SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Dan Blanchett
erschienen bei Corax Games
In Abomination beschäftigen wir uns mit dem Tod. Das Spiel stellt Gräueltaten dar, die uns als Mensch eigentlich nie einfallen würden. Dies ist jedoch vor allem der literarischen Vorlage (Frankenstein oder der moderne Prometheus von Mary Shelley – Affiliate Link), als auch einer Zeit geschuldet, in der Leichen auf unredliche Art beschafft wurden, um wissenschaftliche Experimente an ihnen zu verüben.
Das bringt natürlich einen gewissen makaberen Humor mit sich, den man nicht immer gut finden muss, der jedoch die Stimmung des Spiels perfekt einfängt. Aber obwohl manche der Leichen recht explizit dargestellt sind, bleibt das Thema in Abomination zwar spürbar, aber sehr abstrakt. Ich zumindest bin dankbar, dass wir es hier mit Ressourcenwürfeln unterschiedlicher Farbe zu tun haben und nicht mit der blutigen Realität hinter unseren Aktionen konfrontiert werden.
Also packt unbedingt euren schwarzen Humor aus, wenn ihr mitspielen möchtet. Vielleicht hilft es auch einfach nochmals Tucker & Dale vs. Evil oder Cabin in the Woods anzusehen, um hier in die richtige Stimmung zu kommen. Wobei man natürlich auch eines sagen muss. Die Geschichte hinter Abomination ist natürlich vollkommen ernst gemeinter Gothic Horror. Aber es tut dem Spielgefühl keinen Abbruch das alles auf eine leichtere Schulter zu nehmen.
(Mary Shelley)
Das eigentliche Ziel des Spiels – also neben dem Anhäufen von Siegpunkten – ist, Frankensteins Monster eine Braut zu bauen. Als Grundlage dient ein Worker-Placement-Spiel mit unterschiedlichen Arbeitern. Nicht alle Felder sind für alle Arbeiter geeignet und unsere Mitspielenden auch nur begrenzt zu vertreiben.
Ziel ist es dabei immer Wissen und passende Leichenteile zu sammeln, um die nächsten Schritte im Bauplan erfüllen zu können. Wer die Aufgabe komplett erfüllen möchte, muss dabei einen Kopf, einen Torso, zwei Arme und Beine basteln sowie durch Elektrizität zum Leben erwecken. Aber Vorsicht. Natürlich können wir auch minderwertige Bauteile, indem wir Tierteile oder stark verwestes Material verwenden, produzieren, werden dafür jedoch mit Punktabzug bestraft. Auch sollte man mit der Elektrizität vorsichtig umgehen, denn hier versteckt sich mit Würfeln ein Zufallselement, das unsere Arbeit auch wieder zerstören kann.
Neben dem erfolgreichen Besorgen von Leichenteilen stehen auch noch unsere Menschlichkeit und Prestige auf dem Prüfstand. Beides lässt sich durch die richtigen Aktionen ausbauen, was uns weitere Vorteile einbringt. So schalten wir zum Beispiel Siegpunkte und neue Arbeiter frei. Außerdem müssen wir natürlich mit Geld hantieren und können uns mit wenigen Hilfsmitteln eindecken, die unsere schäbigen Experimente erleichtern.
Ansonsten wird das Spiel durch Ereignisse und Storyelemente abgerundet, die für den nötigen Flair sorgen. Dabei kann es auch mal vorkommen, dass Frankensteins Monster jemandem von uns einen Besuch abstattet und man vor eine unmoralische Entscheidung gestellt wird.
Ist das Spiel vorbei – entweder, weil jemand die Braut erschaffen hat oder das Spielende erreicht wurde – werden Siegpunkte gezählt. Wer die meisten vorweisen kann, gewinnt als unmoralischstes Subjekt von uns das Spiel.
Etwas genauer habe ich in meiner Preview beschrieben, was uns in Abomination erwartet. Die Lektüre kann ich natürlich noch allen ans Herz legen.
(Mary Shelley)
Nein, das Thema hinter Abomination ist nicht für alle geeignet. Dem muss man ins Auge blicken. Auch wenn vieles durch Rohstoffwürfel abgedämpft wird, haben wir immer noch teilweise recht explizite Darstellungen von Toten und Aktionen wie dem Mord in der Seitengasse, die man im Realen Leben natürlich nie so einfach verdauen würde, wie wir es hier im Spiel tun.
Aber was solls? Schließlich tauscht man mit letzterer Aktion einfach drei Menschlichkeit in einen Haufen Rohstoffe um, die man eben dringend benötigt, um Punkte zu machen. Aber hier sind wir natürlich nicht auf der moralischen, sondern der spielerisch abstrakten Ebene, die die Aktionen um einiges einfacher machen. Ja sogar dazu führen, dass man einen gewissen schwarzen Humor entwickelt, den man bei sich oder den Mitspielenden nicht erwartet hätte.
Rein mechanisch sind wir auf vielen bekannten Pfaden. Besorg dir Rohstoffe und wandel sie in Siegpunkte um. Auch wenn die Rohstoffe selbst unterschiedliche Qualitätsstufen haben und verderben können. Garniert wird dies jedoch durch nicht so häufig verwendete Mechanismen. Dem Zufall per Würfel, um unsere gebastelten Bauteile zu verfeinern – und sie dabei mit Pech zu zerstören. Die Möglichkeiten, allen Spielenden Steine in den Weg zu legen, um die Menschlichkeitsleiste zu steigern. Das Startspielerfeld, das unsern Arbeiter am Ende wieder freigibt, um diesen nochmals einzusetzen. Alles jedoch so dosiert, dass wir vor Entscheidungen gestellt werden, die für mich das Spiel positiv beeinflussen.
Anders ist es bei der Anzahl Mitspielenden. Denn obwohl wir mehr Platz haben, um unsere Konkurrenz von Feldern zu vertreiben, die wir besetzen möchten, benötigen wir hier natürlich auch das nötige Kleingeld. Dies macht das Spiel zu viert dann schwerer, als es im Spiel zu zweit oder dritt der Fall ist. Wobei ich ehrlich gesagt auch froh bin, dass kein Automa-Bot die Rolle der Blockade übernimmt, da ich das meistens einfach nur als willkürlich statt spielbereichernd empfinde.
Auch wenn ich oben die Würfel als positives Element angesprochen habe, ist der komplette Zufall, der sich in Abomination versteckt, dann schon teilweise zu groß. Denn wer glücklich würfelt und immer die Rohstoffe erhält, die gerade vonnöten sind, hat ein leichteres Spiel als diejenigen, die Pech gepachtet haben. Dass das häufig auch das Zünglein an der Waage ist, muss einem gefallen oder eben nicht. Außerdem verstehe ich immer noch nicht, warum der Spielplan so exorbitant groß ausgefallen ist, wenn doch die wenigste Fläche davon tatsächlich genutzt wird.
Gleichfalls überlege ich immer noch, ob es mir gefällt, dass wir alle auf dieselben Punkte zugriff haben. Klar bringt das einen schönen Wettlauf in Gang, jedoch sind die Endpunktstände dadurch eben auch recht ähnlich, was auf mich dann – obwohl nachvollziehbar – etwas seltsam wirkt. Böse Zungen könnten hier behaupten, dass dann am Ende doch nur entscheidet, wer besser würfelt. Doch ganz so einfach zu erklären war das in unseren Partien dann doch nicht.
So richtig stört mich aber eines. Die Zeiger auf den Spielertableaus verhindern, dass sich die Schachtel richtig schließen lässt. Schlimmer noch, würde man Abomination mit anderen Spielen stapeln, würden unschöne Druckstellen im Material entstehen. Die einzige Möglichkeit ist, das Inlay zu entfernen. Aber davon bin ich auch kein allzu großer Fan.
Alles in allem gefällt mir Abomination dennoch sehr gut. Es bietet ein komplett unverbrauchtes Thema (und mit Gothic Horror kann man mich immer erreichen), ein eingängiges Spiel und die Prise an Überraschungen, die es schmackhaft machen. Ist man im Spiel drin, spielt es sich auch recht locker und flott. Aber das mag auch daran liegen, dass ich eben Bauchspieler bin und nicht in Analysis Paralysis verfalle.
Abomination von Dan Blanchett
Ein böses, aber gutes Spiel, welches uns mal in andere Rollen schlüpfen lässt. Die im Spiel integrierten Zufallselemente müssen nicht allen gefallen. Für mich bereichern sie das Genre jedoch in den meisten Fällen.
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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