SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 8 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Mauro Chiabotto
erschienen bei Grimspire, Pendragon
Wir leben in einer Hölle aus Eis. Ein fürchterlicher Krieg hat alles mit radioaktivem Staub bedeckt. Es gibt nichts mehr, keine Nahrung, kein Sprit, keine Maschinen. Alles nur Elend. Als Letztes bleibt die Flucht mit dem Eisbrecher Aurora. Das Schiff fährt die Küste entlang und sucht nach Überlebendne. Aber “Winter is coming”, wer es nicht rechtzeitig an Bord schafft, bleibt im Eis – für immer. Ein Wettlauf gegen die Zeit, die Last Aurora zu erreichen…
In Last Aurora ist man Anführer einer Gruppe Überlebender, die das namengebende Schiff erreichen wollen. Jeder muss seine Gruppe managen, um Ressourcen zu sammeln, Überlebende zu rekrutieren, sein Fahrzeug zu verbessern und seine Feinde zu bekämpfen, um in dieser feindlichen Umwelt voranzukommen.
(Franklin D. Roosevelt)
Last Aurora kommt mit einem doppelseitigen Spielbrett, eine Seite für Neulinge und die andere fürs Standardspiel. Es wird in 6 Runden gespielt, die jeweils in 5 Phasen unterteilt sind. Jeder Spieler hat ein eigenes Spielertableau, mit dem er seinen Konvoi, den Überlebenden und seine Ressourcen verwaltet. Der Konvoi besteht aus einem Truck, Anhängern und Aufbauten wie Waffen oder Gepäckträger. Die Überlebenden haben immer einen Status: aktiv, erschöpft oder ruhend.
Die Erkundungsphase ist die erste und auch längste einer Runde. Hier setzt man die Überlebenden (also Worker) ein. Um sie verwenden zu können, müssen sie im aktiven Bereich des Tableaus ein und die Stärke muss höher sein als der gewünschte Ort. Man kann Nahrung einsetzen, um die Stärke temporär für diese Phase zu erhöhen. Das sind die Möglichkeiten:
Danach wird der Überlebende erschöpft.
In der Ruhephase kann man erschöpfte Überlebende sofort für jeweils eine Essensration in den Status ruhend bringen. Danach werden alle, die ruhend sind, in aktiv geschoben.
In der Bewegungsphase wird, wenn man Treibstoff hat, der Truck beweg. Die zurückgelegte Strecke hängt vom Truck, der Fähigkeiten Überlebender und die Menge des eingesetzten Sprits ab. Dabei ist es möglich Abkürzungen zu nehmen, wenn es der Truck erlaubt. Wer vorn liegt, hat die einmalige Möglichkeit Dinge aufzusammeln, die später nützlich sind.
Nach der Bewegung wird die Zugreihenfolge neu festgelegt. Tricky: Wer vorn im Rennen liegt ist erster beim Erkunden, wer hinten liegt, bewegt sich zuerst und greift auch zuerst an.
Sollten während der Erkundungsphase Feinde aufgedeckt worden sein, werden die Konvois von ihnen überfallen und beschädigt. Die Konvois können jetzt, wenn sie funktionierende Waffen und Munition haben, die Feinde bekämpfen. Der komplette Kampf wird mit Karten abgewickelt. Wer trifft, bekommt Siegpunkte. Eliminierte Feinde hinterlassen Beute.
Zuletzt bewegt sich die Aurora ein Feld entlang der Küste.
Das Spiel endet wenn die Aurora erreicht wurde oder sie abgefahren ist. Danach werden Siegpunkte errechnet. Wer die meisten hat gewinnt.
(Lucius Annaeus Seneca)
Last Aurora besticht mit einer starken Atmosphäre und einer guten Geschichte. Eine Gruppe von Menschen, die fast nichts zu verlieren hat auf einem eisigen, gefährlichen Weg zum rettenden Schiff. Jede Runde hat mehrere Phasen, diese greifen von den Regeln her schön ineinander, es sind fast schon eigene Minispiele.
Der größte Teil einer Runde in Last Aurora ist die Entdeckungsphase. Hier holt man sich mit seinen Überlebenden (alias Worker), Karten aus der Auslage. Es macht Spaß, den Konvoi zu erweitern und zu optimieren. Im Laufe des Spieles erhält man bessere Zugmaschinen, Anhänger mit mehr Kapazität und Aufbauten, die oben auf den Zug kommen. Die Gestaltung der Karten tut ihr Übriges. Der Stil passt zur Erzählung und die Karten grafisch aneinander. Es sieht so aus , als würden die Teile genau so zusammen gehören.
Aber es geht nicht nur um die Fahrzeuge, sondern auch um das was transportiert wird. So benötigt man Platz für die Besatzung und die Vorräte. Jedes Fahrzeug und viele Aufbauten bieten Platz, aber nicht jeder Platz kann beliebig verwendet werden. So ist man immer darauf bedacht, den vorhandenen Raum optimal zu nutzen und wenn möglich auch noch etwas Platz für Beschädigungen zu lassen. Vor allem ist es ärgerlich, wenn man einen tollen Überlebenden aus der Auslage holen könnte, aber erst Platz schaffen muss. Genauso wichtig ist es, die zwar verfügbaren, aber doch knappen Ressourcen aufzufüllen. Der Konvoi bewegt sich ohne Sprit nicht ein Feld weit und ohne Munition kann er sich nicht gegen die Feinde wehren. Die Zwänge sind dabei nicht so groß, wie man es erwarten würde. Last Aurora kann mit etwas Glück regelrecht belohnend sein, was aber gleichzeitig bedeutet, dass andere in die Röhre schauen …
Ein Worker, der auf Entdeckungstour war, ist von den Strapazen erschöpft und ruht sich für eine Runde aus. Es sei denn man gibt ihm eine der meistens knappen Essensrationen. Das ist schön thematisch umgesetzt. Zusätzlich bedeutet es, dass man sich genau überlegen sollte, wen man beim Entdecken einsetzt und vielleicht eine Runde ausfallen lassen kann. Zum Beispiel bringen Navigatoren in der Bewegungsphase zusätzliche Reichweite.
Last Aurora ist sehr oft mit den Glücklichen. Wer an der Reihe ist und die gute Karte in der Auslage bekommt, ist im Vorteil. Passiert das öfter, wird der Vorteil ausschlaggebend, besonders zu Beginn der Partie. Es kam mehrfach vor, dass ein Spielender regelrecht vom Pech verfolgt war und mit zweitklassigen Karten aus der Auslage klar kommen musste. Das nimmt man anfangs noch als Herausforderung, wird aber dann auch irgendwann mal öde.
Last Aurora ist ein doppeltes Wettrennen schaffen wir es rechtzeitig, bevor die Aurora abfährt und vor allen anderen. Dabei kann sich das Rennen in zweierlei Richtungen entwickeln. Die Erste, war leider bei uns die Seltenere. Es entwickelte sich zwischen den unterschiedlichen Konvois ein echtes Rennen. Das Feld war dann immer eng beieinander. Das Spiel entwickelte und hielt die Spannung über fast die ganze Partie. Alle waren dann konzentriert darauf, das beste aus dem jeweiligen Zug zu ziehen. Diese Partien kamen bei uns leider nicht so oft vor. Der weitaus häufigere Fall war, dass sich das Feld bei Last Aurora sehr auseinanderzog. Besonders der letzte Konvoi, war dann weit abgeschlagen und schaffte es kaum den Abstand aufzuholen. Je nach Anzahl der Spielenden war es schon früh klar, wer das Schlusslicht dieser Partie sein wird. Zumal die Spielreihenfolge von der Position auf dem Spielfeld abhängt. Wer vorn ist, darf auch zuerst aus der Auslage beim Erkunden wählen. Das hat es den hinteren Plätzen noch schwerer gemacht aufzuholen.
Die Bewegung ist eigentlich das wichtigste Element in der Geschichte des Spiels, aber sie ist fast das Einfachste und Schnellste daran. Wer eine Treibstoffressource hat, zählt ein paar Eigenschaften zusammen und fährt diese Anzahl an Feldern auf dem Plan. Für ein Spiel, das sich eigentlich wie ein Wettrennen anfühlen sollte, ist dieser Aspekt für meinen Teil etwas dünn. Es gibt nur ein paar wenige Entscheidungen, die man zusätzlich treffen kann.
Zu guter Letzt der Kampf gegen die Feinde, die während der Entdeckungsphase in der Auslage aufgetaucht sind. Der Kampf ist über Karten gesteuert. Sie zeigen wo der Konvoi getroffen wurde und wie gut wir zurück gefeuert haben. Das funktioniert sehr einfach und schnell, dabei ohne großes Regelwerk. Wir haben die Angreifer auch nie als wirklich gefährlich empfunden, sondern eher als Ärgernis und Beute auf Rädern. Sie belästigen einen durch Treffer, diese zerstören Transportplätze. Wer nicht genug Platz hat muss jetzt irgendetwas abwerfen und für die nächste Erkundung kann es dann auch schon enger werden. Man muss also reparieren, was Aktionen kostet. Wer schlussendlich die Beute bekommt, wird ebenfalls über Karten bestimmt. Dabei hatten wir oft das Gefühl, dass der letzte Treffer meistens die Beute abräumt.
In unserem Podcast klang mein erstes Fazit noch extrem positiv. Ich wurde regelrecht nach negativen Punkten gefragt, die ich erst einmal gar nicht nennen konnte. Inzwischen hat sich das geändert, das Bild ist nach weiteren Partien differenzierter, weniger rosig und ganz thematisch durchaus abgekühlt.
Last Aurora von Mauro Chiabotto
Bei Last Aurora rast man in einer post-apokalyptischen Landschaft, mit einem Konvoi durch ein gefrorenes Land, um das letzte Eisbrecherschiff zu erreichen. Wir sammeln Ressourcen, finden Überlebende, optimieren den Konvoi und kämpfen gegen Feinde. Last Aurora kann ein spannendes und herausforderndes Spiel sein, das verschiedene Spielstile miteinander verbindet.
Robert:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen vergünstigt vom Verlag bekommen.
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Denny Crane
Schöner Test. Dieser deckt sich mit meinen Erfahrungen. Ja, dieses Spiel ist relativ kleinteilig, aber punktet damit sehr gut mit der Atmosphäre.
Wir hatten unheimlich viel Spaß damit.
Die extra Luxus-Ressourcen geben dem Spiel nochmal einen ordenltichen Exta-Atmsophärenboost
christianspielt
Zitat aus dem Artikel:
„Wer vorn ist, darf auch zuerst aus der Auslage beim Erkunden wählen. Das hat es den hinteren Plätzen noch schwerer gemacht aufzuholen.“
Genau umgekehrt ist doch der Fall. Wer vorn ist fährt zuerst. Wer hinten ist darf zuerst erkunden. Dadurch haben die hinteren Konvois die Möglichkeit, eher mal wieder aufzuholen. Möglicherweise ist das einer der Gründe, warum das Spiel längerfristig nicht so gut ankommt.
Eigentlich ist das ganz gut zu merken, da die Fahrzeuge von links nach rechts fahren. Wer am weitesten hinten (links) im Rennen ist, liegt auch unten in der Spielreihenfolge am weitesten links. Der Führende Konvoi am weitesten rechts in der Spielreihenfolge. Und die Pfeile geben dann an, dass Erkundung von links nach rechts und Bewegung von rechts nach links abgehandelt wird.
Möglicherweist ist eure Spielerfahrung ohne diesen Regelfehler eine andere – ich kann mir schon vorstellen, dass es mit dem Regelfehler wenig Spaß macht, weil die hinteren Konvoys dadurch fälschlicherweise kaum Chancen haben.
Robert Alstetter
Hey Christian,
danke für den Hinweis. Du hast mich gerade etwas verunsichert. Die letzte Partie schon einige Zeit her, ich muss jetzt noch mal überlegen, wie wir es genau gespielt haben. Es war auf jeden Fall so, dass wir in der ersten Partie uns mehrfach versichern mussten wie herum die Reihenfolge richtig war. Ich prüfe das einfach nochmal.