SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Kenny Zetterberg, Kristian Karlberg
erschienen bei Avalon Hill, Hasbro, Wizards of the Coast
Ich bin ja schon lange aus der Rollenspielszene raus. Aber als ich dort noch sehr aktiv war, gab es eine Art Running Gag. Heldengruppen haben ihren ersten Auftrag in einem Wirtshaus erhalten. Punkt. Gut, wahrscheinlich lag es einfach daran, dass es sich die Spielleiter bei uns einfach machten. Das Gasthaus war ein Treffpunkt und der Auftraggeber natürlich geübt darin, die eine Heldengruppe zu finden, die die Aufgabe bewältigen konnte. Oder einfach billig genug war. Wer weiß das schon?
Somit begannen die epischsten Abenteuer in Wirtshäusern. Das erinnert mich dann auch gleich wieder an die Chroniken der Drachenlanze, in der das echte Abenteuer an dem Ort beginnt, an dem sich die Helden treffen. Natürlich im Gasthaus. Beim Herrn der Ringe wird das schon etwas schwerer. Denn Streicher wird ja auch dort im Wirtshaus aufgenommen. Die Gemeinschaft trifft sich in Bruchtal. Wobei Elronds Behausung ja auch so eine Art Bed & Breakfast ist. Aber ich beende die Gedanken lieber, bevor sie sich noch ausbreiten.
Kommen wir lieber wieder zurück in die Welt von Dungeons & Dragons und damit auch zum Strategiespiel rund ums opulente Mahl im klaffenden Portal.
(Tanis – Chroniken der Drachenlanze)
Ziel in Dungeons & Dragons – The Yawning Portal ist es, Gäste des Wirtshauses zufriedenzustellen. Dies schaffen wir, in dem wir ihnen die erwünschten Speisen servieren. Denn es gibt eine bunte Schar Abenteurer, die nicht nur ihre persönlichen Fertigkeiten, sondern auch Wünsche mitbringen.
Damit das Kundenherz höherschlägt, liegt es an uns, den gemeinsamen Tisch geschickt zu manipulieren. Hierfür verteilen wir Stück für Stück vier unterschiedliche Arten Speisen. Ja, Bier zählt als Speise. Ihr könnt das gerne mit dem Barbaren oder Zwergen eures Vertrauens ausdiskutieren. Außer Regar, der ist Weinliebhaber.
Mit anderen Aktionen schaffen wir es, die Speisen zu tauschen, Helden an den Tisch zu setzen oder auch wieder zu entfernen. Letzteres wird dann wichtig, wenn wir uns die Punktevergabe ansehen. Denn erfüllen wir die Wünsche der Gäste, erhalten wir dafür Edelsteine in vier unterschiedlichen Farben. Ein Gast jedoch, der wunschlos glücklich ist, geht in die Endwertung mit ein. Denn gesammelte Edelsteine werden mit den passenden zufriedenen Gästen multipliziert, die am Ende noch am Tisch sitzen.
Damit die Aktionen nicht einfach mehrfach ausgelöst werden können, gibt es einen einfachen Trick. Wir haben vier Aktionskarten vor uns liegen, die beidseitig mit unterschiedlichen Symbolen bedruckt sind. Von diesen wählen wir eine, führen aus, was sie uns erlaubt und drehen sie im Anschluss um. Möchten wir also nochmals die Aktionen der Vorderseite ausführen, müssen wir die Karte wieder umdrehen. Das passiert meistens dadurch, dass wir sie auslösen.
Das Spiel endet, sobald auf die beiden äußersten Plätze eine Speise platziert wurde. Alle anderen Spieler sind dann noch einmal dran. Dann wird abgerechnet. Wer die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt.
(Demokrit)
Dungseons & Dragons – The Yawning Portal dürfte ein ziemliches Unikat in der Geschichte der Brettspiele zum gleichnamigen Rollenspieluniversum sein. Waren die Brettspiele bisher doch eher auf das Genre der Dungeon Crawler fixiert. Gut, wir hätten noch Lords of Waterdeep, aber auch dort schicken wir Abenteurer los um Aufträge zu erfüllen. Doch eines muss ich gleich sagen. Ich bin nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Ich bin sogar froh, wenn man auch mal neue Wege geht. Warum also nicht im Wirtshaus arbeiten?
Ob sich hinter dem Titel nun ein strategisches Spiel befindet, bezweifel ich aber etwas. Für mich hat es mehr Taktisches. Heißt, die Entscheidungen, die ich treffen muss, werde ich immer wieder an die aktuelle Situation anpassen. Ich verfolge kein langfristiges Ziel. Dafür ist im Spiel dann auch etwas zu viel Chaos enthalten. Speisen wandern, Abenteurer verschwinden. Da auf nur ein Pferd zu setzen ist äußerst riskant.
Das ist jetzt eine etwas kleinkarierte Diskussion. Viel wichtiger ist natürlich die Frage, ob das Spiel Spaß macht. Leider lässt sich das für mich gar nicht ganz so einfach beantworten. Denn Dungeons & Dragons – The Yawning Portal hat seine sehr positiven Seiten. Ich mag das Knobeln, die Edelsteine und das durchaus interaktive Spiel miteinander. Dadurch, dass man durchaus zwei bis drei Züge im Voraus planen muss, ist es auch nicht allzu seicht, aber gleichzeitig durch seine Zugänglichkeit nicht allzu abgehoben.
Dennoch wird Dungeons & Dragons – The Yawning Portal nicht zu meinen liebsten Spielen gehören. Denn der Zufall ist groß im Spiel vertreten. Sei es direkt durch die Karten, die ich auf die Hand bekomme oder indirekt durch die Aktionen meiner Mitspielenden. Das geht häufig so weit, dass ich mit den Karten auf meiner Hand absolut nichts anfangen kann, während andere am Tisch Edelsteine anhäufen. Nicht nur durch gutes Spiel, sondern weil ihnen Fortuna einfach hold war. Das beißt sich für mich aber irgendwo mit dem Spiel selbst.
Richtig toll ist natürlich das Spielmaterial. Seien es die Speisen, die allesamt als Miniatur dargestellt werden oder die Edelsteine, die es in unterschiedlichen Formen und Farben zum Sammeln gibt. Das schlägt sich natürlich auch im Preis nieder. Während ich das an anderen Stellen selten anspreche – jeder muss für sich entscheiden, ob der Preis gerechtfertigt ist oder nicht – aber der Preis ist für diese Art Spiel für mich persönlich zu hoch. Wobei man nochmals sagen muss, dass das Material den Preis natürlich dann doch rechtfertigt.
Ich möchte jetzt auch keine große Preisdiskussion auslösen. Mir ist auch bewusst, dass ich viele Partien gespielt habe und dann der pro Kopf Preis geringer ausfällt als ein Kinobesuch. Dennoch wäre mir wohler gewesen, wenn wir uns irgendwo um 20,- € – 30,- € bewegt hätten. Aber es bleibt natürlich immer noch jedem selbst überlassen, ob Dungeons & Dragons – The Yawning Portal nun als teuer oder günstig empfunden wird.
Alles in allem mochte ich meine Partien mit dem Spiel. Einfach schon aufgrund der direkten Interaktion. Dennoch kann es mich auf Dauer nicht begeistern. Dafür fehlt ihm dann doch das besondere Etwas. Dafür schlägt der Zufall bei der Spieldauer und dem taktischen Spielprinzip zu sehr zu. Punktetechnisch irgendwo zwischen 6 und 7. Aber näher bei der 7, weswegen ich auf unser Wertungssystem aufrunde.
Auf eines möchte ich noch kurz hinweisen. Eine Regel, die falsch interpretiert werden kann. Wenn man eine Karte platziert und den Volltrefferbonus auslöst, erhält man zuvor natürlich dennoch die Edelsteine.
Dungeons & Dragons – The Yawning Portal von Kenny Zetterberg, Kristian Karlberg
Ein taktisches Knobelspiel, bei dem der Zufall dann doch ein wenig zu sehr zuschlägt. Vor allem auf das Ziel und die Spieldauer gesehen.
Christian:
Hinweis:
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