Mein erstes Mal mit Building Fairyland
Prototypen sind wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man bekommt. Dieses abgedroschene Zitat aus Forrest Gump (bei dieser Gelegenheit… macht der Film heute noch Spaß?) passt hier, wie die Faust aufs Auge. Zum Glück bin ich ein recht neugieriger und auch leidensfähiger Mensch. Gleichzeitig habe ich gelernt, dass es nichts bringt Schwachstellen freundlich zu umschreiben. Kritik verträgt zwar nicht jeder, aber es ist das Wertvollste, was ich in diesem Moment anbieten kann.
Auf meinem Tisch landete bereits vieles, was über die komplette Palette des Spielstil-Wertungsspektrums verteilt gewesen sind. Spiele, die sich anfühlten, als wären sie übelste Fan-Fiction aus der 50 Shades of Grey Hölle, viel mittelmäßiges, aber auch Titel, die mich einfach nur begeistert haben. Von einem solchen möchte ich euch heute erzählen. Building Fairyland. Ein Spiel, das wie das uneheliche Kind von Terra Mystica und Einfach Genial daherkommt. Wer jetzt bereits abwinken möchte, kann ich nur raten weiterzulesen. Es lohnt sich.
Habt ihr auch Perlen, die noch zu wenige Menschen kennen? Schreibt uns in den Kommentaren.
Mit Christian Fürst-Brunner hatte ich lange Zeit recht losen Kontakt. Wir kannten uns über das Unknowns Forum. Dabei sind wir weder groß aneinandergeraten, noch haben wir uns lange verquatscht. Er war für mich einfach einer derjenigen, mit denen man ganz normal reden konnte, was im Internet ja doch fast schon wieder etwas Besonderes ist.
Jahre später haben wir uns auf der Spielwiesn in München getroffen, beschnuppert und wohl soweit für gut befunden. – Übrigens war das dieselbe Spielwiesn, auf der ich Daniel (also, einen unserer Autoren auf Spielstil) persönlich treffen durfte. Aber ich schweife ab. – Wir hatten damals einen Blick auf seinen ersten Prototypen geworfen und nicht lange darauf reiste er zu mir und wir spielten diesen wie auch einen weiteren Prototypen (Jenissei – ein Spiel, von dem ich ein anderes Mal berichte). Alles war gut und wir beschlossen, das häufiger zu machen. Dann kam Corona, was zu einer Zwangspause führte. Nicht jedoch ohne für einen Cliffhanger zu sorgen. Denn Christian hatte sein nächstes Spiel entworfen und Daniel bereits die Gelegenheit, es zu spielen. Und noch schlimmer, Daniel meinte, es sei genial! Und das hat für mich schon ein gewisses Gewicht.
Lange Wartezeit später war es letztes Wochenende endlich so weit. Christian besuchte mich wieder und Buildinig Fairyland sollte endlich auf meinem Tisch landen. Ersehnt wie ein edler Tropfen, der endlich entkorkt und genossen werden durfte. Nun kennt ihr das garantiert selbst. Ihr habt endlich die Möglichkeit, ein Spiel zu spielen, über das ihr bisher nur gutes gehört habt. Die Fallhöhe der eigenen Erwartungen sorgte dann dafür, dass ihr einfach nur enttäuscht werden konntet. Wer mir in den letzten Tagen in den sozialen Medien folgte, weiß jedoch eines. Das passierte mir mit Building Fairyland nicht!
Wie funktioniert Building Fairyland überhaupt?
Wir bauen in Building Fairyland gemeinsam auf einer Karte voller Hexfelder. Am Zug dürfen wir eines unserer Bauteile platzieren und erhalten dafür Belohnungen. Dies können Ressourcen (Nahrung + Stein), aber auch Handkarten, Siegpunkte oder Schritte auf einer der drei Leisten sein. Und genau jetzt kommt der Clou. Wenn wir ein Bauteil ablegen, erhalten wir selbst die Belohnung, wenn wir ein gleichfarbiges Feld überbauen sowie für alle angrenzenden Felder derselben Farbe und Bäume im Allgemeinen. Zusätzlich bekommt jeder Spieler je angrenzendem eigenem Gebäude auch einmal diese Belohnung. So muss man stets abwägen, ob ich meinen Mitspielern auch mal etwas gönne und ob mein eigener Ertrag das rechtfertigt. Und da Bauteile zwei Felder belegen, haben wir viel zu optimieren. Damit ist das Bauen aber nicht fertig, denn die Landschaft kann in bis zu drei Ebenen entstehen. Wir überbauen also munter, um uns einen Vorteil zu verschaffen.
Danach müssen wir entweder eine unserer Feen einsetzen oder alle unsere Feen auf dem Spielfeld zurückrufen. Setzen wir eine Fee ein, bestimmt die Farbe des Feldes, welche Aktion wir auslösen und die Höhe der Ebene, wie häufig das der Fall ist! Am einfachsten ist, wenn wir den Farbbonus erneut für uns wählen. Dann erhalten wir eben wieder Rohstoffe, dürfen auf den drei Leisten voranschreiten, und und und. Dasselbe, wie beim Einsetzen der Landschaft.
Aber es gibt noch zwei andere Möglichkeiten. Auf graue Felder gesetzt, erlauben uns die Feen zu bauen. Hierfür bezahlen wir die auf dem Tableau angegebenen Baukosten und setzen das Gebäude ein. Dabei bestimmt das Gebäude, auf welcher Farbe wir es einsetzen dürfen und welchen Vorteil wir erhalten. Gebaute Lager erhöhen zum Beispiel unser Limit an Rohstoffen, die wir sammeln dürfen, während Hütten vorwiegend neue Feen freischalten. Grüne Felder wiederum erlauben uns, neue Bauteile zu kaufen oder einen Baum zu pflanzen. Bauteile sind, wie oben beschrieben, dafür da in die Landschaft gesetzt zu werden. Bäume geben uns einen dauerhaften Bonus, entfernen unsere Fee aber auch aus dem Spiel.
Zur Fee dürfen wir noch eine Aktionskarte spielen, wenn wir möchten. Mit dieser können wir dann beispielsweise punkten, erhalten Rohstoffe oder können auch mal Königsreichkarten ziehen. Wo wir bereits bei diesen sind, Königreichskarten geben uns Aufträge, die uns am Spielende mit Punkten belohnen, wenn wir sie erfüllen. Wir erhalten bereits zu Spielbeginn eine und können weitere im Spiel sammeln. Aber sie zählen auch zu unserem Handkartenlimit, was uns stets überlegen lässt, wann wir zu viele davon haben. Zusätzlich gibt es noch offene Aufträge, die jeder erfüllen darf.
Sollten wir statt eine Fee einzusetzen, alle zurückholen, dürfen wir genau ein Bauteil aus der Auslage nehmen. Das Spiel geht so lange weiter, bis entweder ein Spielender das Schloss baut (nur auf einem lila Feld der Ebene 3 möglich) oder die Bauteil-Auslage nicht mehr aufgefüllt werden kann. Am Ende kommt es dann zur Abrechnung und es gewinnt, wer die meisten Punkte sammeln konnte.
Das macht Building Fairyland so toll.
Ihr kennt alle Eurospiele, bei denen jeder so einsam vor sich hinspielt und man überhaupt nichts mit den anderen Spielenden zu tun hat? Das ist hier definitiv anders. Denn im eigenen Zug muss man stets beachten, das bestmögliche Ergebnis für sich selbst zu erhalten, ohne zu viele Vorlagen zu liefern. Das beginnt natürlich bei den Belohnungen, die unsere Mitspielenden für gebaute Gebäude bekommen und endet in den Möglichkeiten, die sich nach unserem Zug ergeben. Dabei läuft Building Fairyland natürlich Gefahr, zu einer Analysis Paralysis Endlosorgie zu werden, bei uns ging es jedoch relativ flott von der Hand.
Und dennoch fühlte sich jede Entscheidung wichtig an. Einfach, um stets die berühmte Nasenlänge voraus zu sein und den eigenen Plan zum Erfolg zu führen. Dabei kamen in unserer Partie keinerlei Längen auf. Die Zeit verging wie im Flug und man beobachtete auch genau, was die Mitspielenden so anstellen. Schließlich ging es nicht nur im Auge zu behalten, ob die eigenen Pläne aufgehen, sondern auch, welche Belohnung die anderen einem gönnten.
Ein weiterer Aspekt, der mir gefallen hat, war, dass das Spiel auch verzeihen kann. Ja, man kann schlechte Züge machen und sich kurzzeitig in eine Ecke spielen. Aber man ist dort nicht gefangen, sondern kann aus eigener Kraft wieder mitten ins Geschehen kommen. Auch, weil die Aktionen durch den Ausbau der Landschaften immer mächtiger werden, wenn man sie geschickt nutzen kann. Das Spiel schafft es, ohne eine Hundertschaft von Karten, die mit vielen Sonderregeln vor einem liegen, ein Gefühl des Fortschritts zu vermitteln, was ich designtechnisch als äußerst elegant empfinde.
Zuletzt mag ich Aufbauspiele, die einem Zeigen, was während des Spiels erschaffen wurde. Bei Building Fairyland bildet sich eine bunte Landschaft voll unterschiedlicher Farben und Figuren. Es kommt zwar nicht an den von PC-Spielen bekannten Wuseleffekt (also wenn bei Aufbauspielen das eigene Volk geschäftig über den Bildschirm wuselt) heran, schafft es dennoch, eine stets einzigartige Umgebung zu erschaffen.
Building Fairyland schafft für mich den Spagat zwischen anspruchsvollem und eingängigem Spiel. Es hat eine Lernkurve, die jedoch nicht durch ein überkomplexes Regelkorsett entsteht. Zusätzlich bringt es die Möglichkeit mit, dass ein Euro-Spiel gemeinsam beeinflusst gespielt werden kann, ohne zu zerstören oder das Spiel unnötig in die Länge zu ziehen. Ich freue mich schon auf meine nächste Partie und hoffe, dass es das Spiel bald zu einem anständigen Verlag schafft. Verdient hätte es Christian mit seinem Werk allemal!