Speakeasy - Schachtel

SPIELSTIL Preview

Mein erstes Mal mit Speakeasy

Lesezeit: 6 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Vital Lacerda
erschienen bei Eagle-Gryphon Games, Skellig Games

- 25.Apr..2025

Darum interessierte mich Speakeasy

Manche Leute entspannen beim Fernsehen, andere beim Yoga – und dann gibt’s uns: Menschen, die sich freiwillig an einen Tisch setzen, um drei Stunden lang ein illegales Alkoholimperium während der Prohibition aufzubauen. Speakeasy von Vital Lacerda ist genau das: komplex, clever und nur „etwas“ überproduziert. Ich liebe Spiele, die mir das Hirn verknoten und dabei noch gut aussehen. Vital Lacerda? Er denkt sich Dinge aus, für die man fast einen Doktortitel braucht, um die Regeln zu verstehen – oder wenigstens gute Freunde, die es einem erklären. Hier geht’s nicht nur ums Spielen, hier wird man zum Gangsterboss mit Stil. Ein Angebot das ich nicht ablehnen konnte.

Wie funktioniert Speakeasy

New York in den 1920ern – die Zeit der Prohibition in den USA.

Offiziell: kein Alkohol.

Inoffiziell: überall Alkohol – man muss nur wissen wo.

In Speakeasy bist du ein Mafiaboss, der sein eigenes kleines, besser größeres, illegales Imperium aufbaut. Das Ziel? Geld und das viel davon. Die Show hat nur 4 Akte, die von 1920 bis 1933 gehen, also genau so lange wie die Prohibition gedauert hat. Man hat insgesamt nur 11 Züge, das ist nicht viel für ein Imperium.

Du baust geheime Bars – die namensgebenden Speakeasies –, später Nachtclubs oder Casinos, und versuchst dabei Manhattan zu kontrollieren.

Dabei sind mehrere Dinge wichtig, die man gleichzeitig am Laufen halten muss. Der Handel mit Alkohol, denn nur der bringt offizielles Geld. Die Kontrolle der Distrikte in Manhattan. Erfüllen von Zielen (”cooking the books” aka kreative Buchhaltung). Wer Ziele erfüllt bekommt Schwarzgeld, das im Tresor landet. Nutzt du es, musst du es waschen. Verhältnis 2:1 – Jupp, das ist teuer.

Speakeasy - Spielbrett

Ein Teil des riesigen Bretts von Speakeasy

Und als wäre das nicht schon genug:

Jeweils am Ende der ersten drei Akte schlägt das Spiel zurück. Die Lucky Luciano Phase. Neue Mobster (”Mitbewerber” auf dem Markt) kommen ins Spiel und wir werden angegriffen. Wer nicht genug Power hat verliert. Wer nicht vorbereitet ist, hat das Nachsehen und verliert auch Gebäude. Das tut weh. Nach dem “Mob War” kommen noch weitere Polizisten auf den Plan und machen Gebäude inoperabel, wenn sie nicht von der Familie beschützt werden.

Ist das alles durchstanden gibts Kohle von Lucky. Jeder Distrikt in einer Zone (Up-/Mid-/Downtown) wird gewertet. Dann gibts Schwarzgeld nach Platzierung, das kann sich richtig lohnen.

Am Ende des 4. Aktes wird abgerechnet: Wer hat am meisten Kohle? Der gewinnt.

Speakeasy - Der Tresor

Der Sichtschirm ist unser Tresor. So weiß man nie genau wie weit die anderen sind.

Wie fühlt sich ein Zug in Speakeasy an?

Ein Zug in Speakeasy ist einfach, spiele eine Karte wenn du magst, und setz einen Capo ein um mit wichtigen Leuten zu “reden”. Was abstrakt banal klingt, ist ein echter Hirnverdreher. Es gibt so viele Möglichkeiten, die man laufend abwägt. Welche Ziele sind in der aktuellen Lage verheißungsvoll und überhaupt realisierbar? Sind die relevanten Gebäude unter polizeilicher “Obhut”? Habe ich genug Power, um den nächsten Angriff zu überstehen? Woher bekomme ich Alkohol? Verkaufe ich gleich oder schaffe ich es noch den Ruf vorher zu erhöhen, um mehr Geld zu bekommen?

Speakeasy - Playerboard

Ein Teil des Playerboards. Blau hat sich einen Deal mit einem anderem Mobster, der gegen Geld zu Hilfe kommt.

Habe ich alles für den Zug? Speakeasy geizt nur mit einem nicht, dem Mangel. Irgendetwas fehlt meistens, um den, genau jetzt, richtigen Zug zu machen. Also versucht man andere Wege zu gehen. Man wirft oft um, plant neu. Klappt es dann, ist es umso belohnender. Vor allem dann, wenn man eine richtig gute Kombo spielen kann. Die gibt es jedoch nicht so häufig, Speakeasy ist kein “Kettenspiel”. Es lohnt sich aber immer zu schauen, ob der direkte Weg auch wirklich der beste ist oder ob man mit einem Umweg nicht sogar mehr rausholen kann.

Das hat mir an Speakeasy gefallen!

Die Zeit der Prohibition in den Vereinigten Staaten ist ein vielfältiges, vielschichtiges, aber auch sehr spannendes Phänomen. Es wurde schon oft in verschiedensten Medien verhandelt. Vital Lacerda gießt das Thema nun in ein Eurogame. Hört man die Kombination Prohibition und Eurogame, könnte man dem Irrtum erliegen, dass das mal wieder so ein Spiel ist, von dem es bereits Dutzende gibt. Viele stark verzahnte, mit etwas Glück spannende, Mechanismen, die Null mit dem Thema zu tun haben. Statt Prohibition könnte man auch Gänseblümchen pflücken daraus machen. Speakeasy ist hier völlig anders. Es fühlt sich an, als wäre zuerst das Thema da gewesen und dann hat sich Vital Lacerda daran gemacht, es in ein stimmiges Regelgerüst zu setzen. Und ich muss sagen, das ist ihm wirklich gelungen! Ja, es ist ein Euro, aber was für eines. Die Mechanismen sind gut entworfen und wunderbar eng verzahnt und man spielt durch sie innerhalb des Themas.

Speakeasy - ein paar Distrikte

Mit den LKWs liefert man den begehrten Rum an die eigenen Etablissements aud.

Man hat in Speakeasy von allem zu wenig. Kaum Züge und an Materialien fehlt es oft genug. Eine echte Herausforderung, die wir in unseren beiden Runden sehr gerne angenommen haben. Ich kann verstehen, dass das Frustpotential haben mag, für uns war es bisher jedes Mal anspornend. Zu viert haben wir die vorhergesagten 3 Stunden gebraucht. Das ist lange, sehr lange sogar trotzdem waren wir gedanklich völlig absorbiert und haben nicht bemerkt, wie die Zeit vergeht.

Ich bin mir noch unschlüssig, ob mir die Lucky Luciano Phase wirklich gefällt. Speakeasy lässt die Spielenden, ganz Eurogame-typisch, nicht gegeneinander antreten. Es herrscht klassisches und damit friedliches vor sich hin grübeln. Vital Lacerda bedient sich eines Kniffs, den man auch von kooperativen Spielen kennt. Er lässt das Spiel gegen uns antreten. Wenn am Ende der ersten drei Akte die Mobster kommen und unsere Gebäude gnadenlos wegfegen ist das teilweise echt bitter.

Speakeasy - Playerboard

Gelb hat 2 Speakeasys gebaut und dafür auch 2 City Tiles kassiert.

Das nervte mich an Speakeasy

An Speakeasy ist gar nichts easy,
Ich fand die Regeln, auch wenn sie so viel Sinn ergeben, überhaupt nicht eingängig. Man wird in seinen ersten beiden Partien bestimmt Fehler machen. Man bekommt das Spiel geübten Spielenden in etwa 45 Minuten erklärt, sie werden die Regeln aber dann nicht durchdrungen haben. Man wird während dieser Partien sehr regelmäßig zum Regelheft greifen und viel, viel Blättern.

Speakeasy - Die Polizei

Wenn die Polizeit da ist, brauchen die Geschäfte Unterstützung der Familie.

Speakeasy ist groß und einfordernd. Wer es spielen will braucht sehr viel Zeit und die Geduld um eine lange Downtime zu durchstehen. Speakeasy verlangt 45 Minuten / Person und das bei nur 11 Zügen. Platt gerechnet liegen, bei vier Personen, zwischen 2 Zügen gute 10 Minuten. Wir haben die 3 Stunden in unserer Partie ziemlich genau getroffen. Ich hoffe, dass man das unterbieten kann, wenn alle die Regeln intus haben.

Die Schachteln von Eagle Griffon Games sind immer groß und voll. Ich habe das Gefühl, dass Speakeasy hier noch eine Schippe drauf legt. Das Material ist wie immer toll, aber man braucht irre viel Platz dafür. Unser Tisch ist nicht gerade klein aber Speakeasy füllt ihn mit links. Und weil es so viel Material gibt, braucht der Aufbau ebenfalls einiges an Zeit.

Freue ich mich auf die nächste Partie Speakeasy

Absolut! Wir haben die hohe Hürde des Einstiegs hinter uns gebracht. Jetzt sind wir mehr als bereit ins Rumgeschäfft einzusteigen. Vielleicht nicht unbedingt zu viert.

Wir hatten die Englische Version von Skellig Games zur Verfügung gestellt bekommen. Die deutsche Version erscheint bei Skellig Games noch dieses Jahr.

Wir sprechen neben anderen Spielen auch über Speakeasy in unserem neuen Video:

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https://youtu.be/bBA0Kglaqf4

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Written by Robert Alstetter
Lieber Spiele mit Interaktion als stundenlanges solitäres Tüfteln. Gerne auch komplexes. Eher eine lange Partie als viele kurze. Kooperativ ist fein, wenn man sich nicht gespielt fühlt - Rollenspieler - Brettspielsammler mit Hang zum Minimalismus Ansonsten: Hobbykoch und ProfiEsser - softwarebegeistert - Sportlaie auf dem Mountainbike - Musikkonsument

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