SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Prospero Hall
erschienen bei Ravensburger
Ich kann mich nicht mehr an alle Details erinnern. Aber eines weiß ich. Als ich zum ersten Mal „der weiße Hai“ gesehen habe, war ich zwölf Jahre alt. Es muss damals ein ganz schöner Nervenkitzel gewesen sein. Wahrscheinlich beschleunigte sich mein Puls mehr dadurch, dass ich etwas Verbotenes tat, als durch den Film an sich. Den schaltete ich beim kleinsten Geräusch im Zimmer nebenan sowieso wieder weg. Ich wollte ja schließlich nicht erwischt werden. Aber auch so kam ich in den Genuss der markantesten Szenen. Ob sie mich in meinen Schlaf verfolgten, weiß ich jedoch nicht mehr.
Zur Vorbereitung auf das Spiel habe ich den Film natürlich wieder angesehen. Er ist erstaunlich gut gealtert. Nicht in der Tricktechnik, sondern in seiner Erzählweise. Und auch, wenn man nicht alles akzeptieren mag und der Grusel vollkommen verflogen ist, fühlt man sich gut unterhalten. Ob das Spiel das auch vermag?
(Der weiße Hai (Filmzitat))
Der weiße Hai ist in zwei Akte unterteilt. Gleich bleibt in beiden, dass ein Spieler den Hai und bis zu drei weitere Spieler die Hauptakteure der Geschichte übernehmen, die versuchen ihn aufzuhalten.
Akt 1
Akt 1 ist ein klassisches Hidden-Movement Spiel. Der Hai-Spieler bestimmt seinen Startpunkt und notiert sich geheim seine Bewegungen. Dazwischen frisst er immer wieder Schwimmer, die über Ereigniskarten auf die vier Strände verteilt werden. Zusätzlich kann der Hai, in seinen Zügen, eine von vier Sonderfertigkeiten nutzen. Diese stehen ihm einmal je Spiel zur Verfügung und erlauben ihm zum Beispiel eine schnellere Bewegung oder dass er den anderen nicht die Wahrheit sagen muss.
Die Menschen haben ihrerseits unterschiedliche Fertigkeiten und Aufgaben. Brody bewegt sich dabei nur auf der Insel. Ihm ist es möglich Schwimmer zu retten und einen der Strände zu schließen. Außerdem kann er, mit seinem Fernglas, versuchen den Hai zu finden. Seine Hauptaufgabe besteht jedoch darin, Fässer vom Händler an die Docks zu schaffen.
Diese benötigt Quint, der sich auf seinem Boot vorwärts bewegt. Auch er kann Schwimmer retten. Seine Hauptaufgabe ist es jedoch den Hai mit den Fässern zu bewerfen. Dabei braucht es zwei direkte Treffer, um den Hai auszuschalten. Wirft er ein Fass erfolglos, treibt dieses von nun an auf dem Meer und zwingt den Hai dazu, sich zu verraten, sofern er daran vorbeischwimmt.
Auch Hooper kann Schwimmer retten. Seine Hauptaufgabe liegt jedoch darin, mit seinem Hai-Ortungsgerät den Hai aufzuspüren. Benutzt er das Gerät muss der Hai-Spieler angeben, ob er sich auf demselben Feld, wie Hooper, oder daneben befindet.
Akt 1 endet, wenn der Hai entweder neun Schwimmer gefressen oder zwei Treffer mit Fässern kassiert hat.
Akt 2
Im zweiten Akt fahren die Akteure auf der Orca los, um den Hai zu töten. Je besser sie in Akt 1 abgeschnitten haben, desto mehr Ausrüstung – oder Fähigkeitskarten im Falle des Hais – erhalten sie. Nun gibt es ein neues Ziel. Der Hai muss entweder das Boot zerstören oder alle Besatzungsmitglieder fressen. Diese wiederum müssen den Hai töten.
Der Ablauf ändert sich nun auch etwas. Jede Runde werden drei Karten aufgedeckt. Diese zeigen an, wo der Hai diese Runde erscheinen könnte. Der Hai-Spieler wählt verdeckt eine davon. Die menschlichen Charaktere bewegen sich nun und geben an, mit welchen Waffen oder Gegenständen sie welches Feld attackieren werden. Haben sie richtig gewählt, dürfen sie den Hai nun angreifen, bevor dieser Selbiges tut. Beide Seiten verwenden dabei dieselben Würfel, um festzustellen, ob ihr Angriff von Erfolg gekrönt war.
Der Letzte, der überlebt, gewinnt Akt 2 und damit das Spiel.
(Der weiße Hai (Filmzitat))
Der weiße Hai wird auf Boardgamegeek, den sozialen Medien und gefühlt auch sonst überall abgefeiert. Was soll ich also zu dem Spiel noch groß sagen. Nun, bis auf die Tatsache, dass ich anderer Meinung bin…
Wobei ich beide Akte zuerst einmal separat betrachten muss. Hier ist der Erste der eindeutig Bessere. Obwohl die Felder stark begrenzt sind, ist dieser ein nettes Katz- und Maus-Spiel, bei dem man als Hai sehr bedacht vorgehen muss, um nicht innerhalb kürzester Zeit geschnappt zu werden. Die Zitate der einzelnen Gegebenheiten aus dem Film sorgen zusätzlich dafür, dass eine schöne, thematische Dichte erzeugt wird. Obwohl es andere, um längen bessere, Hidden-Movement Spiele gibt, gehört der erste Akt von der weiße Hai zu den spielbaren, zeitweise sogar spannenden. Leider merkt man jedoch, dass hier noch so viel mehr hätte drin stecken können, was jedoch aufgrund dessen, dass es sich hier um ein Minispiel handelt, nicht umgesetzt werden konnte.
Der zweite Akt dagegen ist so eine Sache. Natürlich ist es toll, dass der Endkampf thematisch gesehen perfekt in Szene gesetzt wurde. Auch an die Druckluftflasche wurde gedacht, was natürlich die Spieler dazu bewegt diese unbedingt einsetzen zu wollen. Spielerisch gesehen ist die Boots-Szene jedoch weit unterlegen. Zwar klingt die Idee, dass man stets einschätzen muss, wo der Hai nun auftauchen wird, auf dem Papier ganz gut, sorgt im Spiel selbst jedoch nur für eines. Die ersten 75 % des Aktes hat der Hai die Oberhand, danach wendet sich das Blatt, sodass es bei uns in den meisten Fällen auf eines hinauslief. Es gewinnt, wer beim letzten Bootsteil glücklicher würfelt. So fühlt sich die komplette Zeit davor eher ganz nett, aber sinnlos an.
Was haben wir nun? Ein Spiel, in dem jeder den Film wieder erkennt. Einen Akt, der sich ganz gut anfühlt, während beim zweiten keine so richtige Stimmung aufkommen möchte. Der weiße Hai bestätigt zwar nicht die alte Wahrheit, dass man um Lizenz-Umsetzungen per se einen großen Bogen machen sollte, aber so richtig glücklich wurde ich dennoch nicht damit. Die Aufteilung in zwei Akte mag zwar auf den ersten Blick reizvoll wirken, es hätte dem Spiel jedoch besser zu Gesicht gestanden sich auf einen der Akte zu beschränken und diesen mit etwas mehr Spiel zu füttern.
Der weiße Hai von Prospero Hall
Die Aufteilung in zwei Akte mag zwar auf den ersten Blick reizvoll wirken, es hätte dem Spiel jedoch besser zu Gesicht gestanden sich auf einen der Akte zu beschränken und diesen mit etwas mehr Spiel zu füttern.
Christian:
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