SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Jean Philippe Sahut, Julien Prothière
erschienen bei Huch!
Es ist schon erstaunlich, dass es ein Theaterstück aus dem 16. Jahrhundert schafft, bis heute bestehen zu bleiben. Nicht nur das, es hat sich mit seinen Wurzeln tief in die Popkultur eingegraben, sodass auch Menschen, die nie einer Bühne nahegekommen sind, die berühmte Balkonszene kennen und zu zitieren versuchen. Natülrich handelt es sich hierbei um Romeo & Julia, was ihr euch beim Titel des hier zu besprechenden Spiels garantiert schon gedacht habt.
Doch hier haben wir es nicht mit dem Schauspiel zu tun. Oder doch? Denn das Spiel präsentiert sich wie eine Bühne und die Figuren wie Komparsen, die von uns per Regieanweisungen vorangetrieben werden. Doch schaffen wir es auch das Drama zu einem glücklicheren Ende zu bringen, als es im Original der Fall war?
(Romeo & Julia)
Romeo & Julia ist ein nonkommunikatives kooperatives Spiel. Das bedeutet, dass wir im Normalfall nicht miteinander Sprechen. Lediglich beim Abwerfen eines Botschaft-Tokens ist es euch erlaubt, einen Ort zu nennen, an dem ihr euch wahrscheinlich aufhalten werdet. Neben der Entscheidung des Ortes sind noch weitere zu fällen. Nämlich zuerst einmal, ob wir uns in dieser Runde für Verstand oder Leidenschaft entscheiden. Ersteres wird mit Botschaft-Tokens belohnt, was uns wieder hilft Informationen auszutauschen, Letzteres ist für den Sieg unerlässlich. Denn nur wenn sich Romeo & Julia am selben Ort aufhalten und die Leidenschaft gewählt wurde, kann die Liebe wachsen.
Als Nächstes ist noch zu entscheiden, an welchen Ort wir uns bewegen und wen wir dabei mitnehmen. Jedoch sind wir nicht komplett frei in der Wahl, sondern müssen aus unseren Handkarten diejenigen aussuchen, die die besten Erfolgsaussichten versprechen. Zusätzlich bietet jeder Ort noch eine Sonderaktion, mit der wir das Geschehen weiter beeinflussen können.
Wie oben erwähnt, wächst die Liebe, wenn Romeo & Julia am selben Ort stehen und die Leidenschaft gewählt wurde. Zehnmal müssen wir das schaffen, um zu gewinnen. Gleichzeitig sollten jedoch die verfeindeten Familien nicht aufeinandertreffen, da sonst der Hass in Verona anwächst. Nimmt dieser überhand, verlieren wir. Neben Bruder Lorenzo, der dafür sorgt, dass die Familien sich brav ignorieren, gibt es noch die Allegorie des Hasses, die als Sinnbild dafür sorgt, dass die Feindschaft weiter wächst, sofern sie auf die Charaktere losgelassen wird.
Zusätzliche Regeln, die im Verlauf der Partie vom zugehörigen Stapel gezogen werden, sorgen noch für weitere Hindernisse, die die Liebe bewältigen muss.
Die komplette Spielregel zu Romeo und Julia findet ihr hier. (externer Link)
(Romeo & Julia)
Zuerst fällt einem bei Romeo & Julia erst einmal eines auf. Die Gestaltung ist einfach nur gelungen. Das beginnt bei der Spielschachtel, die sich zu einer Art Bühne entfaltet, auf der das Schauspiel stattfindet und endet in den direkt bedruckten Charakter-Tokens. Vorbei die Zeit, in der wir Aufkleber anbringen mussten, die sich irgendwann durch verschwitzte Hände lösten. Dabei laden die Bilder dazu ein, direkt in das Stück zu versinken.
Dem entgegen steht ein eher abstraktes Problem, das es zu lösen gibt. Wie schaffe ich es unterschiedlich farbige Holzscheiben (und Aufsteller) voneinander fernzuhalten und gleichzeitig Romeo & Julia am selben Ort zu vereinen, ohne miteinander sprechen zu können. Was in der ersten Partie noch für unüberwindbare Situationen sorgt, löst sich bereits in der zweiten Partie in wohlgefallen auf. Zumindest dann, wenn man nach dem Spiel gemeinsam reflektiert, was denn nun genau schief gelaufen ist. Das macht Romeo & Julia zu einem interessanten Problem, das aber auf Dauer etwas an Reiz verliert.
Denn wie Geschichte wiederholt sich das Spiel auch immer wieder. Wir durchlaufen stets dieselben Phasen ohne großartige Abwechslung im Spielverlauf. Das mag jetzt schlimmer klingen, als es tatsächlich ist. Denn durch die angenehm kurze Spieldauer relativiert sich der Umstand. Wichtiger ist jedoch die Willkür, die auf die Spieler einprasseln kann. Denn die Ereignisse, die zufällig ins Spiel kommen, können natürlich zur allgemeinen Spielsituation passen oder diese gezielt torpedieren. Sogar so weit, dass ein Spiel bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilt sein kann. Das muss man einfach wissen und damit klarkommen. Wobei ich erneut auf die kurze Spieldauer hinweisen möchte. Natürlich ist es schöner, wenn man weiß, dass ein Spiel auf jeden Fall lösbar ist, wenn man sich nur anstrengt. Aber es ist schon etwas anderes, nach 2 Stunden Spiel zu entdecken, dass das aktuelle Szenario in dieser Konstellation unlösbar ist oder eben, wie hier nach 15 Minuten.
Auch wenn sich Romeo & Julia bei uns nicht als Dauerbrenner entpuppt hat, den wir immer und immer von vorn beginnen wollten, haben wir unsere Partien genossen. Nicht weil wir in die Ränkeschmiede in Verona und die daraus resultierende Tragödie gezogen wurden, sondern einfach, weil das abstrakte Logikrätsel mit seinen beschränkten Entscheidungsmöglichkeiten dafür sorgte, dass wir nicht einfach das nächste 08/15 Spiel nach Schema F herunterrattern konnten. Das macht für mich aus Romeo & Julia ein besonderes Spiel für besondere Leute, die gerne gemeinsam Rätsel lösen, ohne miteinander zu sprechen.
Romeo und Julia von Jean Philippe Sahut, Julien Prothière
Ein Logik-Rätsel im tragischen Gewandt der Liebe, welches eher durch seine abstrakte Knobelei, als über des Themas überzeugt.
Christian:
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