SPIELSTIL Rezension

Hochverrat! – Frosted Games – 2018

Lesezeit: 4 Minuten

Ein Spiel entwickelt von Alex Berry
erschienen bei Frosted Games

Falls euch der Name Louis Riel nichts sagt, müsst ihr euch nicht allzu sehr grämen. Er ist keine der historischen Persönlichkeiten, die im Standard Geschichtsunterricht der deutschen Schulklassen behandelt wird. Da er nun aber als zentrale Figur des Spiels „Hochverrat!“ gewählt wurde, bekommt ihr hier einen ganz kurzen Abriss.

Louis Riel führte im 19. Jahrhundert einen Aufstand in Canada an. Das ging so weit, dass er sich irgendwann in die USA ins Exil begeben hatte. Später, als es erneut Spannungen zwischen den Métis und der Regierung gab, rief man den alten Retter zurück ins Land. Doch die Rebellion wurde niedergeschlagen und Louis Riel landete des Hochverrats beschuldigt vor Gericht. Dort wurde er zum Tod durch den Strick verurteilt.

Im Spiel werden die Tage der Verhandlung nachgespielt. Kann die Verteidigung einen Freispruch erwirken oder ist auch diesmal die Anklage siegreich?


I know that through the grace of God, I am the founder of Manitoba.

(Louis Riel)

„Hochverrat!“ ist ein reines 2-Personen-Spiel. Über 5 Phasen versuchen Anklage und Verteidigung jeweils die Geschworenen zu beeinflussen. Dabei muss man erst einmal herausfinden, wie diese Ticken und welche Ansichten ihnen wichtig sind. Gesteuert wird das Spiel über Karten, welche man entweder für die aufgeführte Aktion oder die angegebenen Aktionspunkte verwendet. Zuletzt gibt es noch die Möglichkeit über überzeugte Geschworene Einfluss auf den Ausgang der Verhandlung zu nehmen. Erreicht die Endabrechnung 100 oder mehr Punkte, gewinnt die Anklage.

Ein paar bebilderte Beispielzüge findet ihr in dieser Galerie:

Auf geht es zur Verhandlung von Louis Riel. Wir treten dabei als Verteidiger auf.
Zuerst müssen wir herausfinden, mit welchen Geschworenen es wir zu tun haben.
Jede Phase ist dabei als Kurzabriss für alle Spieler sichtbar.
Jeder Spieler erhält für die Phase "Auswahl der Geschworenen" sieben Karten auf die Hand.
Die Anklage beginnt mit dieser Karte. Der Spieler möchte die Aktion (oberstes, gelbes Kästchen) nutzen.
Er entscheidet sich zwei Religionsplättchen aufzudecken.
Als nächstes spielt er diese Karte. Erneut will er die Aktion nutzen.
Er darf zwei weitere Religions- und ein Sprachen-Plättchen aufdecken.
Dies geht so lange weiter, bis er nur noch zwei Karten auf der Hand hat. Diese legt er unter seinen Marker. Sie werden erst später benötigt.
Wir sind an der Reihe. Wir spielen diese Karte und nutzen die Aktion.
Für diese dürfen wir uns geheim einen Religionsmarker ansehen.
Im Anschluss legen wir diesen dann so, dass der Pfeil in unsere Richtung zeigt. Das bedeutet, dass wir wieder nachsehen dürfen, wenn wir möchten.
Auch wir spielen fünf Karten und legen dann die restlichen zwei unter unseren Marker.
Nun wissen wir einige Dinge über die Geschworenen und müssen die aussortieren, die für uns am schädlichsten sind.
Die Anklage nimmt dabei die erst Karte weg.
Das machen wir im Wechsel weiter, bis nur noch sechs Geschworene im Spiel sind.
Danach geht es in Phase 2. Der erste Verhandlungstag beginnt.
Erneut bekommen beide Spieler jeweils sieben Karten. Die Anklage spielt die erste Karte und nutzt die Aktion (mittlerer Kasten).
Betroffen von der Aktion sind die Leisten Kaufmann und Landwirt.
Diese verschiebt er, wie von der Karte gefordert.
Dann sind wir an der Reihe. Wir spielen diese Karte und nutzen die Aktionspunkte (2 Stück - unter dem Portrait ersichtlich).
Für den ersten Punkt schieben wir den Kaufmann wieder ein Feld in unsere Richtung. Wir markieren die Spalte mit einem unserer Marker.
Danach geben wir den zweiten Punkt aus, um einen der Geschworenen zu beeinflussen. Wir legen einen Marker auf diesen und es passiert erst mal nichts weiter.
Die Anklage ist wieder an der Reihe. Der Spieler legt diese Karte aus und möchte die Aktion nutzen. Er muss dabei eines der Felder aus dem mittleren Aktionsfeld wählen.
Er entscheidet sich den "Englisch" Aspekt um 2 Punkte in seine Richtung zu verschieben.
Wir werfen einen Blick in unsere Karten. Keine mag aktuell so richtig passen.
Wir nehmen unser Recht auf einen Mulligan. Dies ist einmal im Spiel möglich. Dafür werfen wir alle Handkarten ab und ziehen eine weniger, als abgeworfen. Unser Zug endet.
Abwechselnd spielen wir weiter Karten, bis nur noch zwei übrigbleiben. Diese wandern zu den anderen beiden unter unserem Marker.
Phase 3 funktioniert genau wie Nummer 2. Erneut spielen wir abwechselnd Karten, bis man nur noch zwei übrig hat. Danach geht es in Phase 4 - das Schlussplädoyer. Diese verläuft zum größten Teil gleich. Es werden jedoch die sechs Karten unter unseren Markern verwendet. Außerdem ändert sich die Zugreihenfolge und welches Aktionsfeld der Karte verwendet werden darf.
Zuletzt geht es in Phase 5 - Die Beratung der Geschworenen.
Zuerst wird geprüft, ob der Schuldmarker die Mindestanforderung (zwei) erreicht hat. Ist dem nicht der Fall verliert die Anklage sofort.
Danach wird die geistige Gesundheit geprüft. Die Verteidigung hat das Feld 2 erreicht.
Das bedeutet, dass alle Aspekt-Marker nochmals verschoben werden.
Sie wandern alle ein Feld zur Verteidigung.
Danach werden alle Eigenschaften der Geschworenen aufgedeckt.
Jeder darf nun die Geschworenen aktivieren, die er ganz für sich gewinnen konnte. Wir haben diesen von uns überzeugt. Nun dürfen wir 2 Punkte verwenden. Mit diesen können wir Geschworene mit denselben Ansichten (Katholisch, Englisch, Landwirt) beeinflussen.
Oder auf die gleichen Aspekte verteilen. Wir entscheiden uns den katholisch- und den englisch-Aspekt jeweils noch ein Feld in unsere Richtung zu schieben.
Ist die letzte Runde gelaufen werden die Geschworenen ausgewertet. Jeder Geschworene bringt dabei die Punkte, die seinen Aspekten auf der Punkte-Leiste entsprechen. Von der Anklage überzeugte Geschworenen werden in ihren Punkten verdoppelt. Von der Verteidigung überzeugte halbiert. Kommt man auf ein Ergebnis von 100 oder mehr Punkten gewinnt die Anklage. Bei 99 oder weniger die Verteidigung.

You got to be brave and have courage, believe in yourself, because that is the first thing to success is believe in yourself.

(Louis Riel)

Ich liebe Spiele, die ein eher ungewöhnliches Thema tragen. Nun sind Gerichtsverhandlungen per se zwar (leider) alltäglich geworden, die spielerische Umsetzung derselben dürfte jedoch ziemlich einzigartig sein. So war meine Vorfreude auf die erste Partie natürlich entsprechend groß. Die Regeln sind zum Glück recht eingängig und lassen sich auch auf jeweils zwei Spielkarten je Phase zusammenfassen. Eine tolle Idee, mit Karten das Gerichtsbuch darzustellen. So hat man alle nötigen Informationen im Blick.

Das komplette Material wirkt dabei recht thematisch stimmig. Leider ist mir das Spiel dann etwas zu mechanisch. Die aktuelle Stimmung in den einzelnen Lagern beeinflussen wir, in dem wir Marker auf einer Leiste hin- und herschieben. Geschworene, indem wir Plättchen darauf ablegen. Hier fehlt mir ein wenig die Dramatik, die dem Thema eigentlich innewohnt. Zumindest wird diese für mich nicht ganz transportiert.

Und obwohl das Spiel mechanisch funktioniert fehlt mir hier einfach die emotionale Ebene, welche ich bei Skalen verschieben nicht so ganz aufbringen kann. Da hilft dann leider auch nicht, dass ich es mit realen Personen zu tun habe, die jeweils mit Namen, Bild und Flavor-Texten auf den Karten vertreten sind. Denn das tritt während des Spiels leider zu sehr ins Hintertreffen.

Außerdem fühlt sich die zufällige Kartenhand hier etwas fehl am Platze an. Klar dient sie dazu, dass man sich keine 100 %-ige Siegstrategie zurechtlegen kann. Aber es kam häufig vor, dass eine Seite gefühlt deswegen keine Chance hatte, weil der Gegner einfach die passenden Karten hatte. Zu oft saß ich dann nach einer Partie etwas unbefriedigt da. Klar, mag es thematisch passend sein und für manche zur Geschichte gehören, dass eine Seite bereits vor Prozessbeginn im totalen Hintertreffen ist, aber dennoch muss es mich nicht erfüllen.

Ja, ich weiß, dass sich der Reiz des Spiels erst nach mehreren Partien entfaltet. Ich habe es versucht. Partie um Partie um Partie. Mal mit neuen Spielern mal mit welchen, die „Hochverrat!“ schon kannten. Aber ich hatte nie das Gefühl eines spannenden Katz- und Maus-Spiels, wie ich in Beschreibungen schon häufig gelesen hatte. Es ist zwar soweit ganz nett, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass die Kartenhände mehr mit dem Ausgang zu tun haben, als die eigenen Entscheidungen.

So bleibt „Hochverrat!“ für mich thematisch immer noch einzigartig und ich darf zugeben, dass es mein Allgemeinwissen positiv beeinflusst hat. Spielerisch und vor allem emotional hätte es jedoch noch den einen oder anderen Kniff benötigt, um mich richtig zu fesseln.

Hochverrat!

Frosted Games


Autor: Alex Berry
Dauer: ca. 30 – 45 Minuten
Spieler: 2
Schwierigkeit: Fortgeschrittene

Anmerkungen

Hochverrat! – Frosted Games – 2018 von Alex Berry

Spielstil – Wertung

Christian:

5/10

Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen vergünstigt vom Verlag bekommen.

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Written by Christian Renkel
Christian liebt Brett- und Videospiele mehr, als ausreichenden Schlaf. Dabei ist ihm am wichtigsten, dass er in der jeweiligen Welt versinken kann. Egal, ob es die geschickte Mechanik oder die überkochende Emotion ist.

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