SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Jay Cormier, Sen-Foong Lim
erschienen bei Off the Page Games
Mind MGMT hat zwei geistige Väter. Zum einen den gleichnamigen Comic (Wikipedia) von Matt Kindt, der von einer Agency erzählt, die Menschen mit besonderen psychischen Fähigkeiten rekrutiert, um sie für ihre Zwecke einzusetzen. Der andere sind Spiele wie Scotland Yard oder Fury of Dracula, wohl die ersten bei uns bekannteren Hidden Movement Spiele dieser Art.
Wer also gerne auf die Fährtensuche geht und per Deduktion herausfinden möchte wo sich der Gegenspieler befindet, der sollte dringend weiterlesen, alle anderen natürlich auch 🙂
Disclaimer: Das Spiel ist bisher (Stand Q1 / 2022) nur auf Englisch erschienen. Im Wesentlichen muss man die Regeln verstehen können. Zusätzlich gibt es noch Karten, die offenes Wissen sind und gemeinsam übersetzt werden können.
(Matt Kindt, MIND MGMT, Volume One: The Manager)
Bei Mind MGMT gibt es den Recruiter und die Rogue Agents. Der Recruiter hat das Ziel, bis 16:00 (bzw. 12 Runden) unentdeckt zu bleiben oder vorzeitig genügend Rekruten gefunden zu haben. Die anderen am Tisch spielen zusammen die vier Rogue Agents. Es sind immer 4 Agents, egal wie viele am Tisch sitzen. Sie versuchen den Recruiter vor 16:00 zu finden und nebenbei sein Rekrutieren zu stören. Wer zuerst sein Ziel erreicht gewinnt die Partie Mind MGMT.
Als Recruiter bewegt man sich in Mind MGMT pro Zug ein Feld weit. Man darf jedes Feld der Stadt nur ein einziges Mal betreten. Er zieht immer orthogonal nie diagonal. Zu Beginn bekommt man 3 geheime Feature – Karten, die jeweils ein Merkmal auf dem Spielbrett zeigen, zum Beispiel einen Bus, einen Vogel, Fackeln. Kommt man bei der Bewegung über ein solches Feld, hat man einen Rekruten erfolgreich angeworben. Alle Bewegungen werden auf einer geheimen Karte protokolliert.
Zusätzlich gibt es noch 4 Immortals, die man öffentlich auf dem Spielfeld bewegt. Pro Zug darf der Recruiter einen um ein Feld weit bewegen, auch diagonal. Immortals können ebenfalls rekrutieren. Dies funktioniert über Features (Merkmale auf dem Spielbrett), dazu gibt es immer 2 öffentliche Karten. Stehen zwei Immortals auf unterschiedlichen Feldern mit dem gleichen öffentlichen Feature, so haben auch sie erfolgreich rekrutiert.
Nach dem Recruiter kommen immer zwei der vier Agentinnen. Sie können sich bis zu zwei Felder orthogonal bewegen und eine Aktion ausführen. Diese Aktionen gibt es:
Jede Agentin hat zusätzlich noch eine besondere “psychische” Fähigkeit, die die Jagd nach dem Recruiter erleichtert.
Die komplette Spielregel zu Mind MGMT findet ihr hier. (externer Link)
(Matt Kindt, MIND MGMT, Volume Three: The Home Maker)
Mind MGMTs Handlung hat oft einen grandiosen Spannungsbogen, der fast mit dem eines Thrillers zu vergleichen ist. Egal, ob vor oder hinter dem Sichtschirm.
Für die Agentinnen fängt das Spiel erst einmal ohne Hinweise an. Sie suchen mal hier, mal dort. Haben sie die erste Spur oder gar Spuren gefunden, dreht das Spiel langsam auf. Es wird diskutiert: Wie ist er gegangen? Wann war er hier? Womit hat er rekrutiert? Dabei wird oft fabuliert, wenn die Fakten fehlen oder sie werden schlicht ignoriert. Je mehr die Situation an Form annimmt, je weniger Möglichkeiten es gibt um so mehr geht die Stimmung auf Steilfahrt. Vor dem Schirm wird begeistert gejagt. Während der Recruiter hinter dem Schirm immer kleiner wird.
Der Recruiter hört alles mit und kann seine Strategien auf das Gesagte einstellen. Dabei freut er sich diebisch, und fühlt sich besonders gewitzt, wenn die Agentinnen völlig im Trüben fischen. Sind sie aber zu nah spürt er das Kribbeln im Nacken, was die Herausforderung deutlich steigert.
Den Weg durch die Stadt wählt er nicht völlig willkürlich. Er hat ja einen Job zu erledigen: Rekruten zu finden. Er sollte die Route so geschickt durch die Stadt legen, um mit möglichst wenigen Zügen, die meisten Features abzuklappern und damit Rekruten klar zu machen. Hat er genug, kann er die Partie vorzeitig beenden. Gefundene Rekruten müssen bei Mind MGMT regelmässig angezeigt werden. Bei zwei, drei sind die Agentinnen noch entspannt. Werden es aber immer mehr, kommt, neben der voranschreitenden Zeit, ein zweiter beunruhigender Faktor ins Spiel. Prima 🙂 Doch die Agentinnen stehen dem nicht wehrlos gegenüber und können herausfinden, mit welchen Features der Recruiter seine Leute abfischt und diese kassieren. Passiert das früh genug, kann das den Recruiter zum Umplanen zwingen. Trotzdem sollten die Agentinnen sich nicht damit verzetteln, denn schlussendlich sollten sie den Recruiter fangen. Dabei möchte ich nicht verschweigen, dass es gerade Anfänger auf der Agentinnenseite schwerer haben, weil sie vor einem leeren Spielplan sitzen und nicht wissen wie loslegen. Das kann durchaus etwas überwältigend sein.
Das Material vom Mind MGMT sticht wirklich heraus. Es ist ganz im Stil des zugrundeliegenden Comics. Was nahe liegt, denn das Spiel wurde von Matt Kindt, dem Comic Autor, gestaltet. Das sieht stark aus und es unterstützt gleichzeitig auch das Thema. Denn Mind MGMT wurde nicht nur rein funktional für das Spiel gestaltet, sondern man findet auf fast allem versteckte Botschaften, die zum Thema passen.
Viele davon kann man ganz klassisch mit einer roten Folie entziffern. Man nehme dazu den Zeitanzeiger. Oder der Deckel der Schachtel zeigt im rechten Licht oder Winkel etwas Verborgenes. Sogar ein Stanzbogen kann nach dem Auspöppeln noch für etwas gut sein. Hier hat sich der Designer wirklich etwas neues überlegt und die Gestaltung weit über den Zweck des reinen Spiels gehoben.
Es gibt für jede Seite (Recruiter / Rogue Agents) 6 Shift Packages. Sie sind dazu gedacht eine zu starke Seite auszugleichen. Jedes Mal wenn eine Seite verliert, kann sie ein weiteres Package aufmachen. Der Inhalt sollte bei der nächsten Partie helfen, besser über die Runden zu kommen. Natürlich kann man die Packages auch auf beliebige andere Art und Weise einsetzen. Genug Material also, um langen Spielspaß und Varianz zu sichern.
Die Regel ist speziell. Für mich ein echter Fall von gut gemeint, nicht so gut gemacht. Die Idee eine Einsteigerversion mit weniger Regeln zu machen, ist an sich nicht schlecht. Nur ist das gestalterisch etwas aus dem Ruder gelaufen. Anstatt die Regeln zu trennen, hat man Kästen mit Regeln die immer gelten, andere Kästen mit Sonderregeln für die Einsteigerversion und eine dritte Sorte für das volle Spiel. Das habe ich auch schon bei andere Spielen gesehen, hier wurde es meiner Meinung nach unglücklich gelöst. Wer sich ein Bild machen möchte, der möge dem Regellink oben folgen.
Abgesehen davon ist Mind MGMT ein tolles Spiel, das außerordentlich gestaltet wurde und mit vielen Erweiterungen kommt. Das Spiel ist aktuell (Q1/2022) nicht verfügbar, soll aber im Juli wieder erscheinen. Wer es vorbestellen mag, kann das über den Link nach der Bewertungsbox machen.
Mind MGMT von Jay Cormier, Sen-Foong Lim
Ein sehr schönes Hidden Movement Game mit tollem Spannungsbogen, in der Tradition von Scotland Yard. Wer diese Art Spiel noch nicht kennt oder diese Art prinzipiell mag sollte es sich auf jeden Fall ansehen.
Robert:
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