SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 9 Minuten
Ein Spiel entwickelt von MJ Newman, Nate French
erschienen bei Heidelberger Spieleverlag
(* Die Spielenszahl auf der Grundbox ist mit 1-2 Spielens angegeben – weil das Material der Grundbox eben nur für 2 Decks reicht. Prinzipiell ist das Spiel aber für 1-4 Spielens vorgesehen – man benötigt aber einer 2. Grundbox oder zumindest 2 weitere Ermittlens-Decks)
Ich muss heute mal etwas Ernstes ansprechen. Es fällt mir nicht leicht, aber ich habe das Gefühl, Ihr versteht mich – wenn es auch sonst niemand tut.
Mein Duschvorhang spricht zu mir.
Nein, ehrlich! Ich habe zuerst auch gedacht, es wären Geräusche in der Wasserleitung oder der Nachbar unter uns – aber dann habe ich gesehen, wie sich die Muster bewegen und deutlich gehört, wie er zu mir flüstert!
Er vertraut mir Geheimnisse an! Geheimnisse, die nie ein Mensch zuvor wusste! Ihr wollt einen Beweis? Na gut – Wusstet ihr, dass Tomatensalat viel besser schmeckt, wenn man die Tomaten durch Steaks ersetzt? Oder dass Tom Hanks eigentlich der uneheliche Sohn von Michael Jackson ist? Das Hühner eigentlich Dinosaurier sind, und auf einer Insel im Südpazifik ein Tyrannosaurus Gack lebt, der 15 Meter groß ist?
Nein? Seht ihr! Ich wusste es bislang auch nicht! Aber mein Duschvorhang hat es mir verraten. Wie das anfing, wollt ihr wissen? Nun, ich glaube es begann, als ich dieses alte Buch aus der Bücherei ausgeliehen habe…
(H. P. Lovecraft)
„Arkham Horror – Das Kartenspiel“ ist ein kooperatives Deck-Konstruktions-Spiel. Das bedeutet, dass wir vor dem eigentlichen Spielen erst einmal unser Spieldeck zusammenstellen müssen. Hierfür stehen uns in der Grundbox 5 verschiedene Ermittlens zur Verfügung, welche alle ihre eigenen Regeln haben, nach denen dieses Kartendeck erstellt wird. Es gibt dabei fünf verschiedene Klassen, aus denen man wählen darf: Die kampfstarken Wächterns, die belesenen Suchens, die trickreichen Schurkens, die magiekräftigen Mystikens und schließlich die zähen Überlebenden. Die Auswahl der Karten der einzelnen Klassen ist dabei oft stark fokussiert; bei den Wächtens erwartungsgemäß auf Kampf und auf Waffen, bei den Suchens auf Wissen und das Finden von Hinweisen, bei den Mystikens auf Rituale, und so weiter. Je nach Ermittlens, den wir spielen, dürfen wir allerdings auch Karten anderer Klassen beim Konstruieren unseres Decks verwenden – das ist allerdings bei jedem Ermittlens anders.
Haben wir dann unsere Decks erstellt, wählen wir eine Kampagne aus, die wir spielen wollen, und beginnen mit dem ersten Szenario. Hier läuft das Spiel in der Regel so ab, dass wir Runde um Runde mit unseren Ermittlens verschiedene Orte besuchen – das können sowohl Räume innerhalb eines Hauses sein, Gebäude auf einem Universitäts-Campus oder auch so weitläufige Orte wie Sehenswürdigkeiten einer Region – und meist dort versuchen, Hinweise zu finden auf die Machenschaften des „Bösen“. Die Antagonistens, also das Böse, behindern uns dabei mit Begegnungskarten, welche Feindens, negative Ereignisse oder behindernde Umstände, wie Regen, Nebel oder auch simpel die Furcht unserer Ermittlens darstellen. Denn während wir Ermittlens verzweifelt versuchen, herauszufinden, was hier eigentlich vor sich geht, schreitet das Verderben auf der Agenda des Bösen unerbittlich fort. Wird ein bestimmter Wert erreicht, setzt sich die Geschichte der Antagonistens fort; finden wir schnell genug die benötigten Hinweise (oder erfüllen eine gestellte Aufgabe), schreitet unsere eigene Szene voran und wir kommen der Lösung des Szenarios einen Schritt näher.
Um dies zu erreichen spielen wir Karten aus unserem Deck: Waffen, Bücher, also Ausrüstung im weitesten Sinne; Verbündete, die uns helfen oder uns beschützen, und Aktionskarten, die uns zum Beispiel schneller Hinweise finden lassen, oder uns zusätzliche Ressourcen geben, um eben jene Karten zu spielen. Außerdem haben unsere Karten fast immer Symbole: Und zwar entsprechend der vier Attribute, die ein jeder Ermittlens hat: Willenskraft, Intellekt, Kampf und Beweglichkeit.
Im Laufe des Szenarios müssen wir nämlich mit unseren Ermittlens immer wieder Proben mit diesen Attributen ablegen – und wenn der Grundwert unserens Heldens nicht ausreicht, können wir Karten mit dem passenden Symbol abwerfen, um den benötigten Zielwert zu erreichen. Doch das wäre ja noch zu einfach, wenn wir nun sicher wüssten, dass wir diese Probe bestehen. Deshalb gibt es den sogenannten „Chaos-Beutel“, aus dem wir bei jeder Probe einen Marker ziehen, welcher unser Attribut noch weiter modifiziert. Der überwiegende Teil an Markern in diesem Beutel hat ein negatives Vorzeichen – diese lassen unsere Probe also in der Regel scheitern, falls wir nicht über dem geforderten Wert liegen. Und dann gibt es noch spezielle Marker, die je nach Szenario noch schlimmere Dinge und Ereignisse auslösen…
Haben wir dann schließlich das Szenario überstanden – zum Guten oder Schlechten – gibt es meist doch eine Belohnung, in Form von Erfahrungspunkten. Mit diesen Erfahrungspunkten können wir nun unser Ermittlens-Deck verbessern: Viele Karten stehen zu Beginn überhaupt nicht zur Verfügung, sondern müssen später mit Erfahrungspunkten erst gekauft werden. Dazu gehören sowohl verbesserte Versionen von Startkarten, als auch Karten, die es lediglich in ihrer starken Ausführung gibt, und die mitunter dann auch satte 5 Erfahrungspunkte kosten (was sehr teuer ist!)
Das Spiel ist dabei als Kampagnenspiel angelegt – das bedeutet, nun geht es mit dem nächsten Szenario der Kampagne weiter, wobei wir oftmals Ergebnisse oder Ereignisse des vergangenen Szenarios notieren – und diese haben dann (mitunter gravierende!) Auswirkungen auf die folgenden Szenarien.
Die komplette Spielregel zu Arkham Horror: Das Kartenspiel findet ihr hier. (externer Link)
(H. P. Lovecraft)
Arkham Horror – Das Kartenspiel ist sicherlich eines der spezielleren Kartenspiele, die es aktuell gibt. Auf der einen Seite hat man hier ein klassisches Deck-Konstruktions-Spiel, welches sehr klare Regeln hat und in dem man, wie auch schon beim Klassiker Magic: The Gathering, Karten aufeinander abstimmt, und „Kombos“ ausspielt. Auf der anderen Seite ist das Spiel mit einer Reihe Besonderheiten angereichert, welche ich in dieser Art noch nicht gekannt habe bei einem Kartenspiel:
Noch einmal ein Wort zu der Kampagne: Was mir besonders gut gefällt, ist der beständige Fortlauf der Kampagne. Nur in sehr wenigen Szenarien ist es möglich, dass die Kampagne ein vorzeitiges Ende findet. Ansonsten geht es immer weiter, zumal die Szenarien meist mehr als nur einen möglichen Ausgang kennen. Hier sind wir auch wieder bei den Entscheidungen dens Mitspielens und den Auswirkungen, welche diese auf spätere Kapitel, also Szenarien, der Kampagne haben.
(Auf dem Bild seht ihr übrigens die geniale Spielmatte und die Orts-Verbinder von Powerplant Games – die Verbinder haben wir uns hier schon mal angesehen: Spielhilfe – Arkham Horror Connectors und zu den Spielmatten kommt die Tage ein Artikel – versprochen!)
Aber einen großen und wichtigen Punkt muss ich nun dennoch ansprechen – und dieser könnte bedeuten, dass dieses Spiel eben doch überhaupt Nichts für euch ist, auch wenn Alles bisher ganz toll geklungen hat. Das Spiel ist nicht nett. Im Gegenteil: Es ist teilweise auch einfach unfair. So kann es passieren, dass ein frühes Ereignis aus dem Begegnungsstapel, gekoppelt an eine negative Marke aus dem Chaos-Beutel, das Szenario für Deinen Ermittlens sofort beendet. Nicht nur wird man so Nichts erreicht haben, und wohl auch kaum Erfahrungspunkte bekommen – man nimmt als Konsequenz auch noch ein Trauma mit in alle folgenden Kapitel – also einen permanenten Schadensmarker, mit dem man bereits startet.
So kann man in der Hälfte der Kampagne plötzlich ein Deck mit einer ganzen Reihe negativer Karten und mehrerer Traumata haben – und „muss“ diesens Ermittlens dann doch bis zum bitteren Ende spielen. Dieser Effekt verstärkt sich natürlich weiter, denn je mehr negative Ereignisse dens Ermittlens treffen, um so eher scheitert ens erneut. Das ist auf der einen Seite zwar auch die Idee dabei: Die Geschichten von H.P. Lovecraft sind immer irgendwie tragisch und die Protagonistens nehmen meist kein gutes Ende – dennoch kann es für einens Spielens wirklich anstrengend sein und einems die Lust auf weitere Partien verderben.
Wenn einen allerdings dieser negative Aspekt, gepaart mit der Zufälligkeit des Chaosbeutels, nicht stört, dann findet man hier ein tolles erzählendes Spiel, bei dem man gleichzeitig auch der Lust am Deckbau und dem Ausspielen von mächtigen Kartenkombinationen frönen kann. Mit mittlerweile 6 großen Kampagnen wird man hier mit Spielmaterial über Jahre gut versorgt sein!
Ach ja, ich glaube, dass auch Christian mittlerweile Arkham Horror spielt – gestern meinte er, seine Kekse reden mit ihm…
(Falls ihr euch fragen solltet, weshalb ich „Spielens“ statt „Spieler“ geschrieben habe – Ich habe jüngst ein Interview mit Lann Hornscheidt gelesen und empfand den Ansatz, eine neutrale Form auf der Endung „ens“ basierend so interessant, dass ich sie gerne ausprobieren möchte. Das bedeutet nicht, dass von nun an jeder Artikel und jeder Beitrag auf SpielStil.net auf diese Weise geschrieben sein wird. Falls euch das Thema interessiert, gibt es ein sehr spannendes Buch dazu beim w_orten & meer Verlag: Wie schreibe ich divers?
– Tom)
Arkham Horror: Das Kartenspiel von MJ Newman, Nate French
Ein kooperatives und kampagnenbasiertes Deckbauspiel, dass zwar viele Möglichkeiten und Abwechslung bietet, aber auch großes Frustpotential hat.
Thomas:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Gary
Hallo Thomas,
Woher bekommt man diese Tokenhüllen aus dem Chaosbeutel? Vielen Dank
Thomas Büttner
Hallo Gary,
Die Papp-Token von Arkham Horror haben einen Durchmesser von 25mm. Es gibt zum Beispiel bei Amazon „Münzkapseln“ (für Münzsammler) in so ziemlich allen Größen.
Ich habe mir welche mit einem Innendurchmesser von 26mm gekauft, die passen perfekt.
Theoretisch habe ich sogar noch ziemlich viele übrig – falls Du nicht selbst bei Amazon bestellen möchtest, kannst Du mir mal eine Mail schicken… 😉
Viel Spaß!
Tom