SPIELSTIL Artikel

Das spielerische Minimalprinzip

Lesezeit: 3 Minuten

Mit #BG2GETHER wollen wir uns, genau wie jeden anderen Monat, gemeinsam mit Kolleg*innen einer weiteren Frage stellen. Diesmal werden wir wieder einmal zurückblicken. Uns selbst analysieren und auch das eine oder andere Geständnis abliefern. Denn wir fragen uns:

Frage des Monats Januar 2023

Wie sehr kämpfst du bei Brettspielen um den Sieg? Hat sich deine Einstellung hierzu über die Jahre geändert? Hängt es sogar von den Mitspielenden ab? Empfindest du es als unverschämt, wenn sich jemand weniger reinhängt, als du selbst?

Zu dieser Fragestellung kann ich schon einmal eine sagen. Solltet ihr irgendwann einmal gegen mich spielen, könnt ihr euch darauf einstellen, dass ich viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus treffen werde. Das mache ich nicht, um euch zu ärgern. Es ist nur meine bevorzugte Methode. Wobei das nicht bedeutet, dass ich mir nichts dabei denke. Aber mir ist es meistens zuwider, alle möglichen Pfade bis ins kleinste Detail durchzudenken. Wo könnte noch dieser eine Siegpunkt mehr auf mich warten, der mir den entscheidenden Schub gibt? Nein, nicht mit mir. Aber klar mache ich mir im Verlauf meine Gedanken. Dabei entscheide ich jedoch recht schnell, was für mich persönlich Sinn macht. Deswegen fühle ich mich dann auch etwas gequält, wenn ich Mitspielende am Tisch habe, die führ einen einzelnen Zug mehr Zeit benötigen, als ich für das komplette Spiel.

Gestern erst habe ich eine Geschichte einer sieben Stunden Partie Kemet gehört und dachte mir, dass ich froh bin, nicht dabei gewesen zu sein. Ich würde wie auf Kohlen sitzen und meine Züge wahrscheinlich noch schneller machen, nur um damit einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben. Er würde nicht funktionieren, ich weiß, aber es wäre einfach unhöflich zu sagen: „So, mein Zug ist fertig, ich hau mich vor die Konsole. Holt mich, wenn ich wieder dran bin.“

Womit man mich auf die Palme bringt!

Ganz ehrlich, Menschen mit Analysis Paralysis wühlen mich schon ein wenig innerlich auf. Jedoch gibt es noch eine Steigerung des Ganzen, bei dem ich aus der Haut fahren könnte. Die Personen, die uneinholbar vorne liegen und immer noch ihre Züge bis ins kleinste Detail planen und so die fünffache Zeit von einem selbst brauchen. Ja! Wir wissen, dass ihr der Hammer seid, aber irgendwann wurde es auch genügend bewiesen. Da kommt mir jedoch immer wieder eine Idee in den Hinterkopf. Eigentlich sollte man am Spielende die Siegpunkte pro eigener Spielminute errechnen und vergleichen um zu sehen, wer gewonnen hat.

Mir fällt gerade ein, dass es auch Spielmomente gibt, bei denen ich lange Züge anderer Mitspielender genieße. Wobei genieße ist etwas übertrieben, aber es ist die Würze eines Spiels für mich. Das ist, wenn irgendwer am Tisch (mich eingeschlossen) an den aktuellen Zwängen verzweifelt und das dann kommentiert. Dabei kann ich nicht einmal sagen, was mir daran so gut gefällt. Wahrscheinlich das Gefühl, dass das Spiel in meinen Augen alles richtig macht. Denn das ist für mich ein Zeichen für einen Spannungsbogen. Dieses im Spiel derart aufgehen, dass man seiner Probleme bewusst ist und verzweifelt eine passende Lösung sucht.

Ein schmaler Grat.

Aber worin liegt denn nun genau der Unterschied zwischen dieser Konstellation und Personen, die eben extrem planen? Ich kann es nicht genau sagen. Wahrscheinlich wäre eine Partie, in der alle Mitspielenden zu jedem Zeitpunkt immer alles geben, am Ende extrem spannend. Aber gleichzeitig tut sich in mir eine Parallele zu TV-Serien wie Walking Dead auf. Was bringt mir ein phänomenaler Cliffhanger am Ende, wenn die kompletten 43 Minuten zuvor einfach nur langweilig waren?

Ja, ich bin mir sicher, dass meine Art des Spielens auch vielen komplett gegen den Strich geht. Menschen, die sagen: „Wenn ich nicht alles bis ins kleinste Detail durchdenke, warum sollte ich mich dann überhaupt an den Spieltisch setzen?“ Ich kann dieser Argumentation dann auch folgen, aber das Hobby Spiel läuft für mich halt etwas anders. Es ist wie im Leben. Man darf Fehler machen, schließlich sorgen diese für die Würze und diese Würze ist es, die mich dann am Ende am besten unterhalten hat. Da bin ich dann wohl eher wie Winnie Puuh – ein einfacher Bär mit einfachem Verstand.

Die weiteren Teilnehmer:

Ihr seid Content Creator im Brettspielbereich und möchtet an der #BG2GETHER Aktion mitmachen? Schickt uns einfach eine kurze Mail an Christian@Spielstil.net.

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Written by Christian Renkel
Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.
3 Comments
  1. Avatar-Foto

    Hallo Christian,
    Die Worte hätten von mir kommen können. Ich gehöre auch zu den Spielern „aus dem Bauch heraus“ und auch sich mal über gemachte Fehler ärgern. 😀 ich denke eben an das jetzt und an den nächsten Spielzug und habe oft keine Lust, alles genau durchzurechnen. Das mache ich schon bei der Arbeit. Spielen ist für mich „Spiel, Spannung und Schokolade“ mit netten Menschen.

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    • Portrait-Christian Renkel-quadratisch-2

      Du bist an meinem Spieltisch immer willkommen. 🙂
      Spiel, Spannung und Schokolade ist die beste Mischung.

      Wir Bauchspielende müssen ja auch dafür sorgen, dass der Motor gefüttert wird. 😉

      Reply

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