Mit #BG2GETHER wollen wir uns, genau wie jeden anderen Monat, gemeinsam mit Kolleg*innen einer weiteren Frage stellen. Diesmal werden wir wieder einmal zurückblicken. Uns selbst analysieren und auch das eine oder andere Geständnis abliefern. Denn wir fragen uns:
Frage des Monats November 2024
Spielgeschmäcker wandeln sich im Laufe der Zeit. Das ist ganz normal und nachvollziehbar. Aber gehst du so weit um deine alte Rezensionen/Wertungen zu Spielen nochmals aufzugreifen und zu ändern? Ist das schon mal passiert? Und wie stark müsste sich deine Meinung ändern, um den Schritt zu rechtfertigen?
Wer kennt das nicht? Es gibt Momente im Leben, in denen man nachts wach im Bett liegt und sich darüber Gedanken macht, was man damals in der Schule einmal für einen Mist gesagt hat, über den alle gelacht haben. Man ist sich sicher, dass sich bestimmt noch jeder daran erinnert und jeder weiß, was man damals für ein Idiot war.
Ein ähnliches Phänomen ereilt mich, wenn ich alte Texte von mir lese. Dabei meine ich nicht einmal diejenigen von Spielstil, sondern noch die, die ich zum Beispiel zu Anduin Zeiten verfasst hatte. Mein Gott möchte ich mein damaliges Ich manchmal gerne schütteln und ihm zurufen, du bist ein Idiot.
Aber es hilft nichts, man hat es verbrochen und muss auch irgendwie dazu stehen. Denn es ist ein Teil der persönlichen Entwicklung und die Arbeit, die man heute abliefert, nur ein Resultat daraus. Hätte man keine Fehler gemacht, hätte man nicht aus ihnen gelernt und sich stets verbessert. Meistens zumindest. So ähnlich ergeht es einem dann natürlich auch mit Rezensionen.
Als ich 2016 mit Spielstil begonnen hatte, hätte ich niemals gedacht, dass ich in 8 Jahren einen Artikel über die alte Zeit schreiben würde. Und nun sitze ich hier, trinke Kaffee und tippe diese Zeilen in der Hoffnung einen Konsens zu finden, der sich komplett richtig anfühlt. Aber ob das gelingen wird? Wir werden sehen.
Den Seelenstriptease zu alten Rezensionen habe ich aber bereits absolviert. Wenn ihr das hier lest, befindet sich gerade ein Video im Schnitt, in dem wir gerade speziell über die von mir damals als sehr gut bewerteten Spiele sprechen. Welche spiele ich überhaupt heute noch? Wo lag ich im Rückblick falsch. Dabei lässt sich schon einmal eines sagen, Geschmäcker reifen.
Dabei ist es egal, ob Spiel, Film, Buch oder was auch immer. Ihr werdet auch schon an einen Punkt gekommen sein, an dem ihr euch gefragt habt, was ihr daran denn einmal gemocht haben konntet. Oder warum man einen offensichtlichen Designfehler damals nie gesehen hat. So bei mir zum Beispiel bei Akte Whitechapel.
Ein Spiel in einem einer gegen alle Szenario mit verdeckter Bewegung. Die Spieler versuchen Jack the Ripper zu fangen, der von einem Mitspieler verkörpert wird. 2016 habe ich das Spiel geliebt. Es war spannend von der ersten, bis zur letzten Minute. Jetzt beim wieder spielen entdeckten wir aber direkt einen großen Fehler. In den letzten zwei Nächten ist es Jack durchaus möglich abzuhauen, ohne dass die Polizei eine Chance hätte ihn zu schnappen.
Das dämpft natürlich das Spielerlebnis ungemein, was die hohe Note, die ich ihm damals gegeben habe, niemals rechtfertigen würde. Doch müsste ich nun auch die Rezension anpassen? Alles neu testen, schreiben, bewerten? Ich glaube nicht. Nicht nur, dass der Aufwand dazu enorm wäre, nein es würde kaum jemanden etwas nützen. Klar sehen wir an den Zugriffen, dass durchaus auch alte Artikel gelesen werden, aber nicht in dem Umfang um stundenlange Arbeit zu rechtfertigen.
Das mag jetzt vielleicht erst mal etwas hochnäsig klingen. Deswegen komme ich jetzt besser direkt zu meinem zweiten Punkt. Hier sind wir wieder bei der persönlichen Entwicklung. Jeder Artikel ist mitunter ein Zeugnis seiner Zeit. Anhand dessen kann man sich meines Erachtens viel besser in einen Rezensenten hineinversetzen. Denn man kann seine eigene persönliche Entwicklung damit abgleichen. Prüfen, ob der eigene Geschmack in etwa gleich tickt. Und das hilft dann doch vielleicht mehr, als wenn eine Rezension im Nachhinein aktualisiert worden wäre.
Bonusfrage: Hast du Wertungen schon einmal aus anderen Gründen angepasst?
Aber dann kommen wir hier zu einem wichtigen Punkt. Auch ich habe schon Rezensionen angepasst. Selten, aber das war dann eben auch wichtig. Das passiert immer dann, wenn mir ein Fehler unterläuft. Habe ich zum Beispiel Regeln falsch interpretiert, die ein Spiel dadurch schlecht werden lassen? Dann ist es meine Pflicht nochmals darüber zu gehen. Schließlich ist die Wertung aufgrund falscher Annahmen passiert.
Mit der Zeit wird man natürlich immer besser. Das heißt nicht, dass keine Fehler passieren, aber man hinterfragt sich selbst kritischer. Habe ich alles richtig gemacht? Aus was resultiert meine Annahme? Ich kann hier nur auf Terrorscape verweisen. Eine Rezension, in die ich viel Zeit zur Recherche investiert habe, um zu prüfen, was bei uns nicht richtig läuft. Hätte ich es mir leicht gemacht, wäre an mir nicht nur ein gutes Spiel vorbeigegangen, sondern ich hätte auch noch peinlicherweise jedem erzählt, wie schlecht es ist.
Und das hätte mich in vielen Jahren wieder nachts wach liegen lassen. Gequält mit dem Gedanken, für was für einen Idioten mich alle gehalten haben.
Horst
Moin Christian, oh nein du liegst oft nachts wach und grübelst über Schule oder gar Rezensionen?! 🙂 Hör auf damit!
Stimme dir voll zu, dass zu jeder Rezi eine ordentliche Recherche dazu gehört, viele unterschiedliche Spielgruppen und überhaupt eine Menge „Arbeit“. Dabei steht zum Glück der Spiel-Spaß immer im Vordergrund und nicht eine gefühlte Deadline zu einem neuen Artikel. Hab weiterhin Spaß beim Spielen (und natürlich bloggen).