Ich bin ehrlich… ich war nicht der beste Schüler im Fach Geschichte. Aber selbst ich habe sofort erkannt, dass bei „Barbarossa“ so einiges frei interpretiert wurde. Oder sagen wir so, es wurde ein alternatives Universum verwendet. Mit dieser Erklärung schafft man sogar eine Plausibilität für halbnackte Mädels zu erschaffen, die im zweiten Weltkrieg gen Moskau ziehen. Wie gesagt, ein gewagter Versuch für eine Erklärung, der bereits zeigt, dass die Macher das Thema nicht allzu ernst nehmen.
Wobei sich da natürlich die Frage stellt: „Darf ein Spiel über den schrecklichsten Krieg der moderne vermeintlich lustig sein?“. Eine Frage, die ich hier nicht beantworte. Denn, Menschen sind unterschiedlich. Es wird einige geben, die Schulterzuckend dastehen und die Aufregung von anderen nicht verstehen würden. Diese sofort als gefühlskalt abzustempeln wäre zu weit gegriffen. Und selbst, wenn das Thema zweiter Weltkrieg nicht wäre, hält man ein offensichtlich sexistisches Spiel in der Hand. Als Objekt degradierte Frauen in Wehrmachtsuniformen, hier ist für nicht wenige eine Grenze des guten Geschmacks überschritten. Verständlich. Aber eines kann ich euch bereits jetzt sagen. Keines der Bilder ist auf irgendeine Art „erregend“. Anders sogar, die Bilder treten schnell in den Hintergrund, denn wir haben es hier mit einem Deckbuilder zu tun. Und hier ist es wie immer, die Kartentexte sind wichtig.
Es gäbe natürlich noch einiges zum Thema und der optischen Aufmachung zu sagen, aber das würde den Rahmen hier sprengen. Wenn ich es zeitlich hinbekomme, werde ich hierzu einen separaten Artikel verfassen. Bis dahin sei mir verziehen, dass ich – auch im Fazit – nicht näher darauf eingehen, sondern rein über das Spiel an sich berichten werde. Das soll weder eine Verharmlosung, noch ein Ausdruck von Prüderie sein.
No matter what we plan, without the supplies it’s all in vain.
(Kartentext – Strategic Planning)
In „Barbarossa“ treten die Spieler gegeneinander auf der Seite der Deutschen, in einem Wettlauf um Siegpunkte, an. Hierzu erweitern wir unser Deck über Käufe, die unsere Aktionen immer vielfältiger machen. Ziel ist es Truppen in unser Deck und von dort an unsere Front zu befördern und die ausliegenden, russischen Städte einzunehmen, die einen Großteil der Siegpunkte ausmachen. Wer nach der Eroberung Moskaus die meisten Punkte hat, gewinnt.
In dieser Galerie findet ihr einen kurzen Ablauf des Spiels:
We do just as well as those tanks! You just have to use us correctly…
(Kartentext – Assault Gun Battalion)
„Barbarossa“ ist ein reinrassiger Deckbuilder, der seine Besonderheit durch den etwas anderen Punkteerwerb erzielt. Es werden weder Siegpunktkarten direkt gekauft (wie zum Beispiel bei Dominion), noch ins eigene Deck integriert. Dies, und die an die Front ausgespielten Karten, dünnen das Deck entsprechend aus. Das beschleunigt das Spiel selbst, sorgt aber auch dafür, dass ein „reiner“ Ausbau der Front gefördert wird. Dies ist der Grund, warum meine Frau nicht mehr mit mir spielen möchte. Denn ich verfolge geradlinig mein Ziel, baue meine Truppen aus und nutze sie möglichst effektiv. Das ist aus ihrer Sicht langweilig. Ich persönlich mag das Vorgehen jedoch, da es das Herz des Spiels für mich ausmacht.
Zu Beginn ist man von der Vielzahl an Karten fast schon überfordert, denn anders, als bei anderen Deckbuildern, spielt man immer mit (fast) allen verfügbaren Karten. Das verringert dann entsprechend die Varianz. Denn schon bald hat man seine „Lieblingskarten“ gefunden, auf die man sich nun eher mehr als weniger konzentriert. So spielt sich „Barbarossa“ gerade heraus und ohne unnützen Ballast.
Die erste Partie sind diverse Begrifflichkeiten verwirrend. So kopiert „Barbarossa“ zwar bestehende Konzepte, verpackt sie jedoch in Spezialbegriffe, die man sich erst erarbeiten muss. Das macht den Einstieg etwas holprig, stört aber ab der zweiten Partie nicht mehr.
Ein großer Kritikpunkt bleibt jedoch bestehen. Auch „Barbarossa“ hat das typische Problem eines Deckbuilders. Man spielt vorwiegend für sich alleine. So optimiert man vor sich hin und versucht im Wettlauf schneller zu sein, als sein Gegner. Die wenige Interaktion, die sich im Spiel ergibt geschieht vorwiegend durch die Event-Karten bei Eroberung einer Stadt. Mit ein paar von ihnen kann man Mitspielern gezielt Knüppel zwischen die Beine werfen, was sich falsch, bis immens frustrierend anfühlen kann. Sei es zu zweit, wenn einer immer der Leidtragende ist oder ab drei Spielern, wenn sich die Bestrafung eher willkürlich anfühlt. An sich sind die Event-Karten meiner Meinung nach eher unnütz. Denn im Normalfall versucht niemand sein Glück herauszufordern, sondern greift erst dann an, wenn man sicher gewinnt, egal, wie sehr sich die Verteidigung durch die aufgedeckte Karte ändert.
Mir gefällt „Barbarossa“ dennoch. Aber ich bin auch ein kleiner Deckbuilder Fan, der sich über ein schnelles, eher geradliniges Spiel freuen kann.
Barbarossa
Japanime Games 2015
Autor: Atsuo Yoashizawa | |
Dauer: ca. 10 – 15 Minuten je Spieler | |
Spieler: 2 – 5 | |
Schwierigkeit: Fortgeschritten |
Anmerkungen
Barbarossa – Japanime Games – 2015
- Erscheint bei Japanime Games
- Für 2 – 5 Spielende und dauert ca. 10 – 15 Minuten je Spieler
- Am besten geeignet für Fortgeschrittene
Spielstil – Wertung
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen vergünstigt vom Verlag bekommen.
Mehr Informationen zu Affiliate Links und Rezensionsexemplaren findet ihr in unserer Übersicht zur Transparenz und in den Bestimmungen zum Datenschutz.
Pingback: El Alamein - Japanime Games - 2016 - Spielstil
Ralf
Hallo , hab mir El Alamein gekauft. Aber nicht die Animeversion. Ich mag Deck Builder. Was mich hier stört, ist die Verfügbarkeit aller Karten. Einen Markt aus allen Karten finde ich besser. Ich teste das grad. Ich mische alle Karten und mache dann einen Markt mit 5 Karten. Klar macht es das Spiel schwerer , aber auch variabler. Mam versuchen.
Meine Favoriten sind Legendary Alien und Star Realms.
Gruss
Ralf