SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 4 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Saashi
erschienen bei Brettspielwelt GmbH
„Hannelore, sieh nur! Alle Tassen sind noch halbvoll!“, ruft Brigitte ganz verzweifelt aus, als sie aus dem Salon in die Küche ihres Hauses eilt, „Wieso schmeckt es ihnen nur nicht?“
„Ach Liebes, pfui, wie das schmeckt! Welchen Kaffee hast Du denn da genommen?! Doch wohl nicht etwa Jacobis Dröhnung? Der schmeckt ja ganz fürchterlich!“ Sie erschaudert. „Hier, nimm diesen! Den habe ich selbst geröstet! Es gibt da jetzt diese App – damit bin ich ganz schnell zur Röstgesellin geworden“
„Hannelore – sind das gebratene Erdnüsse???“
(frei nach Carl Gottlieb Hering (1766–1853))
In der App Coffee Roaster, einer Umsetzung des gleichnamigen Solitär-Brettspiels, gehen wir dem Beruf des Kaffee-Rösters nach. Eine Partie des Spiels teilt sich in zwei Phasen: Im ersten Abschnitt, dem „Rösten“, starten wir mit einem Beutel voller ungerösteter Bohnen, Wasser und Aromen. Über mehrere Runden werden eine bestimmte Zahl Chips („Bohnen“) aus dem Beutel gezogen und „geröstet“, also gegen höherwertige Bohnen-Chips ausgetauscht.
Zusätzlich können wir die gezogenen Aromen verwenden, um Sonderfähigkeiten zu aktivieren, welche uns in dieser Phase, oder auch der nächsten, helfen. Zu einem von uns gewählten Zeitpunkt beenden wir diese Phase und brauen eine Tasse des von uns gerösteten Kaffees – sozusagen.
Wir ziehen einen Chip nach dem anderen aus dem Beutel, bis alle 10 Plätze in der „Tasse“ gefüllt sind. Dabei können wir auch eine Zahl von Chips aussortieren, die wir nicht in der Tasse haben wollen: Verbrannte oder schlechte Bohnen; oder ungewünschte Aromen.
Denn: Für jeden Kaffee haben wir eine Vorgabe. Zum Einen sollen wir einen exakten Wert mit unseren Bohnen erreichen; die Stärke des Kaffees. Zum Anderen sind bestimmte Aromen gefordert. Falsche Aromen geben keinen Abzug; sie blockieren aber wichtige Plätze in der Tasse. Zu Guter Letzt bekommen wir Punkte für die homogene Röstung – für möglichst viele identische Bohnen-Werte in der Tasse.
Die eigentliche Herausforderung besteht dann aber in der Röstung einer Reihe von drei Kaffee-Sorten: eine milde, eine normale und eine starke Sorte. Die erzielten Punkte werden addiert und ergeben so das Gesamtergebnis der Partie.
((im Libretto zur „Kaffeekantate“ von Johann Sebastian Bach))
Bei Coffee Roaster hat man einen eigentlich sehr simplen Bag Builder vor sich, bei dem man mit immer demselben Mechanismus mit verschiedenen Startbedingungen (Anzahl der Runden und initiale Befüllung des Beutels) zu unterschiedlichen Zielen kommen muss (Röstwert des finalen Kaffees, Komposition der Aromen).
Während man natürlich strategisch den Inhalt des Beutels manipulieren kann, indem man die Sonderfähigkeiten während des Röstens nutzt, so bleibt es am Ende dann doch ein Glücksspiel: Man hat beim Wechsel in die Test/Brühphase sicherlich alle Marken im Beutel, die man benötigt für den perfekten Kaffee: Doch ob man diese nun zieht – oder ausgerechnet die falschen Marken: Das ist und bleibt Glück.
So wird das Rösten eine relativ repetitive Aufgabe: In den ersten Runden zieht man zu wenige Marken, und die Kaffeebohnen haben zu niedrige Werte, als dass sich der Einsatz der Sondermarken (Aromen) lohnen würde; später, also in den letzten 3-4 Runden kann man dann allerdings den Inhalt des Beutels sehr nachhaltig beeinflussen und die Ausgangssituation für das Brühen optimal vorbereiten.
Um so frustrierender empfinde ich dann den Moment, in dem tatsächlich nur die falschen Bohnen aus dem Beutel gezogen werden, und man nicht den nötigen Röstwert erreicht, die erforderlichen Aromen nicht platzieren kann – oder auch einmal weit über das Ziel hinaus schießt. Man mag das Spiel in diesem Moment am Liebsten neu starten; aber schlimmer noch: Wenn der milde und normale Kaffee relativ gut gelungen sind, und der dritte, entscheidende Kaffee, so sehr misslingt, dass es die Gesamtpunktzahl ruiniert.
Ich gebe ehrlich zu: Spiele ich Coffee Roaster am Tisch, als physische Ausgabe, dann schmeiße ich gerne noch einmal den Kaffee in den Beutel zurück und ziehe ein zweites Mal, um zu sehen, ob es nur Pech war, oder mein Beutel wirklich schlecht „geröstet“ ist – aber das ist hier natürlich nicht möglich.
Und wenn ich schon die Vorlage, das physische Spiel, erwähne: Auch die dort vorhandenen, liebevollen „Kaffee-Karten“, auf denen die Herkunft des Kaffees und sein Geschmack beschrieben werden, vermisse ich in der App schmerzlich. Das Spiel an sich ist relativ abstrakt; die Karten vermitteln zumindest ein klein wenig mehr Thema, um in das Spiel hinein zu finden.
Leider wird also das ohnehin sehr mechanische und abstrakte Spiel als App nicht thematischer, sondern eher noch trockener. Der doch sehr repetitive Ablauf des “Röstens” lässt einen die Hälfte des Spiels eher unmotiviert herunterspielen, um dann in der zweiten Hälfte mitunter durch unglückliches Ziehen der Chips zu frustrieren.
Coffee Roaster (App) von Saashi
Schnelle, repetitive App mit kaum vorhandenem Thema.
Thomas:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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