SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Jamey Stegmaier
erschienen bei Feuerland Spiele, Stonemaier Games
Zivilisationsspiele sind was tolles. Denn hier fühlt sich meist jede Entscheidung von uns wichtig an und belohnt uns damit, dass wir unser Volk wachsen und gedeihen sehen. Doch Zivilisationsspiele haben auch ein Problem. Wollen sie wirklich episch sein, ist es auch die Dauer des Spiels. Und nicht immer hat man die nötige Zeit, selbst, wenn diese kurzweilig erscheint, da der jeweilige Titel richtig Spaß macht.
Und genau hier möchte Jamey Stegmaier mit Tapestry einspringen. Ein Spiel, das relativ einfach und nicht zu lange ist und dennoch das komplette epische Gefühl mit sich bringt. Und damit das Gefühl verstärkt wird, wurden viele bemalte Gebäude in die Schachtel gepackt. Ob der Plan aufgegangen ist, haben wir für euch in vielen Partien getestet.
(Roman Herzog)
Dreh und Angelpunkt von Tapestry sind die vier Zivilisationsleisten, über die die Aktionen des Spiels ausgelöst werden. Mit den uns zur Verfügung stehenden Rohstoffen müssen wir uns entscheiden, welchen Pfad wir voranschreiten möchten. Dabei wählen wir zwischen Entdeckung, Eroberung, Handel oder Forschung. Jedes mit seinen eigenen Vor- und Nachteilen.
Das Spiel erlaubt es uns auch immer wieder Hütten zu bauen. Mit diesen schalten wir dann mehr Rohstoffe einer Art frei, die wir für die jeweilige Zivilisationsleiste benötigen. Neben diesen Hütten bauen wir dann noch (wenn wir als erster bestimmte Felder der Leiste erreichen) große Gebäude auf unser Tableau. Immer mit dem Ziel, ganze Zeilen, Spalten oder Bereiche zu füllen, um so Siegpunkte und weitere Rohstoffe zu generieren.
Damit ein schönes Zivilisationsfeeling aufkommt, ist allem in den Leisten und dem eigenen Tableau mit imaginären Errungenschaften versehen. So kann ein neues Produktionsgebäude zum Beispiel auch bedeuten, dass wir eben die Brettspiele erfunden haben. Wobei diese nicht ganz so unwichtig sind, wie sie auf den ersten Blick wirken mögen. Denn sie sind häufig die Voraussetzung, um eine Erfindung auf die lukrativste Stufe zu bekommen.
Haben wir keine Möglichkeiten mehr, gehen wir in die Produktion über. Hier erhalten wir nicht nur neue Rohstoffe, sondern legen auch eine neue Gobelin-Karte an. Diese zeigt nicht nur, wie sich unsere Zivilisation entwickelt, sondern bestimmt auch Sonderregeln, die für uns gelten.
Nach der fünften Produktionsphase endet das Spiel für den jeweiligen Spieler. Haben alle ihr persönliches Spiel abgeschlossen, gewinnt derjenige, der die meisten Punkte einfahren konnte.
Die komplette Spielregel zu Tapestry findet ihr hier. (externer Link)
(Karl Jaspers)
Tapestry kommt optisch als Zivilisationsspiel daher: Man baut seine Hauptstadt aus, bringt Technologien und Forschung voran und breitet sich auf einer Weltkarte weiter und weiter aus. Doch dieser Schein trügt. Eigentlich ist Tapestry ein großes, komplexes Puzzle – und genauso fühlt es sich auch an: Das eigene Volk hat meist sehr prägende Fähigkeiten, die verstanden und genutzt werden wollen. Dazu muss man genauestens planen, in welcher Reihenfolge man auf welcher Leiste voranschreiten will. In der ersten Runde agiert man meist noch mit sehr wenigen Ressourcen und Aktionen vor sich hin, doch – spielt man es richtig – steigern sich diese Möglichkeiten exponentiell.
Bei all der Planung ist man ständig im Rennen mit seinen Mitspielern um die Vorherrschaft auf den Fortschritts-Leisten. Bedeutet das nun Interaktion? Jein – denn nur, weil man sich im Wettrennen befindet, bedeutet das in der Regel nicht, dass man die eigenen Pläne in der Reihenfolge der Aktionen durcheinanderbringen kann. Dann fällt nämlich das sorgsam vorbereitete Konstrukt in sich zusammen.
Und so spielt man dann doch eher solitär am Tisch vor sich hin, und am Ende gewinnt irgendwer. Denn auch das muss man sagen, das Spiel verzeiht wenig. Und auch nur eine fehlende Ressource in Runde 1 oder 2 hat massive Auswirkungen auf die Menge an Rohstoffen in Runde 4. Wenn man dann nicht mehr das zusätzliche Häuschen bauen und damit das Planquadrat fertigstellen konnte oder die Erfindung kaufen durfte. Natürlich gibt es IMMER eine Ressource zu wenig. Denn es gibt immer noch etwas, was man unbedingt in dieser Runde machen möchte – aber nicht mehr kann. Daher ist es während des Spiels nicht sonderlich frustrierend, auch wenn man bemerkt, dass die Mitspieler irgendwie 100 Punkte vor einem liegen.
Gewürzt wird dieser relativ harte und unverzeihende Mechanismus nun aber mit den Tapestry-Karten und Erfindungen, welche entweder hervorragend zu den eigenen Plänen passen – oder so ganz und gar nicht. DAS kann dann allerdings sehr frustrierend sein, wenn man selbst gezwungen ist, eine “Falle” für ein paar Siegpunkte auszuspielen, während die Mitspieler gewaltige Sprünge durch ihre Tapestry-Karten machen. Dieses System passt so ganz und gar nicht zu dem doch eigentlich sehr planerischen und von Mangel und Ressourcenknappheit geprägten Spiel. Packt man dann noch die Würfel für Eroberungen oder für die Forschungs-Fortschritte obenauf – dann wundert man sich schon, was dieses Spiel eigentlich will.
Unter dem Strich bleibt ein wirklich wunderschönes und vollkommen überproduziertes (Warum all die Gebäude-Miniaturen? Plättchen wären viel sinnvoller und auch günstiger!) Spiel, welches nicht wirklich weiß, was es will: Knallhartes, auf Kante genähtes Planungsspiel – oder zufallsgesteuertes Karten- und Würfelspiel. Leider fühlen sich ähnlich planlos auch die Partien an: Man spielt und macht Dinge, und am Ende gewinnt jemand. Es ist nicht episch, es ist nicht spannend – man spielt eben einfach so vor sich hin und andere Menschen sitzen auch am Tisch.
Tapestry von Jamey Stegmaier
Tapestry weiß nicht so recht, was es sein möchte. Und so fühlt sich eine Partie dann auch an, wenn der Glanz der Produktion mal abgeklungen ist.
Thomas:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen vergünstigt vom Verlag bekommen.
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Ralf Brechtel
Hi Tom, ja Tapestry ist wie viele der typischen Euros. Man fummelt 2 Stunden vor sich hin und irgendwann hat einer gewonnen. Ganz ehrlich : bevor ich 2 Stunden Tapestry spiele, mach ich in der Zeit lieber 2 Partien z.B. London. So gings mir auch mit 1800…für mich lang, langwierig und nach einiger Spieldauer, langweilig. Es ist schwierig ein Spiel mit einer Dauer über 2 Stunden zu entwickeln, das über die gesamte Dauer wirklich fesselt. Wenn ich in Foren manchmal nach einem Spiel gucke und lese dann von Spielern sie hatten mit 124 Punkten gewonnen, hake ich es für mich ab Diese extreme Punktesammelei ist seit Jahren nur noch öde für mich.
Thomas Büttner
Hallo Ralf,
Ich muss ja zugeben: Optik ist mir bei sehr wichtig!
Und genau da holt mich Tapestry sehr ab – aber nach ein paar Runden hatte ich gefühlt Alles gesehen. Natürlich ist das nur mein persönlicher Eindruck und ich weiß, dass es viele Fans dieses Spiels gibt – nur meines ist es nicht…
Ein Frohes Neues Jahr!
Tom
Ralf Brechtel
Ja, klar. Das optische hat mich bei Tapestry auch „geködert“. Dein Gefühl kenne ich. Da liegt ein „Riesending“ am Tisch und dann stelle ich fest, daß mich London geistig mehr interessiert. Gefühlt hat das kleine London mehr Tiefe als das große Tapestry. Ich glaube, die Entwickler packen oft auf Kosten der Spieltiefe zuviel rein.