SPIELSTIL Rezension
Lesezeit: 8 Minuten
Ein Spiel entwickelt von Asger Harding Granerud, Daniel Skjold Pedersen
erschienen bei Asmodee, Days of Wonder
Ich kann mich noch genau an den ersten Kontakt zu Heat erinnern. Es war 2022 auf der Spiel in Essen. Wir befanden uns auf dem Asmodee Presseevent und hatten uns mit Christian und Markus von Brett und Pad verabredet, um gemeinsam zu spielen. Schnell hatten wir uns für Heat entschieden. Auf der einen Seite, weil Christian (Brett und Pad) Flamme Rouge so sehr mochte. Auf der anderen Seite, weil Autorennen natürlich immer gehen. Also haben wir uns dann mit zwei weiteren Mitspielenden eingefunden, um eine Proberunde zu drehen.
Was ist passiert? Ich hatte nichts erwartet, war aber nach der Partie vollkommen hin und weg von dem Spiel. Es schaffte es unglaublich spannend zu sein und das Renngefühl mit tollen Entscheidungen wiederzugeben. Dabei schaffte es auch gleichzeitig auf Emotionen zu setzen. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als Christian (Brett und Pad) mit einem fiesen Manöver überholte und die Führung übernahm und durchs Ziel raste, wusste ich, dass ich das Brettspiel unbedingt brauche. Dann kam die Ernüchterung.
Asmodee hatte sich dagegen entschieden, Heat nach Deutschland zu bringen. Warum? Weil man Autorennspiele nicht als groß verkaufsfähig ansah. Sehr enttäuscht – vor allem, weil ich in Essen dann auch kein Exemplar mehr ergattern konnte – machte ich mich auf den Heimweg. Monatelang habe ich dann Asmodee vorgeworfen, dass sie die Fehlentscheidung ihres Lebens abgegeben hatten. Regelmäßig habe ich den Finger in die Wunde gelegt und fest gedrückt.
Ich möchte jetzt nicht sagen, dass ich der Grund war, dass Asmodee dann doch eine deutsche wie auch eine internationale Version für Deutschland geplant und veröffentlicht hat. Aber vielleicht sollte ich auch einfach sagen, dass nicht alle Helden Capes tragen.
Die erste Auflage der deutschen Version war – trotz Thalia Exklusivität – innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Zum Glück ging ich diese Runde nicht leer aus! Dachte ich zumindest. Denn bis zum Schreiben dieser Rezension sollte es dann doch ein langer, steiniger Weg werden.
Nachdem die Rennstrecke ausgesucht und die Startaufstellung ausgelost wurde, können wir erst einmal mit dem wichtigsten beginnen. Dem Deckbau. Das hat Heat ganz einfach gelöst. Hier wird gedraftet. Heißt wir wählen in 3 Durchläufen Karten aus, mit denen wir unser Deck bereichern. Zuletzt werden noch die von der Rennstrecke bestimmten Stresskarten mit ins Deck gemischt und Heat Karten bereitgelegt. Danach kann es losgehen.
In jedem Zug müssen wir natürlich bestimmen, wie schnell wir unterwegs sein möchten. Hierzu trägt unser aktueller Gang maßgeblich bei. Denn dieser gibt vor, wie viele Karten wir von unserer Hand ausspielen müssen. Die Gang- und Kartenwahl werden gleichzeitig durchgeführt, danach geht es brav in der Reihenfolge weiter. Wer am Zug ist, zählt zusammen, wie viele Felder das eigene Auto fährt und bewegt dieses. Danach kann noch der Turbo gezündet – heißt, man deckt eine weitere Karte auf und fährt die gezogene Strecke – und mit etwas Glück der Windschatten ausgenutzt werden.
Ist man in seinem Zug über eine Kurve gefahren, wird noch geprüft, ob man zu schnell unterwegs war. Überschreitet man das von der Strecke gesetzte Limit, wandern Hitzekarten ins Deck. Diese wird man nur los, indem man sie auf der Hand hat und die Möglichkeit der Kühlung findet. Sei es durch eigene Karten, niedrigen Gängen oder weil man hinten liegt.
Außerdem kann man Hitzekarten bekommen, wenn es eine ausgespielte Karte vorgibt, man den Turbo zündet oder den Motor quält, indem man zwei Gänge hoch- oder runterschaltet. Dabei muss geschickt mit den Heat Karten jongliert werden. Ohne sie wird man nicht vorn mit dabei sein. Hat man jedoch zu viele auf der Hand oder kann keine mehr dem Deck zufügen, wird man crashen, was in den meisten Fällen den Sieg kosten dürfte.
Ist das Rennen abgeschlossen, gewinnt natürlich, wer die Ziellinie zuerst (oder am weitesten) überschritten hat. Ein Solo-Modus runden das Spiel genauso ab wie ein Meisterschaftssystem.
Die komplette Spielregel zu Heat findet ihr hier. (externer Link)
Wer mir schon eine Weile folgt, weiß, wie sehr ich mich auf Heat gefreut habe. Ich habe gefühlt keine Gelegenheit ausgelassen, um von meinen positiven Erlebnissen auf der Spiel in Essen zu berichten. Ich war sogar so heiß auf das Spiel, dass ich mich einer Sammelbestellung auf Unknowns angeschlossen habe, um Fanpläne von Boardgamegeek drucken zu lassen. Dann war endlich der Moment da, das Spiel in meinen Händen. Der Titel, von dem ich in meinem ganzen Verwandten-, Freundes- und Bekanntenkreis geschwärmt habe. Ein herrliches Gefühl! Doch dann passierte etwas seltsames.
Während ich mit jeder Partie das gute Gefühl wieder aufleben lassen konnte, haben meine Mitspielenden immer mehr zum Ausdruck gebracht, dass sie das Spiel entweder nur ok fanden oder sie es gar nicht mochten. Ein paar weigerten sich sogar Heat jemals wieder mitzuspielen. Rufe wurden lauter, dass Formula D das weit bessere Rennspiel sei. Dies dämpfte natürlich auch mein Spielerlebnis. Mir begann Heat immer weniger zu gefallen. Ich zweifelte sogar zuletzt an mir. Wie konnte ich Heat nur so feiern, obwohl es eine Qual war, es zu spielen?
Die Lösung lautete, dass nicht ich oder meine Einstellung das Problem waren, sondern dass die Menschen, die mit mir spielen mussten, eben nicht so dafür brannten wie ich. Meine aktuell härteste Erfahrung, wie sich negative Emotionen auf das Spielgefühl selbst auswirken können. Natürlich wäre es nun ein leichtes darüber hinwegzuwischen und zu sagen, dass die anderen einfach keine Ahnung haben. Ich fragte sie also, wo ihr Problem in Heat liegt. Am häufigsten hörte ich dann, dass es eben nicht spannend sei und sich das Spiel ständig wiederholen würde.
Gut, für letzteres finde ich keine Ausrede. Dem ist tatsächlich so. Im Kern machen wir eine Partie hindurch natürlich immer dasselbe. Wir legen einen Gang fest und spielen Karten. Die Feinheit liegt jedoch darin abzuschätzen, wann ich bestimmte Karten spiele, welche ich im aktuellen Fall besser loswerde und welche ich unbedingt auf der Hand behalten muss. Das ist ein stetes Kalkulieren, das Glück herausfordern und dann eben perfekt zu fahren oder unterzugehen. Eine für mich hoch emotionale Angelegenheit.
Ich feiere jede Kurve, die ich als einziger perfekt absolviert habe und ärgere mich lautstark, wenn die angestrebte Taktik nicht aufgeht. Und genau das ist es, was Heat für mich besonders macht. Mit der Erfahrung fährt man riskanter. Mal geht der Plan auf, mal nicht. Beides führt zu Emotionen.
Toll ist auch, dass das Fahrerfeld von Heat immer sehr nah beieinanderliegt. Hier bedient sich das Brettspiel natürlich eines Tricks, aber dieser ist effektiv. Da der Großteil unserer Karten übereinstimmt, ist es nur logisch, dass man selten einen Ausreißer im Rennen hat. Spätestens, wenn das Deck durchlaufen ist, haben alle in etwa gleich viel Schritte gemacht. Aber ich muss erneut darauf hinweisen, es ist immer noch unsere Entscheidung, wie viel Würze wir im Rennen zulassen. Wann spielen wir Karten? Welche werfen wir besser ab? Wie bereinigen wir die Hand vor der nächsten Kurve? Für mich persönlich ein spannendes Stellungsspiel.
Eines muss ich noch kurz loswerden, dann sind meine Lobeshymnen auch schon vorbei. Heat ist eines der wenigen – wir sprechen hier von nicht einmal einer Handvoll – Brettspielen, die ich gerne solo spiele. Die von den Karten gesteuerten Wagen sind stark genug, um in direkte Konkurrenz zu gehen und dabei nicht so übermächtig, dass man keine Chance hat. Auch hier ist es ein durchaus spannendes Brettspiel, bei dem man alle Register ziehen muss!
Ich liebe Heat und möchte es in meiner Sammlung nicht missen. Natürlich macht es nicht alles perfekt und die Entscheidung über die Thalia exklusive deutsche Version fühlt sich extrem seltsam an. Aber es ist und bleibt für mich ein überaus spannendes Rennspiel, mit dem man einen Haufen Spaß haben kann, wenn sich alle am Tisch darauf einlassen. Bleibt nur noch die Frage, welches Spiel besser abschneidet. Heat oder Formula D. Ich mag beide für das, was sie sind. Heat ist besser zu kontrollieren, Formula D chaotischer und auch emotionaler.
Aber für mich persönlich hat Heat Formula D als mein liebstes Autorennspiel abgelöst. Jetzt muss ich mir nur noch eine Gruppe suchen, die das genauso sieht und mit mir endlich eine Meisterschaft fahren.
Heat von Asger Harding Granerud, Daniel Skjold Pedersen
Heat ist für mich ein Fest der Emotionen, des Zockens und Scheiterns. Ich liebe es meine Runden zu drehen, dabei alles zu geben und auch mal den Motor zu überhitzen. So sehr, dass ich es sogar gerne Solo gegen die vom Brettspiel gesteuerten Fahrenden spiele. Einfach toll!
Christian:
Hinweis:
Wir haben das Rezensionsexemplar ohne Auflagen gratis vom Verlag bekommen.
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Horst
😂😂 ich wäre sofort dabei. Konnte es noch nicht ergattern, aber bis auf eine löblichere Ausnahme im Freundeskreis möchte es nach der Erstpartie keiner mehr spielen.
Christian Renkel
Was hast du mit deinen Freunden angestellt? In der ersten Partie voll versenkt? Du musst sie gewinnen lassen. Zumindest das erste Mal. Das tut weh, ich weiß, aber das gehört dazu. 😉
Spaß beiseite. Mochten sie es nicht?
Horst
ganz komisch: sie weigern sich Rennspiele gut zu finden. Ich verstehe das. nicht *LOL*
Aber eigentlich hat auch niemand wirklich etwas zu meckern am Spiel.
Christian Renkel
Ok, auch eine Möglichkeit einzuordnen. 🙂
Sven
Ich stimme Dir absolut zu und habe ähnliche Erfahrungen mit Mitspielern – meine Frau mag es überhaupt nicht. Für mich eins der besten Spiele der letzten 5 Jahre oder so. Ich liebe es und spiele zum ersten mal bei boardgamearena im Arenamodus.
Heute beim Spieleabend den wir regelmässig in der Buchhandlung von Freunden mit organisieren und unsere Spiele beisteuern vorgestellt und gespielt: kam super an. Und trotz wochenlanger online Erfahrung … geschleudert. Live ist dich anders 😉
Christian Renkel
Oh ja! Das kenne ich nur zu gut. Man denkt, dass man das Spiel inzwischen voll im Griff hat, hat eine große Klappe und schleudert direkt. 😁
Ulrik Neumann
Dann lass uns mal spielen…
Meine Frau ist voll begeistert – wir spielen zu 2. mit 10 Legenden, die unsere Kinder und Familienmitglieder darstellen. 🙂
Christian Renkel
Sehr, sehr gerne!! Wir müssen einen Termin/Ort finden. Die Erweiterung und die ganzen Fan-Strecken liegen noch ungenutzt hier.
Ihr wollt nicht zufällig zum Spielewochenende kommen? 😉
Micha
Das Problem mit HEAT: Es soll ein Rennspiel sein, aber es fühlt sich nicht so an. Wenn ein einziges Rennen zu sechst 45-60 Minuten (oder mit manchen Spielern noch länger) dauert, dann ist das irgendwie schnarchig. Gleiches trifft m.M.n. auch auf Formula De zu – nur kommt da noch der große Glücksfaktor dazu. Wenn Du ein richtig gutes Rennspiel suchst, dann kann ich Dir „DTM – Das Motorsportspiel“ empfehlen. Mit Timer das mit großem Abstand beste Rennspiel, das ich kenne – weil es sich auch so anfühlt. Leider nur noch schwer zu bekommen, aber absolut lohnend.