SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 6 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Jerry Hawthorne
erschienen bei Plaid Hat Games
„Don’t judge a book by it’s cover“ – das hat jeder schon mal gehört und klingt fürchterlich abgedroschen. Trotzdem sollte man sich diesen Spruch immer mal wieder ins Gedächtnis rufen. In unserem Fall ist es nicht das sprichwörtliche book sondern das game. Selten hatte ich weniger Lust auf ein Spiel, nachdem ich das Artwork auf der Schachtel gesehen hatte wie auf Aftermath. Zum Glück hat Christian ein gutes Wort eingelegt 🙂
(Sprichwort)
In Aftermath spielt man sich kooperativ durch verschiedene Missionen, die aus mehreren Szenarien bestehen. Ein Szenario ist dabei eine Doppelseite im Szenariobuch.
Wenn man am Zug ist, steuert man den Mausehelden mit den Handkarten. Dafür wählt man eine der möglichen Aktionen, wie bewegen, stöbern, angreifen etc. und legt entsprechend Handkarten ab. Möchte man sich zum Beispiel um 3 Felder auf dem Plan bewegen, muss man mindestens Karten im Wert von 3 Punkten ablegen.
Es gibt auch die klassischen Proben, sie funktionieren ähnlich, jedoch kommen dann noch Würfel ins Spiel, die das Ergebnis modifizieren. Manche Aktionen fordern eine gewisse Farbe, dann muss zumindest die erste gespielte Karte farblich entsprechen. Alle weiteren können die gleiche Farbe oder die gleiche Zahl der ersten Karte haben. Kämpfe funktionieren nach genau diesem Prinzip. Natürlich gibt es auch noch Modifkatoren, zum Beispiel für Waffen..
Sobald man mit den Mäusen das Missionsziel geschafft hat, geht es zurück nach Hause und die Koloniephase wird eingeläutet. Während wir auf Abenteuer waren, ist die Zeit in der Kolonie weiter gelaufen. Haben wir zu lange gebraucht, passieren Dinge, die oft negative Auswirkung haben.
Außerdem will die Kolonie mit Nahrung pro Einwohner versorgt werden. Wir können Gebäude mit gefundenen, Bauteilen erweitert, oft aber nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Die Gebäude können uns vor negativen Ereignissen in der Koloniephase schützen. Außerdem lernen wir neue Dinge über unsere Welt und schalten vielleicht auch eine neue Mission frei.
Die komplette Spielregel zu Aftermath findet ihr hier. (externer Link)
(Sprichwort)
Aftermath und ich hatten keinen guten Start. Die Box fand ich, wie schon erwähnt, einfach nur öde. Das hatte mich bisher eigentlich nie abgehalten, ein Spiel zu spielen. Hier war es so.
Dann die Regeln. Die sind kurz, kompakt und modular aufgebaut. Was eigentlich eine prima Sache ist, so muss man nicht alles auf einmal lernen und bekommt die Happen nach und nach. Es ist am Ende leider etwas zu kompakt und modular geworden.
Beispiel, irgendwann steht im Szenarioheft: „Entferne alle großen Gegner aus der Jagd …“. Ich war erst einmal verdutzt. Mir war nicht klar, was mit „großen Gegnern“ gemeint war. Ich hatte aber noch im Hinterkopf, dass Gegnerkarten Eigenschaften besitzen, darunter eben auch „Groß“.
Eine kleine Markierung im Text (unterstreichen, kursiv, irgendwas) und eine Beschreibung in den Regeln und schon wäre das deutlich gewesen. Solche Unterlassungen erschweren den Einstieg völlig unnötig.
Nachdem ich mich auf Aftermath eingeschwungen hatte, waren wir auf einmal best Friends und der Laden lief. Das Spiel hat mich schon den einen oder anderen Sonntag gekostet, denn bei nur einer Mission blieb es selten. Der Fokus des Spiels liegt klar auf der Geschichte, sie steht im Vordergrund und will erzählt werden. Die Szenarien sind abwechslungreich, teiweise überraschend und gut geschrieben. Sie lassen erwartungsgemäß kaum Klischees über Mäuse aus. Der Perspektivenwechsel reizt dabei sehr. Die Mäuse sinnieren über Dinge, die einem Menschen klar sind, aber für eine Maus völlig unverständlich. Vor allem finden die Mäuse immer wieder alternative Verwendungsmöglichkeiten menschlicher Alltagsgegenständen, die totalen Upcycling Profis. Die Texte zeigen schön die herrschende Stimmung, und dass die Welt eine völlig andere ist. Unterstützt wird das durch die Illustrationen im Szenariobuch, diese sprechen mich deutlich mehr an als das Cover der Schachtel. Sie dienen als Spielfeld und mit ihnen kommen immer wieder spezifische Szenarioregeln, die uns vor neue Herausforderungen stellen.
Am Anfang der Kampagne hat man nur wenige Missionen zur Auswahl. Im Laufe der Zeit kommen weitere aus einem separaten Kartenstapel hinzu. Hier sollte man nicht zu genau hinschauen, weil man dabei Hinweise auf zukünftige Ereignisse sehen könnte – Self Spoiler quasi. Die Missionsauswahl ist für mich etwas zweischneidig. Auf der einen Seite gibt es einem das Gefühl der Freiheit und man könne selber entscheiden was man tun möchte. Auf der anderen Seite hat es fast etwas Belangloses, da man anhand des kurzen beschreibenden Textes nicht richtig abschätzen kann (und auch nicht soll), auf was man sich einlässt und was es bringt. Aber hier gilt ganz klar, der Weg ist das Ziel.
Das Gleiche gilt für die Mäuse, die zur Wahl stehen. Die Charaktere haben leichte Unterschiede durch Boni für bestimmte Aktionen. Aber wer gerne bis zum Anschlag optimieren und spezialisieren möchte, um für alles gewappnet zu sein, der sollte nicht zu Aftermath greifen. Es ist einfach nicht ausschlaggebend, welche Maus du spielst.
Nimm die Maus und die Mission auf die Du Lust hast und los gehts!
Die Szenarien bestreitet man im Wesentlichen durch gezogene Handkarten. Ein gutes, schnell erlerntes System. Es bringt einiges an Zufall ins Spiel, aber genau der treibt dann auch die Mäuse, teilweise die Geschichte aber auf jeden Fall die Gegner voran. Es gab genug Situationen, in denen man bange vom Stapel nachzog und hoffte nicht zu viele Bedrohungskarten zu ziehen. Die Erlösung, wenn einem der Mäusespeck hold war, aber auch das „Oh Mann, echt jetzt?“, waren immer großartige Momente. Auch wenn es mal nicht so richtig rund läuft, findet man meistens Mittel und Wege durch den Schlamassel.
Nach der Mission ist ja bekanntlich vor der Mission, doch die Mäuse machen zwischendurch immer wieder Halt in der Kolonie. Diese Phase verdichtet die Atmosphäre noch weiter. Die Mäuse wollen mit Nahrung versorgt und die Kolonie mit Gebäuden gepimpt werden. Hat man im Laufe des Spieles noch einen Hinweis gefunden, bekommt man dabei weitere Geschichten, die den Hintergrund abrunden. Auch diese Phase hat nicht die strategische Tiefe anderer Spiele, trotzdem passt sie gut hinein und gibt dem Ergebnis der Mission Relevanz.
Aftermath ist von der Schwierigkeit der Szenarien eher niederschwellig. Es ist aber immer interessant und motivierend genug, um vielleicht doch noch ein weiteres zu spielen. Man will ja wissen, wie es mit den Mäusen und ihren verrückten Apparaten in dieser auf den Kopf gestellten Welt weitergeht.
Aftermath von Jerry Hawthorne
Schönes Abenteuerspiel, das auf Missionen und Szenarien basiert und mit einer interessanten Geschichte aufwartet.
Robert:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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