SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Antonio Tinto
erschienen bei Cranio Creations, Schmidt Spiele
Stell dich in einen Laden mit Brettspielen und wirf einen Lego-Stein in eine beliebige Richtung. Du wirst mit immer höherer Wahrscheinlichkeit ein Escape-Spiel treffen. Dafür, dass der Aufschrei zur Ressourcen-Verschwendung, bei der Ankündigung zu EXIT noch recht groß war, hat das Genre inzwischen eine enorm starke Zugkraft. Ständig werden immer weitere Escape-Spiele angekündigt, die natürlich in ihrer Qualität stark schwanken. Seltener ist dabei ein neues Konzept, das sich nicht rein auf ausgetretene Pfade verlässt.
Mystery House ist eines der Spiele, das sich an neue Ideen heranwagt. Ob es das Genre damit revolutioniert oder doch eher absäuft, lest ihr hier.
(Kahlil Gibran)
Bevor wir eines der beiden beiliegenden Abenteuer spielen können, müssen wir dieses vorbereiten. Hierzu nehmen wir die „Wände“ aus der Box und fügen diese in die aufgedruckten Koordinaten. Herausfordernd, wir sollten dabei möglichst keinen Blick auf das aufgedruckte Bild werfen. Schwer ist, dass wir gleichzeitig einen Teil der Karte auspöppeln müssen, wenn dort ein Teil ausgestanzt ist.
Sind wir bereit, starten wir die App. Dort erhalten wir eine kleine Story, die es vorzulesen gilt, und schon können wir starten. Im Verlauf des Spiels untersuchen wir die Wände, die wir von außen einsehen können. Finden wir dabei etwas Interessantes, geben wir die Koordinate in die App ein und wählen dann aus einer langen Liste, was wir gesehen haben.
Der wichtigste Teil der Regeln steht dabei ganz unscheinbar da. Dieser gehört fett gedruckt, in einen eigenen Kasten mit leuchtenden Farben markiert und achtmal unterstrichen!!! Denn, man kann nicht nur mit Wänden interagieren, die direkt sichtbar sind. Nein, ist ein Zugang da, kann man auch um die Ecke gehen, bis ans Ende des Ganges. So, als ob man sich in einem normalen Haus bewegen würde.
Zusätzlich ist es möglich, Gegenstände, die wir zuvor gefunden haben, mit dem Ort zu verwenden oder einen benötigten Code einzugeben. So entfernen wir immer mehr Wände und kommen weiter voran, bis wir das letzte Rätsel lösen.
Aber Vorsicht. Liegen wir irgendwo falsch, werden uns 30 Strafsekunden abgezogen. Ärgerlich, aber nicht allzu schlimm, denn wir können auch nach Ablauf der 60 Minuten weiterspielen. Jedoch wird sich das auf die Bewertung unserer Leistungen auswirken.
(Thornton Wilder)
Wie ihr in den Regeln bereits lesen konntet, haben wir einen Teil der Regeln nicht sofort verstanden. Im Nachgang ist das natürlich vollkommen logisch, dass man einen Gang entlang gehen kann, und man selbst wundert sich, wie man überhaupt auf eine falsche Annahme kommen könnte, jedoch haben wir ein halbes Abenteuer gebraucht, bis uns das klar war. Hat man das erst einmal verinnerlicht, muss man sich nur noch mit zwei Dingen herumschlagen. Zum einen alle Hinweise zu finden. Das stellt sich manchmal schwerer raus, als es sein sollte. Denn, im Inneren des Hauses ist es natürlich dunkel. Leuchtet man mit einer Lampe rein, kommt es zu Reflexionen. Wäre nun zum Beispiel die Aufgabe, dass man alle kleinen, versteckten Sterne finden soll, wird dies dadurch unnötig erschwert. Und keine Angst, das war jetzt kein Spoiler.
Dann hat Mystery House noch dasselbe Problem, welches alle Spiele mit Inventarrätseln mit sich bringen. Unlogische Kombinationen, die man mit seinem Inventar und der Spielwelt verknüpfen muss. Was halb so schlimm wäre, wenn das nicht immer eine Zeitstrafe nach sich ziehen würde. Ok, dadurch wird sinnlosem Kombinieren ein Riegel vorgeschoben, aber wie man auf die Lösung des folgenden Rätsels kommen soll, erschließt sich mir nicht. Und ja, es folgt jetzt ein SPOILER – Hier wird das erste Rätsel des Abenteuers „Der Herr des Labyrinths“ gelöst. Wer das nicht möchte, sollte nach dem nächsten Bild weiterlesen. Ok, sind alle weg, die es nicht wissen möchten? Dann beginne ich mit der Erklärung. Also, wir finden im äußeren Ring eine Statue, die eine Waage mit zwei Schalen in Händen hält. In der rechten Schale liegt ein steinernes Herz. Die Lösung ist nun, dass wir in die andere Schale eine Feder legen, denn laut Lösung in der App, ist „ein reines Herz leicht, wie eine Feder“. Ich werde das Gefühl nicht los, dass es sich hierbei um ein italienisches Sprichwort handelt, das hier niemand kennt…
Jedoch sind die meisten Rätsel nicht nur logisch, sondern auch lösbar. Keine immens abstrakten Gebilde, sondern thematisch mit der Spielwelt verwoben. Nicht zu leicht, sondern herausfordernd, ohne zu überfordern. Das hat uns so sehr begeistert, dass wir uns sehr gerne im Mystery House aufgehalten haben und zum Ende hin vorwiegend davon enttäuscht waren, dass nur zwei Abenteuer vorhanden sind.
Mystery House gehört für mich in die Top-Riege der Escape Spiele. Trotz der Mängel, mit denen man umgehen kann, wenn man sich darauf einlässt. Denn spielerisch waren wir gefesselt, haben diskutiert, gedreht und gesucht. Vor allem beim Familienportrait war die Stimmung sehr dicht, obwohl nur Storybrocken aufgetaucht waren. Davon gerne mehr!
Das Spielgefühl war einfach fesselnd, was ich einer Mischung aus neuartigem, lösbaren Inventarrätseln und den Diskussionen mit meiner Frau zuschreibe. Selbst nach den Abenteuern saßen wir noch jeweils gut eine halbe Stunde da und haben das Abenteuer Revue passieren lassen. Ein gutes Zeichen.
Jedoch gilt für Mystery House dasselbe, wie für alle andere Escape Spiele. Man sollte am besten alleine oder maximal zu zweit spielen. Dann hat jeder genügend zu tun, ohne sich zu langweilen. Außerdem geht man sich zu zweit bereits genügend im Weg um, sodass man sich immer wieder mal zurücknehmen sollte, während der andere etwas sucht. Dann gibt es auch keinen Drehwurm, wenn der Mitspieler das Haus mal wieder anders herum dreht, als man es gerade bräuchte.
Wir freuen uns schon mal auf das nächste Abenteuer. Laut einem Gespräch mit Cranio Créations auf der Spielwarenmesse in Nürnberg werden wir dabei versuchen, in eine Western-Stadt zu gelangen. Ich bin gespannt.
Mystery House von Antonio Tinto
Ein klassisches Adventure Spiel, mit dem man alleine oder zu zweit eine tolle Zeit haben kann. Die Rätsel sind größtenteils durch logisches Denken lösbar, wenn auch der ein oder andere Ausrutscher dabei ist. Wir wollen mehr!
Christian:
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Guglielmo
Mystery House ist ein sehr liebevoll gestaltetes Escape-Spiel. Es unterscheidet sich hier tatsächlich von den mir bisher bekannten Spielen dieses Genres. Am besten spielt es sich, wenn das Haus etwas erhöht vor einem auf dem Tisch steht (ich habe da einfach andere, etwas kleinere Kartons genommen, sodass ich hier einen bequemen „Drehteller“ vor mir hatte.) Um jedoch tiefere Einblicke ins Innenleben des Hauses zu bekommen, benötigt man in jedem Fall eine Taschenlampe und muss auch das Haus oft selber in die Hand nehmen und hin und her drehen.
Die Rätsel sind durchaus lösbar, ich gebe Christian recht, das (von ihm gespoilerte) Eingangsrätsel ist nicht so ohne Weiteres lösbar. Es gab zudem das ein oder andere Rätsel, welches dann schon Zeit für das Heranreifen des nötigen Hirnschmalzes benötigt hat, sodass für mich die angegebene Zeit für die Lösung des Rätsels mit 60 Minuten nicht ausgereicht hat. (Man sollte ja auch einkalkulieren, dass jeder falsche Versuch ein Rätsel zu lösen mit 3 Strafminuten geahndet wird). Ich würde aber behaupten, dass diese Zeitspanne grundsätzlich zu kurz bemessen ist.
Mich hat das Spiel insgesamt nicht so überzeugt. Da mag ich doch die klassischen Escape-Spiele mehr, mit Chaos auf dem Tisch, einem guten Glas Rotwein und nicht ein ständig rotierendes Haus vor der Nase. Die schöne, liebevoll gestaltete Aufmachung ist jedoch herauszustellen. Für jemanden, der gerne alleine knobelt, mag es gut sein, sobald man sich aber zu zweit auf die Flucht begibt, ist es für mich zumindest nicht mehr reizvoll.
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