SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Elisa Prashad
erschienen bei Analog Game Studios
Ich werde euch jetzt allen ein Geheimnis verraten. Etwas, das ich bisher vor allen bewahren konnte. Und egal, wie sehr es in mir brannte, ich habe es stets in meinem Innersten verschlossen und nie preisgeben können. Aber nun im Kreise meiner, mir teilweise nicht persönlich bekannten Freunde, kann ich endlich die Kraft aufbringen und es laut in die Welt Posaunen. Es Schreiend vortragen, um am Echo labend den riesigen Brocken vom Herzen fallen zu lassen. Ich kann nicht tanzen.
Zum Glück ist das keine Grundvoraussetzung, um On Pointe spielen zu können. Aber ob ein Faible fürs Ballett von Vorteil wäre und wie ich mich beim drehen der Pirouetten angestellt habe, erzähle ich euch hier.
(Anne Morrow Lindbergh)
In On Pointe spielen wir das berufliche Leben einer Tänzerin nach. Von den Proben schaffen wir es über das Vortanzen direkt auf die Bühne, um unser Können zu beweisen. Alle Stationen durchlaufen wir dabei mit grazilen Schritten. Am Zug suchen wir uns eine der offen liegenden Bewegungskarten aus und bewegen uns dieser entsprechend. Dabei dürfen wir keine Tänzer oder Hindernisse passieren. Liegt auf dem Feld, auf dem wir ankommen ein Bonussymbol, nehmen wir dieses auf. Gleiches gilt, wenn wir auf eines der Sonderfelder kommen und einen Edelstein nehmen dürfen.
Gesammelte, neutrale Tänzer geben Minuspunkte, während passende Pärchen einen Bonus einbringen. Um das Sammeln zu erleichtern, hat jeder Spieler ein Repertoire aus fünf Sonderzügen, die man verwenden kann, um zum Beispiel ein Plättchen mit einem Mitspieler zu tauschen.
Ist ein Spieler im Ziel, dürfen alle anderen nur noch in Richtung Bühne tanzen. Haben alle das Ziel erreicht, gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.
(Sir Yehudi Menuhin)
Um eines ganz klar vorwegzusagen. Ich bin so überhaupt nicht die Zielgruppe von On Pointe. Zwar stehe ich auf Spiele, die nicht immer ausgetretenen Pfade entlangtrampeln, aber dennoch ist dieser Titel eben vorwiegend auf jüngere Mädchen zugeschnitten. Das ist nicht weiter schlimm, denn bei diesen punktet es eben eher durch die Optik als dem Spielerischen. Und die Aufmachung ist wirklich klasse. Man erkennt klar die einzelnen Stationen, die man durchläuft, um dem großen Ziel immer näher zu kommen. Auch Details wie die große Bühne und der Vorhang, hinter dem man hervortritt, dienen natürlich vorwiegend der Atmosphäre, als dass sie etwas zum Spielgeschehen beitragen.
Was dem Spiel ganz klar fehlt, sind die Zwänge. Man hat es viel zu einfach voranzukommen, in die Richtung zu tanzen, die man möchte, da viel zu viele Bewegungskarten ausliegen. Viel zu selten kann man es seinen Mitspielern schwer machen. Und so besteht die einzige Schwierigkeit als erster die Stationen abzutanzen und dann im besten Fall nicht nur Prima Ballerina zu werden, sondern auch direkt als erste auf ins Ziel zu gelangen.
Nett ist das Detail, dass jeweils zwei zu sammelnde Gegenstände zusammen gehören und ein Paar bilden. Hierfür gibt es dann weitere Sonderpunkte. Durch die Sonderfähigkeit mit anderen Spielern Objekte tauschen zu können, sorgt jedoch für einen weiteren Wohlfühlfaktor. Hier ist das Spiel so gebaut, dass von einem Tausch jeder eher profitiert, als dass man gezielt Steine in den Weg legen könnte. Und gerade das wohlige Bauchgefühl ist Grundlage des kompletten Spiels. Es gibt kaum Konkurrenzdruck, was Kindern gefallen dürfte, für mich aber eher zu einer „netten“ Spielerfahrung führt. Und wir alle wissen, wie die Schwester von nett heißt.
Wie gesagt, ich verstehe, dass das Spiel eben auf ein jüngeres Publikum abzielt, aber warum man die Möglichkeit einer fortgeschrittenen Variante mit dem thematischen Konkurrenzdruck des Balletts nicht aufgegriffen hat, finde ich äußerst schade. Vielleicht sogar ein Modus in Form eines einfachen Deckbuilders, in dem man Schritt für Schritt sein Repertoire ausbaut.
So bleibt ein relativ emotionsarmes, wenn auch schönes Spiel, das sich schwer tut, Menschen abzuholen, die keine Fans des Ausdruckstanzes sind. Habt ihr jedoch kleine Ballett-Fans Zuhause könnt ihr die Wertung wahrscheinlich eher verdoppeln. Würde ich es mit Kindern mitspielen, die Spaß damit haben? Aber sicher! Denn es hat eine angenehme Spielzeit und ist keines der Spiele, zu welchen man sich zwingen muss. Aber dennoch gibt es auch Kinderspiele, die ich selbst mit der passenden Erwachsenenrunde gerne auf den Tisch bringe. On Pointe gehört da nicht dazu.
On Pointe von Elisa Prashad
Ein viel zu friedliches Spiel, das man Kindern zuliebe gerne spielt, dem es jedoch an Zwängen und Aktionen zum Ärgern der Mitspieler fehlt. Kinder, die etwas mit Ballett anfangen können, würden die Bewertung wahrscheinlich eher verdoppeln.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Ralf
Hi, ja die Aufmachung ist wunderschön. Aber das Thema…..
Übrigens, wir bekommen demnächst aus der cooperativen/solo spielbaren Ecke demnächst
„Crusader Kingdom“ von Osprey Games. Ein kartengetriebenes Spiel in der du/die Spieler einen Kreuzzug im „holy land“ machen. Die Regeln klingen relativ simplel, aber das macht ein Spiel nicht automatisch schlecht. Wir sind gespannt.
Gruesse an Alle
Christian Renkel
Wie gesagt, ich mag Titel mit andersartigen Themen. Gut, man fällt dabei auch gerne mal hin, aber ab und an sind da auch besondere Spiele dabei. Aber, wenn die On Pointe schon nicht anspricht, dann schau dir Cover Me besser nicht an. 😉
Crusader Kingdom klingt interessant. Schau ich mir gleich an. Ich bin gespannt, was du wieder schönes gefunden hast.
Richard MacRae
Enjoyed reading the On Pointe review; nicely written. You understood the whole idea of the game very well – a game for girls (and boys) who love ballet dance.
They typically like to collect gems and treasures and are not amused by conflict when playing with friends and although it’s a race to the stage, it’s not the one who gets there first who necessarily wins, but rather those who successfully collect the most points.
Thanks for taking the time to review On Pointe. You are now one of the few grown men to have played a ballet themed board game – we hope it gives you serious bragging rights. ???♀️?
Christian Renkel
Hey Richard,
thank you for one of the greatest comments of all time. 🙂
I’ve given On Pointe to a family with two girls. I hope they have much fun and will tell us soon about it.
Have a nice day
Christian
Henrik Schimmel
Ich finde es immer schön, wenn in einem Brettspiel die zugehörige Thematik mit erkennbar viel Liebe eingearbeitet ist. Das ist bei „On Pointe“ eindeutig der Fall, sodass es ein Leichtes ist, Tanz-/Ballett-Liebhaber (mich eingeschlossen) für so ein Spiel zu gewinnen.
Die Aufmachung ist ja auch gar nicht das, was der Autor kritisiert hat. Hinsichtlich Aufmachung wird es hier keine zwei Meinungen geben.
Was das Gameplay angeht, empfehle ich ein wenig zu experimentieren: Neue Karten einführen; Karten markieren, sodass nur zwei statt der vier aufgedrucke Bewegungsrichtungen möglich sind; in der Auslage weniger Karten hinlegen, um die Bewegungsfreiheit zu begrenzen oder jeden Spieler seine eigenen Karten ziehen lassen…
Ein Deck-Building-Mechanismus wie bei z.B. „Dominion“ oder „Die Wikinger Saga“ wäre sicher großartig! Man könnte auch beides vermischen, man baut also ein Deck und hat immer ein paar Karten auf der Hand, kann aber auch welche aus der Auslage verwenden, wofür man dann z.B. einen der NPC-Tänzer (-1 Punkt) nehmen muss. Damit so etwas funktioniert, müsste man tatsächlich eine große Auswahl an Karten bieten. Zum Beispiel die vorhandenen Karten eben so „aufbrechen“, dass auf jeder Karte nur noch eine oder zwei Richtungen statt vier zu sehen sind. Und neue Bewegungen einführen wie z.B. das Überspringen anderer Tänzer (Spieler oder NPC), Platztausch mit einem benachbarten Tänzer etc.
Die Vielspieler unter uns, die auch bei anderen Spielen gerne mit Regelvarianten experimentieren, werden das hier definitiv auch tun können.
Gruß, Henrik (selbst mit über 100 Brettspielen zu Hause)