Nachdem ich euch bereits bei „Kanagawa“ mit meinen fast nicht vorhandenen Japanisch-Kenntnissen gequält habe, verschone ich euch heute damit. Diesmal sind wir gemäß dem Spiel auch ein wenig seriöser. Ich möchte ja die Euro-Gamer unter euch nicht abschrecken… Nicht, dass es plötzlich zu bunt wird.
Gehen wir ausnahmsweise zum geschichtlichen über. Nippon spielt in der Meiji-Periode. Zeitlich gesehen war diese vom 25.01.1868 bis 30.07.1912. Auf Deutsch übersetzt bedeutet Meiji übrigens „aufgeklärtes Reich“. Neben politischen und militärischen Entwicklungen gab es zu dieser Zeit eine industrielle Revolution. Die Firmen wurden mehr nach europäischem Stil organisiert und neue Industrien wurden gefördert. Das Land wollte unabhängiger werden. Der Grundstein für eine imperiale Großmacht wurde gelegt.
Und genau in dieser Zeit befinden wir uns. Wir spielen Zaibatsus (man könnte sagen Familienunternehmen), die versuchen ihren Teil vom Kuchen ab zu bekommen. Dafür muss man nicht nur seine Produktion sauber abstimmen, sondern auch seinen Einfluss in Japan immer besser ausbauen, um nicht nur die „Fremden“ zu verjagen, sondern auch die anderen Firmen nicht zu groß werden zu lassen.
Auch der Erfinder der Schrift hat Schreibfehler gemacht.
(japanischer Aphorismus)
„Nippon“ ist ein rückwärtiges Worker-Placement. Wir setzen keine Arbeiter auf das Spielfeld, sondern holen sie zu uns aufs Tableau. Je nachdem, aus welchem Bereich wir sie einstellen können wir Aktionen durchführen. Wir können unter anderem Firmen kaufen, Produzieren, Exportieren, Japan beliefern oder in Schifffahrt, bzw. die Eisenbahn investieren. Das machen wir so lange, bis wir am Ende „konsolidieren“. Hierbei erhalten wir nicht nur Einnahmen, sondern müssen nun unsere Arbeiter bezahlen. Es sollte also genau darauf geachtet werden, wen man einstellt. Nicht zuletzt sollte man noch gut überlegen, welche Belohnung des Kaisers man nun annehmen möchte. Alles hat Auswirkungen. Und die nächste Abrechnung kommt bestimmt.
Nach der dritten Wertung ist das Spiel vorbei. Es werden die letzten Siegpunkte verteilt. Wer hier nun die Nase vorn hat gewinnt.
Bebilderte Beispielszüge könnt ihr in der folgenden Galerie sehen.
Bei allzu langem Nachdenken kommt man nicht auf den richtigen Gedanken.
(japanischer Aphorismus)
Ich sag es jetzt erst einmal frei heraus und direkt zu Beginn. Ich mag Nippon. Es ist gut verzahnt, dabei aber nicht übermäßig komplex. Klar braucht man etwas, um in das Spiel und dessen Eigenheiten hinein zu finden. Aber das ist bei anderen Euro-Titeln um Längen schlimmer. Hier kann ich mich auch wohl fühlen, wenn ich keine 20 möglichen Aktionen bis ins kleinste Detail durchplanen muss, nur um zu sehen, wo ich einen Siegpunkt mehr herausholen könnte. Das mag ich. Ich glaube ich bin inzwischen über den Punkt hinaus, an dem ich noch großartig Freude dabei empfinde alles bis ins kleinste Detail durchzuplanen.
Klar ist das bei „Nippon“ auch möglich. Dafür gibt es genügend Stellschrauben. Wie baut man seine eigene Machtposition in den einzelnen Gebieten aus? In welche Firmen sollte man investieren? Was treiben meine Gegner? Alles Überlegungen, die man einfließen lassen kann. Durch den Mehrheiten-Mechanismus kann man sogar aktiv gegen seine Konkurrenten vorgehen, was mir persönlich bei vielen Euro-Spielen einfach fehlt. Hier spielt nicht jeder für sich selbst. Hier kann ich aktiv schaden, indem ich meinem Gegner Arbeiterfarben wegnehme, die er sammelt oder ihn aus einem Gebiet verdränge. Kein bloßes: „Haha, ich blockier dir die Aktion, die du brauchst.“, sondern offene Feindschaft.
Ja, ich gebe aber auch zu, dass es Spieler gibt, die in „Nippon“ ein weiteres JASE (= just another soulless euro) sehen. Ich selber komme mit der Thematik jedoch gut klar. Aber ich bin auch etwas Japan-affin. Wobei es eigentlich bis auf die Karte und den auf dem Spielbrett abgebildeten Kaiser (der mich irgendwie immer an König Ludwig II. von Bayern erinnert) genauso gut in Österreich angesiedelt sein könnte. Gut, die Firmen würden andere Dinge produzieren, aber machbar wäre es auch mit diesem Thema. Bis auf die Schiffe, aber die setzen wir einfach auf den Bodensee.
Dennoch, wie oben erwähnt mag ich „Nippon“ und spiele es immer wieder gerne (vor allem, weil ich es sogar gewinnen kann… ? ). Beginner fürchten zwar von Regeln erschlagen zu werden, jedoch ist das Spiel an sich soweit logisch aufgebaut, dass die Regeln sich einem durch gesunden Menschenverstand erschließen. Keine abstrakten Gebilde, die man sich zwar einprägen kann, die jedoch willkürlich wirken. Die Down-Time ist dabei herrlich gering! Trotz der Möglichkeiten ist alles in kurze, knackige Züge zerlegt, so dass man nicht gefühlt stundenlang auf seine Gegner warten muss.
Wenn ihr die Möglichkeit habt solltet ihr „Nippon“ auf jeden Fall ausprobieren. Zumindest dann, wenn ihr auch damit klar kommt, dass eure Gegner euch in einem Euro in die Suppe spucken können. Zum Schluss sollte vielleicht eines noch gesagt sein. Eventuell habt ihr das Gefühl, dass man bei „Nippon“ machen kann, was man möchte. Dem ist definitiv nicht so. Wer schlecht spielt wird auf den hinteren Rängen landen. Wobei das Ergebnis nicht bereits nach der ersten Wertung abzusehen ist. Doch erfahrene Spieler wissen einfach, worauf es ankommt, so dass diese die neuen voll in die Tasche stecken werden. Also, ihr könnt beruhigt durchatmen, es gibt keinen Aufholmechanismus, der schlechte Spieler belohnt, so dass ihr euer Können gefahrlos unter Beweis stellen könnt.
Nippon
Whats your Game 2015
Autor: Paulo Soledade & Nuno Bizarro Sentiero |
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Dauer: ca. 20 – 120 Minuten |
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Spieler: 2-4 | |
Schwierigkeit: Mittel – Komplex |
Anmerkungen
Nippon – Asmodee – 2015
Spielstil – Wertung
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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