt, wird man sich bald fühlen, als wäre man von einem Zug überrollt worden.
Toll ist, dass es das Spiel schafft, selbst mit einer unterschiedlichen Anzahl an Spielern auf dem gleichen Schwierigkeitsniveau zu bleiben. Hier skaliert nichts und auch mehr Spieler sind kein Garant dafür, dass man es leichter hat. Weniger gut, das Spiel verzeiht keine großen Fehlentscheidungen. Sind diese einmal passiert, kann es sein, dass das Spiel bereits ab der Hälfte unlösbar wird.
Denn Switch & Signal beschränkt sich hier ein wenig zu sehr auf die Aktionskarten und ihre paar Möglichkeiten, sie zu verwenden. Es gibt keine tollen Kettenreaktionen, die man durch richtig gutes Spiel auslösen kann, sondern eben „nur“ eine passende Bewegung über richtig eingestellte Strecken.
Dabei hat das Glück einen sehr großen Anteil an Sieg und Niederlage. Bewegt sich ein langsamer Zug wirklich immer nur ein Feld weiter oder rast er quer über die Karte, weil man das Glück hat, immer den höchsten Wert zu würfeln? Bewegen sich die Züge gleichmäßig oder doch so ungünstig, dass sie kollidieren? Werden Züge immer an derselben Stelle eingesetzt, anstatt passend verteilt? Alles wird durch Würfel entschieden. Das gibt dem Spiel eine weitere spannende Ebene, wenn man denn damit leben kann, dass man damit einen gewissen Kontrollverlust erleidet.
Switch & Signal macht einen guten Job. Es vereint am Spieltisch und regt Diskussionen über die richtige Vorgehensweise an. Für meinen Geschmack hat es dann doch ein klein wenig zu viel Glück für eine logistische Aufgabe. Wobei dieses natürlich viel Emotion in ein eher trockenes Thema bringt.
Switch & Signal von David Thompson
Ein gutes kommunikatives Spiel, mit hohem Glücksanteil.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
Mehr Informationen zu Affiliate Links und Rezensionsexemplaren findet ihr in unserer Übersicht zur Transparenz und in den Bestimmungen zum Datenschutz.
Ralf
Hallo Tom,
da du die Spielbarkeit ansprichst. Ich hab ja auch einen Schrank voll Spiele. Aber zu 90 % spielen wir zu Zweit( coronabedingt sowieso).
Hier haben wir festgestellt, daß Spiele die für 4, 5 oder mehr Mitspieler nach oben ausgelegt sind, so gut wie nie in 2er Partien zufriedenstellend spielbar sind. Es gibt kaum ein Spiel in dem wir für 2er Partien nicht nach kurzer Zeit eine Hausregel gemacht haben. (Siehe London mit nur 70 Karten zu spielen, derzeit testen wir alternativ mit einem Handlimit von 6 Karten zu spielen. Das beschleunigt das langatmige 2er Spiel auch). Das wäre doch einmal ein Diskussionsthema ?
Gruß
Ralf
Christian Renkel
Hi Ralf,
ich denke, dass viel zu häufig vom Marketing eingefordert wird, dass ein Spiel auch zu zweit spielbar sein muss. Auf der einen Seite verstehe ich natürlich, dass man das Spiel an möglichst viele Spieltische bringen möchte, es bringt aber nichts, deswegen einfach die Spielerzahl zu ändern oder eine Behelfskrücke zu bauen…
Wir spielen auch sehr vieles zu zweit. Und ich habe dasselbe Problem, wie du. Was zu dritt oder viert sehr gut funktioniert, kann zu zweit einfach nur lahm sein. Wobei es auch anders herum geht. Es kann auch zu einem richtig schönen Hauen und Stechen kommen (siehe Renature, das schon böse ist, zu zweit aber richtig direkt und zielgerichtet… 😉 ).
Bei Switch & Signal haben wir ein Spiel, bei dem es egal ist, mit wie vielen Spielern man spielt. Das Ergebnis bleibt gleich, nur der einzelne kommt seltener dran. Aber am Spiel ändert sich überhaupt nichts. Was ich auch mal interessant finde.
Grüße
Christian
Ralf
Christian, geb ich dir Recht. Wir haben mit Deus nur ein 4er Spiel das wir zu Zweit spielen und das kurioserweise in dieser Besetzung besser ist als zu viert, weil mehr Planung und Konfrontation. Ich stelle aber fest, das Angebot an 2er Spielen wird grösser. Leider sind das häufig Kriegsthematiken oder das übliche Mittelalter. Gut find ich die kleiner 2er von Frosted Games. Vor allem Hochverrat ist toll.
Auch die Zielsetzung. Normalerweise gewinnt in dieser spielerischen Gerichtsverhandlung immer die Verteidigung. Die Herausforderung ist es, als Stastsanwalt eine Verurteilung zu erreichen. Also nicht nur asymetrisch, nein stark asymetrisches Spiel. Klasse Idee.