SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 7 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Travis Jones
erschienen bei Stonemaier Games
Zeit fasziniert uns alle, vor allem Lebenszeit, denn sie ist die einzige Ressource, die unwiederbringlich ausgegeben wird. In Pendulum ist Zeit ebenfalls mit das wichtigste Element. Lasst uns darüber reden, ob sich das zeitliche Investment lohnt.
(Lied aus Paulchen Panther)
Hier setze ich meine Arbeiter auf ein Aktionsfeld in einen der drei Bereiche. Jeder der Bereiche ist einer Sanduhr zugeordnet und hat 2 Zeilen mit Aktionsfeldern. Die beiden Zeilen sind jeweils identisch. Arbeiter in einer Zeile mit Sanduhr dürfen diese nicht verlassen und es dürfen auch keine Arbeiter dort eingesetzt werden. Die Sanduhren laufen unterschiedlich lange, die schwarze 45 Sekunden, die grüne 2 Minuten, die violette 3 Minuten. Auf den Aktionsfeldern kann ich sowohl Ressourcen (rot: Military, blau: culture, gelb: Gold und violett: Votes), Siegpunkte für meine Leisten, meine Produktion ausführen oder auch „Province cards“ bekommen. Mit den „province cards“ kann ich meine eigene Produktionsfähigkeit verbessern. Wird eine Sanduhr auf die andere Zeile seines Bereichs gedreht, ist die bis dahin besetzte Zeile frei und die Arbeiter darauf dürfen neu eingesetzt werden. Sanduhren können gedreht werden, es ist keine Pflicht. Jeder Spieler hat zusätzlich noch einen Satz Handkarten, die weitere Aktionen erlauben. Sie können jederzeit gespielt werden. Gespielte Karten müssen aber mit Ressourcen wieder zurückgekauft werden, um sie erneut zu spielen.
Die Council Phase wird eingeläutet, sobald, die violette Sanduhr (die mit den 3 Minuten) 3 Mal gedreht wurde. In dieser Phase spielen die Sanduhren keine Rolle mehr. Die Anzahl der in dieser Runde erwirtschafteten Votes bestimmt die Reihenfolge, in der man die Belohnung bekommt und wie Konflikte in der nächsten Runde aufgelöst werden. Es gibt in Pendulum keinen Startspieler. Belohnungen sind weitere Karten, die ich in der Echtzeitphase spielen kann und / oder Siegpunkte.
Jedes Spielertableau hat eine Standardseite und eine für fortgeschrittene Spieler. Vorder- und Rückseite unterscheiden sich bei den Siegpunkten, Anfangsressourcen und den Produktionsfähgkeiten. Außerdem unterscheiden sich die vier Handkarten noch stärker.
Die komplette Spielregel zu Pendulum findet ihr hier. (externer Link)
(Ovid)
Pendulum ist ein Spiel, das ich als spezialgelagerter Sonderfall (danke Justus) bezeichne. Nach dem der Groschen mit den Sanduhren gefallen ist und die ersten Runden gespielt sind, bekommt man sehr rasch Aussagen über Gefallen oder nicht Gefallen. Und die sind wirklich polarisiert, „nicht meins“, „völlig seltsam“, „so ein Sch…“, bis zu „hey toll“ und „grandios“.
Hier sieht man jedoch den Verdienst von Pendulum und vielleicht den Grund für die viele Beachtung. Es rührt extrem an unseren Spielgewohnheiten. Wir spielen gleichzeitig, es gibt keine Züge, keine Reihenfolge und es ist oft wenig Zeit zum Überlegen. Für die einen ist es völliges Chaos, Unplanbarkeit und Unübersichtlichkeit in einer Box. Unter Zeitdruck eine Strategie zu entwickeln, vor allem wenn die anderen das zur gleichen Zeit machen, ist nicht unbedingt jedermanns Geschmack. Und dann sind da die anderen, zu denen ich mich auch zähle. Sie erahnen, dass man die Uhren nicht als Störfaktor sehen darf. Sie sind ein strategisches Mittel, das eingesetzt werden will. Man kann und sollte sich darauf einschwingen, den Rhythmus finden. Richtig „getimt“ kann man die Sanduhren schichten: „Ich muss die Schwarze noch drehen, um Geld zu produzieren, bevor die Grüne abgelaufen ist, damit ich mit dem Arbeiter dort noch produzieren kann.“ Und natürlich kann ich Arbeiter des Gegners zusätzlich noch blockieren, in dem ich eine Sanduhr auf eine Zeile drehe, in der noch ein Arbeiter stehen hat.
Laufen die Sanduhren sind das Phasen höchster Konzentration, die dankenswerterweise durch die Councilphasen unterbrochen werden. Dies bedeutet aber auch, dass Pendulum noch viel stärker Multiplayer Solitär ist als andere Workerplacer. Die Spieler unterhalten sich nicht während des Spiels, dazu ist buchstäblich keine Zeit beziehungsweise Kapazität. Entweder man murmelt vor sich hin oder schweigt völlig in sich gekehrt. Man hat also einen Haufen Nerds um den Tisch sitzen, von denen die einen schweigen und die anderen wirres Zeug brabbeln. Auch wenn man völlig isoliert da sitzt, wenn die Action passiert, so kommt doch Emotion auf. Die ist jedoch völlig nach innen gerichtet und für die anderen wenig relevant. Ungeduld, wann denn endlich der violette Timer durchgelaufen ist. Spannung, ob die Kombination schwarze Uhr und grüne Uhr noch klappt, bevor das letzt Mal die violette Uhr gedreht wird. Hier ist Pendulum einzigartig.
Wer Trash-Talk beim Spiel für unverzichtbar empfindet, sollte von dem Spiel die Finger lassen.
Fehler zu machen, ist dagegen bei Pendulum fast schon vorprogrammiert. Es gibt keine / kaum eine kontrollierende Instanz und so geschieht es schon, dass ein Arbeiter platziert wird, wo er nicht sein darf, vergessen wird für eine Aktion zu bezahlen. Besonders ärgerlich passiert aber immer wieder, man vergisst, einen Arbeiter umzusetzen, und er wird von einer Sanduhr gefangen genommen.
Betrachte wir das Spiel ohne die Sanduhren und nehmen den zeitlichen Aspekt weg. Das mag jetzt dem einen oder anderen unfair vorkommen. Jedoch schaue ich dann nur noch darauf, was ich beim spielen tatsächlich mache, nicht mehr nur unter welchen Umständen. Dieser Kern von Pendulum ist schlicht, sehr schlicht sogar. Ich habe dann ein einfaches Arbeitereinsetzspiel, bei dem ich eine kleine Engine aufbaue um Ressourcen in Siegpunkte zu konvertieren. Die Mechanismen sind recht simpel und schnell durchschaubar, was natürlich auch dem zeitlichen Aspekt geschuldet ist. Sie sind aber nicht so spannend oder interessant und auch schon oft da gewesen. Wie lange das reicht um Menschen an den Tisch zu bringen ist eher fraglich. Pendulum ist, meines Erachtens, eher ein Kuriosum, das jeder mal gesehen haben will, aber dann schnell das Interesse daran verlieren wird. Trotzdem wird man sich daran erinnern, weil es „grossartig“ war oder, wie eingangs erwähnt, „totaler Mist“.
Das Thema des Spiels habe ich einfach unter den Tisch fallen lassen. Es ist völlig schnuppe, auch wenn es über eine ganze Seite hinweg auf der überausführlichen Anleitung beschrieben wird. Der Hype und die anfängliche Begeisterung wird wohl verrinnen wie der Sand in den Uhren. Mit den erweiterten Spielertableaus gibt es zwar noch weitere Herausforderungen, aber das hält sich in Grenzen. So glaube ich, dass die Idee, Zeit als Spielelement zu verwenden, genial ist. Jedoch haben wir hier spielerisch noch deutlich Luft nach oben.
Pendulum von Travis Jones
Ein Spiel, das Zeit als wichtiges Spielelement ins Geschehen aufnimmt, aber unter der Haube eher altbacken ist. Pendulum wird wohl mit der Zeit gehen
Robert:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
Mehr Informationen zu Affiliate Links und Rezensionsexemplaren findet ihr in unserer Übersicht zur Transparenz und in den Bestimmungen zum Datenschutz.
Matthias Kaelin
Ja, Echtzeitspiele sind Geschmacksache. Mir gefällt Time’n’Space noch gut, nur finden sich die Mitspieler nicht so gut: Man hat zwei oder drei Sanduhren als Arbeiter, die für eine Aktion ca. 1 Minute brauchen. Gleichzeitig muss mit den Mitspielern verhandelt werden, damit man nicht nur seine Waren los wird, sondern auch die gewünschten Waren abholen kann. Intensive und hektische 20 Minuten – aber gut wenn man Freude an dieser Art Spiel hat!
Robert Alstetter
Hey Matthias,
Echtzeitspiele sind was besonderes, da gebe ich dir Recht. Und mir gefallen sie sogar. Eigentlich. 🙂
Beim von dir erwähnten Time’n’Space, ich habe es nur einmal gespielt, interagiere ich mit meinen Mitspielern, das ist eine völlig andere Geschichte auch bei Kitchen Rush organisiert man sich – irgendwie. Das darf alles hektisch sein. Pendulum fehlt ein spannendes Spiel neben den Sanduhren, der Reiz verliert sich irre schnell.