SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Stefan Bauer
erschienen bei Deep Print Games, Pegasus Spiele
Corrosion lässt uns spüren, dass nichts von Dauer ist. Vor allem nichts was von Menschenhand gemacht wurde. Laut Definition ist Korrosion die Reaktion eines Werkstoffes mit seiner Umgebung und kann zu einer Beeinträchtigung der Funktion eines Systems führen. Genau das erleben wir in Corrosion. Schauen wir aber mal wie die Reaktion auf uns ist.
(Johann Wolfgang von Goethe)
In Corrosion baut man sich Engines die, abhängig vom Werkstoff, korrodieren, also nicht mehr funktionieren und abgelegt werden. Alles was jedoch Chrom im Namen hat, zerfällt nicht und bleibt bestehen.
Ist man am Zug, wählt man eine von zwei Hauptaktionen:
Eine Aktion ist noch in jeweils eine Wartungsphase vorher und nachher eingebettet.
In der Wartungsphase sind beliebig viele Sekundäraktionen erlaubt, das sind:
Ausserdem wird alles was in Sektor X liegt entsorgt, die Korrosion schlägt zu.
Siegunktquellen sind, einige Einmalmaschinen, Chromamaschinen und Auszeichnungen. Wer am Ende die meisten Siegpunkt hat gewinnt.
Die komplette Spielregel zu Corrosion findet ihr hier. (externer Link)
(Leonardo da Vinci)
Kennt ihr das, ihr wisst ihr solltet etwas tun und schleicht aber tagelang drumherum. Prokrastination ist wohl das Schlagwort hier. Bei Corrosion ging es mir genau so. Die erste Partie war im Wesentlichen von Langeweile geprägt, die sich zudem noch ziemlich lange hinzog. Irgendetwas mussten wir falsch gemacht haben. Das Thema und die gestellte Aufgabe sind nicht uninteressant. Man kann vernünftig planen und das meist auch direkt durchziehen. Es gibt mehrere Möglichkeiten an Siegpunkte zu kommen. Das ist alles vernünftig im Spiel entworfen.
Corrosion hatte mich wirklich nicht gepackt und so eierte ich ziemlich um das Spiel herum. Mir dämmerte, dass man zwei Dinge betonen muss, um das Spiel zu beschleunigen. Die Karten der anderen kopieren, um sie selbst nicht spielen zu müssen und damit dann das Rostrad früher und häufiger drehen zu können. Eine der Spielendebedinung ist erreicht, wenn der Vorrat an weissen Siegpunktmarkern bei 3 ist. Eine komplette Umdrehung des Rostrades oder der Erwerb von Chrommaschinen sind Möglichkeiten an diese Marker zu gelangen und das Spiel in Richtung Ende zu treiben.
Hier hätte ich mir in der Anleitung den einen oder anderen Hinweise gewünscht. Für einige ist diese Vorgehensweise nicht direkt ersichtlich oder intuitiv. In der ersten Partie haben wir kaum Aktionen der anderen kopiert. Mir gefällt die Art der Interaktion, die das mit sich bringt. Die Züge der anderen bekommen damit Relevanz. Prima!
Nur geholfen hat es nicht so recht. Ja, es stimmt, man kommt dadurch schneller zu den benötigten Ressourcen, man spart Züge und ist auch deutlich aktiver.
Doch obwohl wir am Rad drehten und Aktionen kopierten, wie die Wilden, zogen sich die Partien nach wie vor in die Länge. Wir hatten nie das Gefühl, voranzukommen. Man war beschäftigt, aber es berührte nicht. Vielleicht ist es sogar die namensgebende Korrosion, die unseren Spass zerfallen ließ. Eigentlich ein spannender Designtrick. Doch fängt man bei vielem immer wieder von vorn an. Klar die Chrommaschinen bleiben, aber alles andere verschwindet, wenn es das Rostrad will. Sodass sich die immer gleichen Aktionen in einer endlosen Wiederholung aneinanderreihen. Bei einem Mitspieler fiel das Wort “seelenlos”, ich finde, das trifft es ganz gut. Zumal man sich immer wieder neue, aber fast immer kaputte Maschinen ins Werk holt. Das ergibt vom Spiel her schon Sinn, aber thematisch will mir das nicht in den Kopf. Welcher Unternehmer holt sich ständig Schrott in die Fabrik?
Rückblickend muss ich sagen, dass Corrosion mich im Wesentlichen durch den Look getriggert hat. Mir hat das Spiel von vornherein gefallen. Jetzt, nach einigen Partien, würde ich es schon wieder mitspielen, wenn nichts anderes zu Hand ist und das ist sehr sehr selten der Fall.
Obwohl ich eigentlich nicht glaube, dass man überhaupt ein Wort darüber verlieren muss, möchte ich erst einmal eines sagen. Es gab diverse Stimmen, die sich über die rein weibliche Form in Anleitung und den Charakteren im Spiel Corrosion aufgeregt haben. Ganz ehrlich – sucht euch mal richtige Probleme. Es führt weder zum Untergang der deutschen Sprache noch zum Abbau des eigenen Testosterons, wenn man mal Spielerin liest oder eine Ingenieurin einstellt. Vielleicht war es auch einfach ein Trick des Verlags, um ein Spiel ins Gespräch zu bekommen, bevor es überhaupt auf dem Markt ist? Oder man wollte einfach guten Willen zeigen? Ich weiß es nicht, und wie oben erwähnt, es juckt mich auch nicht. Schließlich schafft es weder gegendere noch ein generisches feminin meinen Lesefluss zu stören.
Viel wichtiger in der Waagschale ist natürlich taugt das Spiel was? Ich war in einer einzigen von Roberts Testrunden anwesend. Zum einen, weil mich Corrosion interessierte, zum anderen, weil er wissen wollte, was ich davon halte. Heißt, meine Meinung basiert eben auch auf dieser einen Partie und sollte auch als solche angesehen werden.
Den Kernmechanismus von Corrosion empfinde ich tatsächlich als vollkommen unverbraucht und neuartig. Nicht nur, weil einem die Maschine immer wieder wegbricht, sondern in den Möglichkeiten, die ich in meine Planung einbeziehen muss, um ein möglichst gutes Ergebnis zu bekommen. Aber gleichzeitig möchte ich Corrosion nicht unbedingt spielen.
Das liegt an zwei Faktoren. Zum einen dauerte mir das Spiel für das Gebotene zu lange. Denn irgendwie drehte ich mich ständig im Kreis und fühlte mich niemals so, als ob der Knoten geplatzt wäre und ich nun tatsächlich vorankommen würde (kein Wunder, wenn die eigene Maschine immer wieder vernichtet wird). Zum anderen fühlt sich das Spiel unglaublich anstrengend an. Schließlich erfordert es einiges an Timing und akribischer Arbeit, dass mein Plan auch aufgeht. Zusätzlich habe ich kaum Zeit, mich mit mir selbst zu beschäftigen, da ich fast ständig überwachen muss, ob meine Mitspieler mir Vorlagen liefern.
Corrosion fühlt sich für mich mit seiner Mechanik wie ein künstlerisch wertvoller Arthouse Film an. Tiefgründig, anspruchsvoll und den eigenen Horizont bereichernd. Aber ich als Film-Banause kann keinen Lustgewinn empfinden, mir diese anzusehen. So ähnlich ist es bei Corrosion. Ich fühle, dass ich es gut finden müsste, aber so richtig abholen möchte es mich nicht. Und so war ich froh, dass die eine Partie vorbei war und ich weiß bis heute nicht, ob ich mich zu einer weiteren aufraffen wollen würde, um herauszufinden, ob ich mich irre.
Corrosion von Stefan Bauer
Ein toller Look. Ein interessanter Designtrick, der einem Erreichtes immer wieder abnimmt. Doch reicht das nicht für ein spannendes oder packendes Spielerlebnis. Man ist beschäftigt, nicht unangenehm, dafür ohne Höhepunkte.
Robert:
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
Mehr Informationen zu Affiliate Links und Rezensionsexemplaren findet ihr in unserer Übersicht zur Transparenz und in den Bestimmungen zum Datenschutz.