SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 8 Minuten
Ein Spiel entwickelt von David Chircop
erschienen bei Mighty Boards
Tja, was soll ich sagen? Wenn es etwas gibt, was mich bei Brettspielen so richtig triggern und abholen kann, dann sind es die Darstellungen von Landschaften oder Landkarten. Am Besten in Vogelperspektive und mit vielen Details zum Entdecken. Gerne in grün, aber auch winterliche Landschaften oder Gebirgszüge finde ich toll.
Beispielsweise wenn man selbst eine Landschaft aufbaut, in einem Wald auf Fotosafari geht oder gar die Welt verändern darf – all das finde ich toll! Aber das Beste ist immer noch, wenn man selbst etwas aufbaut, dass dann am Ende schön ist – kein Wunder also, dass ich direkt in Jubel ausbrach, als ich diese Perle bei der ersten Ankündigung sah!
Ich rede natürlich von Hamlet: Das Dorfbauspiel! Grüne, satte Wälder; schroffe Felsen – und dazwischen schlängeln sich kleine Pfade von Hütte zu Hütte! Hach, ein Traum!
(Friedrich Schiller)
Doch ausgeträumt – was Spielen wir hier eigentlich? In Hamlet: Das Dorfbauspiel errichten wir gemeinsam ein Dorf – ein „Hamlet“ ist nämlich ein Dorf mit Kirche; wobei die Betonung auf Kirche liegt – und so steht zentral im Spiel auch der Bauplatz eben jener Kirche. Wir alle können mit anpacken und unseren Teil zum Bau der Kirche beitragen (müssen dies aber nicht). Ist diese vollendet, endet auch das Spiel und wir vergleichen unsere gesammelten Siegpunkte: Diese zeigen an, wer sich am meisten im Dorf engagiert hat und zur wichtigsten Familie geworden ist. Oder einfach, dass diese Person am geschicktesten gespielt hat.
Denn während der Partie bauen wir alle gemeinsam am Dorf und nur dann gehört uns ein Gebäude, wenn es rein für Siegpunkte gewertet wird am Ende der Partie. Alle Produktionsgebäude belohnen uns beim Errichten mit ein paar Siegpunkten – doch nutzen dürfen sie dann alle Spielenden. Nutzen, das bedeutet: Eigene Meeples, sprich: Arbeitende, dort platzieren um Rohstoffe zu produzieren, diese zu veredelten Waren zu verarbeiten, oder eine der vielen anderen Sonderfunktionen zu nutzen. Anders als bei anderen bekannten Spielen, bei denen wir Meeples auf Aktionsfelder platzieren, blockieren wir hier die Aktion für Mitspielende nicht. Aber der Platz für Rohstoffe ist begrenzt – einmal produziert, bleiben sie dort liegen, bis sie verbraucht werden.
Man kann es schon erahnen: Wenn in einem gemeinsam errichteten Dorf die Rohstoffe auf dem Plan liegen bleiben – dann gehören sie auch niemandem – oder eher: Allen. Das bedeutet, dass Waren – einmal produziert – von jedem verarbeitet, verkauft oder verwendet werden dürfen (verwenden zum Beispiel, um neue Gebäude zu errichten). Allerdings bekommt die Person, die veredelte Waren hergestellt hat, hierfür dann auch einen Obulus. Also am Besten die eigenen Waren verarbeiten: Dann bekommt man den Obulus und das Ergebnis.
Eine Besonderheit ist noch der Transport von Waren durch das (noch nicht) Dorf: Unsere Arbeitenden sind besser zur Produktion von Waren geeignet; also haben wir hierfür eine Kette aus Esel-Meeples (Donkeyples?) durch das Dorf gezogen. Jedoch anders als unsere Meeples sind die Donkeyples störrisch und bewegen sich nicht frei im Dorf – sondern nur ein Feld pro Runde! So sollte man also gut planen, wann man diese Transportmöglichkeit wo benötigt und sie rechtzeitig in Bewegung setzen.
Ist schließlich die Kirche fertig gestellt worden, wird die Runde zu Ende gespielt und, wie schon eingangs erwähnt, gewinnt dann die Person, die die meisten Siegpunkte errungen hat.
Die komplette Spielregel zu Hamlet: Das Dorfbauspiel findet ihr hier. (externer Link)
(Christian Morgenstern)
Hamlet: Das Dorfbauspiel weckt bei mir eine ganze Reihe von Erinnerungen an das Spiel Neuland von eggertspiele aus dem Jahr 2010. Nicht nur begonnen bei den dreieckigen Basisstrukturen (bei Neuland waren es Rauten; hier sind die Bauteile unterschiedlich groß, aber immer Vielfache eines Dreiecks, um so eine geschlossene Landschaft zu ermöglichen – auch wenn dies nicht zwingend vorgegeben ist), aus denen wir unser Dorf bauen – auch bei Neuland bauen wir gemeinsam an einem Dorf, können Gebäude von Mitspielenden einfach benutzen und arbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin. Das finde ich einen sehr spannenden und interessanten Mechanismus – auch Brass kennt ja schon das Prinzip, dass eine Ware nicht exklusiv mir gehört, nur weil ich sie produziert habe. Damit ist es immer ein Balanceakt zwischen Planen und eventuellen Vorlagen, die man liefert – und partizipieren bei den Aktionen der Anderen.
Ein spannender Kniff ist bei Hamlet: Das Dorfbauspiel, dass es belohnt wird, wenn man die erste Person ist, die ein Produktionsgebäude für eine der hochstufigen Waren errichtet hat: Dann sind die Waren quasi doppelt so viel wert! Das ist nicht zu verachten, und sorgt dafür, dass es durchaus ein Wettrennen auf die entsprechenden Produktionsgebäude gibt. Außerdem wird so für zwei Dinge gesorgt: Erstens stehen diese Waren nun zur Verfügung und das Spiel schreitet voran; zweitens wird mit dem jeweils ersten Gebäude dieser Kategorie ein Stapel neuer (Sonder-)Gebäude in den Baubeutel geworfen und plötzlich gibt es eine Menge neuer Optionen beim Bauen. Moment, Baubeutel? Genau! Es gibt einen Stoffbeutel, aus dem blind die Gebäude für den Markt nachgezogen werden…
…wobei: Blind? Ja, Ok, blind mag man sein. Aber die Formen sind so distinktiv, dass man sich nicht mal Mühe geben muss, um bestimmte Gebäude zu ertasten beim Nachziehen. Das ist irgendwie…komisch. Es wirkt, als hätte man dieses Ziehen aus dem Beutel nachträglich hinzugefügt, um nicht mit einer immer offenen Auslage das Spiel sehr repetitiv zu gestalten. Man kennt das ja von Caverna: Alle Gebäudeoptionen sind von Anfang an sicht- und verfügbar und so kann man sehr gut auf bestimmte Strategien spielen. Wie gesagt: Hier nicht, durch den Beutel. Oder eben doch, weil die Gebäudeteile sich extrem einfach ertasten lassen.
Apropos festgelegte Strategien: Zu Beginn einer Partie haben alle Teilnehmenden einen Meeple von vier möglichen. Da man für jede Aktion einen Meeple benötigt, ist es also essentiell wichtig, sich weitere Meeples zu kaufen, was im Grunde die ersten beiden Runden definiert: Runde 1 produziert man mit seinem Meeple Rohstoffe, was 2 Gold generiert. Zusammen mit dem Startguthaben von 3 Gold kann man dann für 5 Gold in Runde 2 einen neuen Meeple kaufen. Und ja, das ist essentiell: Es gibt keinen Nachteil, mehr Meeples zu haben. Es ist 100% von Vorteil. Damit hätte man meiner Meinung nach auch einfach mit 2 Meeples und einem Bauplan – und ohne Gold – starten können. Einzig Spieler 4 hat ein wenig Varianz – und Schwierigkeiten, das Gold zu generieren. Prinzipiell ist es aber genauso möglich.
Und wenn wir schon bei diesen determinierten Startzügen sind – leider endet das Spiel auch auf dieselbe Weise: Sehr determiniert. Denn Hamlet: Das Dorfbauspiel kennt außer dem Ziehen von Bauteilen aus dem Baubeutel keinen Zufall (und das Ziehen von Bauteilen ist ja auch nur so semi-zufällig…). Das bedeutet, dass theoretisch zu jedem Zeitpunkt des Spiels klar ist, wer wie viele Siegpunkte hat. Da eine Runde immer zu Ende gespielt wird, kann zum Ende der Partie hin immer wieder durchgerechnet werden, wer aktuell wie viele Siegpunkte hat – und ob es für die Person zum Sieg reicht, die das Spiel nun zu macht. Falls nicht, generiert man lieber schnell noch ein paar mehr Siegpunkte und rechnet nächste Runde nochmal durch. Besonders schlimm ist das in einer 4-Spieler-Partie, denn hier muss die Startspielerin quasi die Züge von 3 weiteren Mitspielenden durchrechnen und das Potential und die Möglichkeiten erkennen – immer unter Berücksichtigung, dass eventuell ein sehr tolles Bauteil aus dem Beutel gezogen werden könnte.
Das, in Kombination mit immer mehr Aktionen und Aktionsmöglichkeiten zum Ende der Partie hin, macht das Endspiel zu einem zähen, langatmigen Sumpf der Rechnungen – hier hätte ich mir eine Kramerleiste gewünscht, um zumindest die statischen Siegpunkte festhalten zu können. Unbefriedigend ist das allemal – meistens gibt man dann einfach auf und macht das Spiel zu, und schaut danach, wer gewonnen hat. Einfach, weil es stinklangweilig und anstrengend ist, das jedesmal durchzurechnen.
So muss ich als Fazit sagen: Das Spiel sieht wirklich toll aus, aber am Ende ist es redaktionell nicht gut genug durchdacht worden. Ein paar Unwägbarkeiten bei der Endwertung mit Auftragskarten, die nicht bekannt sind bis zur Endwertung, hätten dem Spiel gut getan. So ist es aber (fast) komplett durchrechenbar, und das tut einem Spiel selten gut. Wenn, dann muss ein Spiel wenigstens eine definierte Anzahl von Runden haben, wie Terra Mystica oder Gaia Project – auch bei diesen Spielen ist alles durchrechenbar, aber ich muss nicht die Entscheidung treffen, ob ich das Spiel jetzt „zu“ mache: Ich kann einfach so gut spielen, wie es mir möglich ist, und dann ist die Partie automatisch vorbei und wir rechnen ab.
Hamlet: Das Dorfbauspiel von David Chircop
Hamlet: Das Dorfbauspiel besticht durch eine tolle Optik und eine Mechanik des gemeinsamen Warenkreislaufs. Leider schwächelt das Spiel sowohl zu Beginn der Partie, als auch im Besonderen im Finale. Dort wird es zerrig wie altes Leder und man wünscht sich nur noch, dass es bald vorbei ist.
Thomas:
Hinweis:
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Denny Crane
ui, ihr habt aber wirklich gerade einen Lauf bei extrem niedrigen Spielen.
Danke für die Warnung.
Christian Renkel
Spoiler: Die Tage gibt es dafür auch noch eine Rezi zu einem richtig guten Spiel. ❤️❤️
Thomas Büttner
Glaub mir, niemand ist trauriger als ich, weil ich in die Optik und im Grunde auch das Spielprinzip verliebt bin. Aber das Endgame macht mich so fertig und das Spiel so unspielbar für mich… 🙁
Alexander Putzendopler
Schade – hätte mich auch darauf gefreut :-/
Aja, kleine Korrektur: Caverna wurde zwar von Klemens gemalt, gebastelt hat es aber natürlich der gute Uwe 😉
LG aus Wien
Alex
Thomas Büttner
Da hast Du natürlich recht! 🙂