SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 10 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Cole Wehrle
erschienen bei Leder Games
Oath wurde von Cole Wehrle entwickelt, einem Designer mit einer noch kurzen, dafür aber besonderen Liste an Titeln. Bei Spielstil haben wir bisher Pax Pamir und Root von ihm getestet. Von beiden waren wir echt überzeugt. Für Oath hatte ich bereits ein “Erstes Mal” (siehe hier) verfasst. Inzwischen sind genug Partien ins Land gegangen, um deutlich mehr Erfahrung gesammelt zu haben. Auf Spielstil mögen wir es gerne kurz und knackig. Oath ist sehr eigen und macht vieles anders, um dem Rechnung zu tragen wird das hier etwas ausführlicher als sonst.
Disclaimer: Wir beziehen uns hier auf die englische Version. Die Deutsche war für unsere Tests noch nicht verfügbar.
(Benjamin Franklin)
Oath ist ein Strategiespiel mit starkem politischen Einfluss. Es gibt 2 Fraktionen im Spiel. Die Kanzlerin möchte die Macht über das Land behalten. Dazu muss sie den Eid (Oath), den sie geschworen hat, für mindestens 4 längstens 8 Runden halten. Der Eid ist die Vision, mit der sie die letzte Partie gewonnen hat. Alle anderen sind entweder Exilanten (Exile) oder Bürger (Citizen). Die Exilanten haben eine andere Vision, bzw. Ziel, für das Land und stürzen es gewissermaßen in eine Krise. Bürger werden durch die Kanzlerin ernannt, sie sind damit Teil des etablierten Reiches, sie kämpfen für die Kanzlerin und gewinnen auch anders.
Das Reich in Oath besteht aus drei Regionen (Cradle, Provinces, Hinterland). Jede hat Platz für 2 oder 3 Orte. Je nachdem, wie die letzte Partie verlief, sind manche Orte bekannt und liegen offen aus, die anderen müssen erst noch entdeckt (= aufgedeckt) werden. Jeder Ort besitzt noch Attribute, wie die maximale Anzahl der Karten, die angelegt werden können und wie viele Relikte dort gefunden werden können, usw.
Ein Zug in Oath besteht aus einer Reihe von Aktionen. Es ist dabei egal, welche und wie oft man sie wählt, man muss sie sich nur leisten können. Basisaktionen kosten Versorgungsgüter (Supply), zusätzlich kann man Aktionen auf Karten nutzen, die man selbst hat oder an dem Ort liegen, an dem man ist. Aktionen auf Karten kosten typischerweise Geld (Favor: Gefallen) oder Geheimnisse (Secrets). Basisaktionen sind unter anderem:
Wer gewinnt, wird in der nächsten Partie die Rolle der Kanzlerin übernehmen. Außerdem werden die Orte und Karten anhand der jetzigen Spielsituation für das nächste Spiel vorbereitet.
Die komplette Spielregel zu Oath findet ihr hier. (externer Link)
(Marcus Tullius Cicero)
Eine Partie Oath erlebt man entweder als Kanzlerin, Exilant oder Bürger. Gerade Bürger gab es bei uns selten. Die Kanzlerin kann einen Exilanten einbürgern. Das macht sie aus den verschiedensten Gründen, oft aber, wenn sie Hilfe braucht. Doch hier ist gutes Timing und Fingerspitzengefühl nötig. Kommt das Angebot erst, wenn des Kanzlers Ende absehbar ist, dann hat kein Exilant Lust auf das tote Pferd aufzusteigen. Die Kanzlerinnen haben ihr Spiel bei uns meistens ohne Bürger bestritten. Wir fanden die Rolle selten attraktiv und noch seltener wurde das Angebot überhaupt ausgesprochen.
In einer Partie ist man maximal 8 Mal an der Reihe. Das ist nicht oft, dafür macht es die Züge umso bedeutsamer. Ein Plan, am besten ein Guter 🙂 , muss her. Diesen entwickelt man über die ersten paar Runden. Hier ist einges an Flexibilität gefragt, da man auf die Züge der anderen reagieren muss. Tatsächlich kann es sein, dass man in einer Runde sogar recht wenig macht, trotzdem fühlt sich jeder Zug wichtig an. Man kann Supply (Versorgungsgüter – quasi Aktionspunkte) bedingt in die nächste Runde mitnehmen und damit Verlegenheitszüge meistens vermeiden. Damit ergibt sich eine intensive Tüftelei. Das Ziel ist es, den Plan in Aktionen zu giessen und das meiste aus dem Supply zu ziehen. Dabei spielt die Reihenfolge der Aktionen oft eine wichtige Rolle. Es war bei uns hilfreich, gnädig mit der Rücknahme von Aktionen zu sein. Das hat uns davor bewahrt, zu tief in den Thinktank zu fallen.
Während des Spiels sucht man sich Unterstützung bei den Bewohnern, Gruppen oder anderen Einrichtungen des Landes. Diese kommt in Form der (Denizen-)Karten. Die Denizens legt man entweder an einen Ort oder behält sie als Berater bei sich. Schon allein das ist immer wieder eine wichtige Abwägung. Die Beschränkung auf maximal 3 Karten am eigenen Tableau macht das nicht einfacher. An einem Ort kann eine Karte weitere Aktionen erlauben, diese können von allen, die sich hier befinden, verwendet werden. Dadurch ergeben sich oft gänzlich neue Möglichkeiten und schon mancher Plan wurde dadurch flugs umgemodelt. Denn richtig angewandt können die Karten sehr stark sein. Wenn sich also jemand immer wieder an einem Ort aufhält, hat er vielleicht eine nette Engine gebaut. Da sollte man gut drauf achten. Zum Beispiel könnte jemand Geld aus dem System saugen.
Geld ist bei Oath endlich, keine Zentralbank pumpt frisches Geld in den Markt. Cole Wehrle hat sich für ein geschlossenes System entschieden. Dieser Umstand zwingt dauernd zum Umdenken. Die Banken entsprechen den 6 Kartenfarben. Ist eine Bank leer, bringen Karten der entsprechenden Farbe oft keine Einnahmen mehr. Manche Aktionen fordern sogar, dass man Geld tatsächlich verbrennt und aus dem System nimmt. Das simuliert, wie während Zeiten der Unruhe und des Krieges die Kassen immer leerer werden, je länger der Zustand anhält. Damit wird es immer schwieriger Nachschub zu bekommen. Wir haben es gegen Partieende oft erlebt, dass die Banken fast alle leer gefegt waren. Das ist nervig, aber toll gemacht.
Nicht nur die wirtschaftliche Seite ist besonders bei Oath, auch der Kampf (Campaigning) ist speziell. Weniger die Abwicklung, das ist eine “fast normale” Würfelorgie. Das besonders ist was der Angriff alles zum Ziel haben kann. Sei es ein Ort, den er kontrolliert, eine Reliquie, ein Banner, sein Geld, was auch immer. Und das mit nur einer Aktion. Je mehr Ziele der Angreifer wählt, umso mehr Würfel zur Verteidigung bekommt der Angegriffene. Das will gut überlegt sein, aber wenn man viele Warbands (Kriegstruppen) hat, zusätzlich etwas Glück, dann kann man mit einer einzigen Aktion das komplette Spiel auf den Kopf stellen.
Oath entwickelt gern nach den ersten Runden eine ganz spezielle Dynamik. Dann wandelt sich alles. Beschaulich ist Oath eigentlich nie, aber die ersten Runden richtet man sich doch etwas ein und versucht seinen Plan zu entwickeln. Das ist dann vergessen. Jetzt werden Gewinne vereitelt oder Könige bzw. Kanzlerinnen gemacht. Steht jemand kurz davor zu gewinnen, stürzt man sich auf diesen Mitspielenden und versucht diesen Sieg zu verbauen. Man sollte sich also ziemlich genau überlegen, wann man sein Geheimnis / Vision lüftet. Timing ist mal wieder alles. Laufen aber mehrere in Richtung Ziellinie, was schon mal passiert, wird es spannend. Da kann der vermeintliche Sieger von einer Aktion zur nächsten wechseln. Wer sich noch als nächste Kanzlerin sah, wird es wohl nicht werden. In diesen Momenten schaut man gebannt auf das Spielbrett und kann kaum glauben wie schnell sich Machtverhältnisse ändern können. Und wie schnell eine Partie vorbei sein kann, zumindest gefühlt.
Rezensieren wir bei Spielstil ein Spiel, dann legen wir Wert darauf, es in verschiedenen Konfigurationen zu testen. Soll heissen, wir variieren sowohl die Spielenden als auch die Anzahl pro Partie. Oath hingegen haben wir immer in derselben Vierergruppe gespielt. Aus zweierlei Gründen:
Der Weg, Oath zu verstehen und zu beherrschen ist steinig. Unsere Partien lagen maximal 2 Wochen auseinander. Alle in unserer Gruppe können mit einem Haufen Regeln umgehen und haben Erfahrung mit komplexen Spielen. Doch wie bei keinem anderen Spiel mussten wir die Regeln zu Oath immer wieder rekapitulieren. Die Siegbedingungen waren jedes Mal Thema. Aber auch sonst gibt es bei fast allem eine Besonderheiten, etwas Zusätzliches, das bedacht werden muss. Darum habe ich hier Aussagen oft mit “meistens” eingeschränkt, weil es zu Regeln oft eine Ausnahme gibt. Aber, das ist das Geniale, es ergibt Sinn für die Welt, in der Oath spielt. Das mit einer weiteren Gruppe durchzuziehen ist sehr mühsam, zumal eine andere Crew erst einmal gefunden werden will.
Der zweite Grund kommt von Cole Wehrles Designentscheidung, die Partien als Teile einer Erzählung eines Reiches zu begreifen. Eine Partie, ist eine Periode der Unruhe, ein Umsturz könnte das Land nachhaltig verändern. Während zwischen den Partien Friede im Lande herrscht. Jede Partie wirkt sich auf die Kommende aus. Nicht so wie bei Pandemie, wo Material zerstört, modifiziert oder neu hinzukommt, sondern deutlich subtiler.
Zum einen wird oder bleibt der Gewinner der Partie, der Kanzler der Nächsten. Gerade das Kanzleramt war bei uns die am wenigsten beliebte Rolle. So hat man eine bessere Ausgangsposition, jedoch ist man darin gefangen, den Bestand gegen die anderen zu verteidigen. Trotzdem wollte man die Partie gewinnen, ein mentaler Spagat 🙂 Zwischen den Partien entwickelte sich der Kanzler als eine Art schwarzer Peter, mit dem spielerisch gedroht wurde, “du warst schon länger nicht mehr Kanzler …”. Diese Erzählung ging noch während der Partie so, auch wenn das Spielfeld was ganz anderes hergab.
Orte, die der kommende Kanzler kontrolliert, tauchen wieder auf, die der Verlierenden gehen zurück in den Stapel. So ist ein Teil des Reiches schon vordefiniert, der andere Teil muss dann in der nächsten Partie neu entdeckt werden. Oath kommt mit knapp 200 Karten in 6 Farben daher. Alle sind unterschiedlich. Aus diesen wird ein Stapel (World – Deck) mit etwa 50 Karten erstellt. Anfangs sind die Farben gleich verteilt. Mit jeder Partie verändert sich das Verhältnis zugunsten einer Gewinnerfarbe. Dies, Orte und Karten, ist eine interessante Idee, Partien miteinander zu verknüpfen. Es festigt den Eindruck, dass die Geschicke eines einzigen Reiches und deren Parteien erzählt wird. Oath brennt eleganterweise nicht gleich das grosse Legacy Feuerwerk ab. Das öfter zitierte “emergent storytelling” haben wir dabei jedoch nicht gespürt. Ja, die Orte waren wieder da und ja man hat gespürt, dass der Kartenstapel sich in eine gewisse Richtung entwickelt. Wir haben das aber einfach hingenommen, wie bei jedem anderen Spiel, das einen komplexeren Aufbau hat. Trotzdem bewundern wir die Idee, von der Designentscheidung her.
Eine Partie Oath kann völlig unterschiedlich laufen. Schon allein die Spielzeit ist sehr variabel, sie nimmt auf jeden Fall deutlich ab je besser man das Spiel kennt. Zu Beginn waren wir bei etwas über 3 Stunden, später dann um die 90 Minuten.
Oath von Cole Wehrle
Oath ist aussergewöhnlich, mit Hang zum Meisterwerk. Es dauert lange bis man es erlernt und beherrscht hat. Es gibt einige Systeme und Mechanismen. Alles unterstützt hervorragend das Thema.
Trotzdem ist es mit bei weitem nicht für jeden gemacht. Es gehört eher in die Nische der Nische. Wenn ihr euch da reinstürzen wollt, dann versucht es in der gleichen Gruppe zu spielen.
Robert:
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