SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 5 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Konstantinos Kokkinis, Sotirios Tsantilas
erschienen bei Artipia Games, Taverna Ludica Games
Die Märchen aus tausendundeiner Nacht. Geschichten von Liebe, Abenteuer, Reichtum, Verrat und Macht. In diese Welt will uns das Kartenspiel A Thief´s Fortune entführen. Dazu spielen wir einen Dieb, der einer magischen Sanduhr habhaft werden konnte und seither die Zeit beeinflussen kann. Und was habe ich mich auf dieses Spiel gefreut! Ein unverbrauchtes Setting in einem thematischen Euro-Familienspiel. Es hätte so herrlich werden können! Wie ihr aber in meinem Ersteindruck nachlesen könnt, war ich mehr als nur enttäuscht und wollte A Thief´s Fortune erst einmal nicht mehr anfassen. Mittlerweile konnte ich mich doch aufraffen und habe einen anderen Blick auf das Kartenspiel. Ob das nun positiv ist oder nicht, könnt ihr in den folgenden Zeilen nachlesen. Viel Spaß!
(Lucius Annaeus Seneca)
Am Anfang einer Spielrunde erhalten wir fünf Karten auf die Hand. Diese ziehen wir von drei Stapeln: Ortskarten, Personenkarten und Ereignisse. Die Karten werden dann gedraftet und insgesamt vier davon spielen wir in unsere Zukunft und legen die darauf abgebildeten Rohstoffe darauf ab. Insgesamt gibt es fünf Ressourcen: Lampen, Edelsteine, Schwerter, Zeit und Gefahr.
Nach der Draftingphase dürfen wir nun Rohstoffe von den Karten in der Zukunft in unseren Vorrat nehmen – wir haben ja schließlich eine magische Sanduhr. Sobald die letzte Ressource von einer Karte genommen wurde, wandert diese in unsere Gegenwart. Dies passiert jeweils von rechts nach links. Dort dürfen wir dann deren Aktionen nutzen, meist um Ressourcen in Siegpunkte umzuwandeln.
Für jede der drei Kartensorten – also Orte, Personen und Ereignisse – haben wir fünf Plätze in der Gegenwart. Wandert die sechste Karte einer Art in die Gegenwart, verdrängt sie die sich am weitesten links befindliche Karte in die Vergangenheit. Dort können wir sie zwar nicht mehr nutzen, bringt aber am Spielende noch einmal Siegpunkte.
Nach fünf Runden ist eine Partie dann vorbei.
(Harun er Raschids Erlebnis mit dem jungen Mann – Geschichten aus Tausendundeiner Nacht)
Ich habe mich mit einer kurzen Beschreibung des Spielablaufs tatsächlich sehr schwergetan. Irgendwie zeigt das auch das Dilemma von A Thief´s Fortune. Es wurden verschiedenste bekannte Mechanismen zusammengewürfelt und diese teilweise leicht abgewandelt. Damit ist man gleich in zwei Fettnäpfchen zugleich getreten. Die Mechanismen sind meistens um einen oder zwei Schritte komplizierter als ihre bekannten Vorgänger und damit schwieriger zu erklären und zu verstehen. Diejenigen, die die Mechanismen schon kennen, können das Vorwissen aber nicht nutzen, denn es ist ja in dem ein oder anderen Detail anders.
Ja, und dann hat man gedraftet, Ressourcen geholt, Karten verschoben und darf endlich die Aktionen der Karten nutzen: Gebe zwei Edelsteine ab und erhalte einen Siegpunkt. Ach herrje, wie öde. Aber es gibt bestimmt tolle Synergien zwischen den Karten, oder? Natürlich: Wenn Du Karte x aktiviert hast, bekommst Du durch Karte y einen Rohstoff. Echt jetzt?
Die Autoren haben also aus dem märchenhaften Setting mit der Zeitmanipulation ein staubtrockenes Ressourcengetausche gemacht. Kurz zusammengefasst JASE (Just Another Soulless Euro), also nur ein weiterer seelenloser Euro. Da hilft es auch nichts, dass A Thief´s Fortune auf mechanischer Ebene gut funktioniert. Zumindest das haben mir die weiteren Partien gezeigt. Aber es ändert eben nichts daran, dass man etwa eine Stunde einfach nur Karten und Ressourcenmarker hin- und herschiebt und diese gegen Siegpunkte eintauscht. Und wer dann nicht eingeschlafen ist, hat gewonnen. Dazu kommt noch, dass manche Karteneffekte einfach deutlich stärker sind als andere. Die Gefahrenressource ist nämlich ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite kann ich mit vielen Ereignissen über die Gefahrentoken ordentlich Punkte machen. Diese Gefahr muss ich aber am Ende der Runde mit anderen Ressourcen bezahlen und kann ich das nicht, verliere ich die hart verdienten Punkte wieder. Nun gibt es wenige Karten, die mich die Gefahr wieder verlieren lassen. Die sind dann natürlich heiß begehrt und wenn ich diese nie bekomme, bin ich schnell im Hintertreffen und frustriert.
Wie sehr häufig bei Draftingspielen sollte ich für ein gutes Ergebnis die Karten zumindest leidlich gut kennen, um eben zu wissen, welche gut sind und welche nicht. Zudem sind mir persönlich die Kartenstapel zu groß. Hier wird Varianz vorgegaukelt und in Wahrheit muss ich auf der einen Karte eben zwei Lampen statt den Edelsteinen abgeben. Dadurch wird dann auch das gezielte Spielen auf bestimmte Kombinationen erschwert, was den Frust nur steigert.
Ich habe ja noch gar nicht auf den Platzbedarf des Kartenspiels hingewiesen! A Thief´s Fortune kommt mit einem gigantisch dimensionierten Spielbrett daher. Das wird aber nur für die Punkteleiste am Rand genutzt und ist ansonsten der Ablageort für die Ressourcen. An sich wäre das nicht schlimm. Ich brauche ja aber jeweils noch Platz für drei Reihen an Karten für jeden Mitspielenden. Und da wird dann selbst mein 1,05 Meter breiter Tisch zu klein. Zu zweit mag das noch gehen, dann setze ich mich halt an die Längsseiten, aber zu viert echt ärgerlich und komplett unnötig.
Zu guter Letzt die Grafik. Ich mag die farbenfrohe Illustrierung und den Grafikstil sehr gerne, auch wenn ich aus meinen Spielrunden schon andere Stimmen gehört habe. Aber die Karten sind einfach absolut unübersichtlich.
Ich kann euch einfach nur raten, das Kartenspiel im Regal zu lassen. Leider hat sich der Ersteindruck mehr als bestätigt.
A Thief’s Fortune von Konstantinos Kokkinis, Sotirios Tsantilas
Belangloser Mechanismenmix, der zwar funktioniert, aber nicht an den Tisch fesselt.
Daniel:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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